Dienstag, 2. September 2025

Nationalgarde

I am the law, konnte Roy Bean sagen, er war The Only Law West of the Pecos. In der amerikanischen Geschichte gibt es immer wieder Leute, die das Gesetz in ihre Hand nehmen. Meistens sind das die Filmhelden in einem Western. In Amerika haben wir zurzeit einen Präsidenten, der sich über Recht und Gesetze hinwegzusetzen scheint. Er regiert mit Dekreten ohne den Kongress, manche Erlasse beruhen auf Gesetzen, die für etwas ganz anderes vorgesehen waren. Wie dem International Emergency Economic Powers Act, den Trump für seine Zollpolitik missbraucht. In seiner ersten Amtszeit hatte Trump 220 Executive Orders erlassen, in seiner zweiten Amtszeit hat er in den ersten hundert Tagen schon 140 Dekrete unterzeichnet. Wie Roy Bean sagt auch Donald Trump, dass er das Gesetz sei. Weil er ja das Land retten muss: He who saves his Country does not violate any Law. Aber darf er die Nationalgarde überall hinschicken?

Die Nationalgarde gibt es seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Sie untersteht den Gouverneuren der einzelnen Staaten, kann aber im Kriegsfall und bei nationalen Notständen der Bundesregierung unterstellt werden. Sie ist schon zu politischen Zwecken gebraucht worden. Zum Beispiel am 2. September 1957 in Little Rock in Arkansas. Da ließ der Gouverneur die Nationalgarde aufmarschieren, um zu verhindern, dass farbige Schüler eine Schule besuchten. Vor der Schule steht eine Menschenmenge wie diese, die Plakate wie Race Mixing is Communism und Stop the Race Mixing March of the Anti-Christ in die Kameras der Reporter hält. Das Urteil Brown v. Board of Education des Supreme Court bezüglich der Rassentrennung ist noch nicht in Arkansas angekommen.

Drei Wochen später wird es neun Schülern gelingen, in die Schule zu kommen. Weil der amerikanische Präsident die 10.000 Mann starke Nationalgarde von Arkansas unter das Bundeskommando gestellt und 1.200 Soldaten der 101st Airborne Division nach Little Rock entsandt hatte. Es ist viel Hass in diesem Bild, die beiden Frauen sehen älter aus, aber sie sind erst fünfzehn und sechzehn. Hazel Bryan, die da Go home, nigger! Go back to Africa brüllt, hat sich Jahre später bei Elizabeth Eckford entschuldigt.

Drei Jahre später kann die sechsjährige Ruby Bridges ihre Schule in New Orleans ohne die Nationalgarde nbesuchen. Der wütende Mob ist noch da, aber man braucht die Nationalgarde nicht. Ruby wird von vier Marshals in die Schule begleitet. Unterricht gibt es nicht, Schüler und Lehrer haben die Schule verlassen. Norman Rockwell hat sein Bild von der kleinen Ruby The Problem We All Live With genannt. Obama hat es im Weißen Haus aufgehängt. Ich weiß nicht, ob es da noch hängt. Fünf Jahre nach dem Schulbesuch von Ruby Bridges hat der amerikanische Historiker Richard J. Hofstadter seinen Essay The Paranoid Style in American Politics veröffentlicht. Der letzte Satz lautet da: We are all sufferers from history, but the paranoid is a double sufferer, since he is afflicted not only by the real world, with the rest of us, but by his fantasies as well. 

Als Präsident Eisenhower sich 1957 die Nationalgarde unterstellte, hatte er gute Gründe für diesen Schritt. Präsident Johnson hatte auch gute Gründe, die Nationalgarde gegen den Willen des Bundesstaates Alabama einzusetzen. Wir kennen das aus dem Film Mississippi Burning. Aber hatte Donald Trump gute Gründe, die Nationalgarde nach Los Angeles zu schicken? L.A. wouldn’t be standing today if President Trump hadn’t taken action then. That city would have burned down if left to the devices of the mayor and the governor of that state, sagte Kristi Noem von der Homeland Security. Da kann man nur noch einmal Hofstadter zitieren: the paranoid is a double sufferer, since he is afflicted not only by the real world, with the rest of us, but by his fantasies as well. Was die Nationalgarde in Washington soll, weiß nur Donald Trump. I'm announcing a historic action to rescue our nation's capital from crime, bloodshed, bedlam and squalor and worse, hat der Mann, der immer lügt, gesagt. This is liberation day in DC, and we're going to take our capital back. Seit einer Woche sind die Gardisten bewaffnet. Weshalb? Wir wollen mal hoffen, dass sie die Waffen nicht gebrauchen. Das Kent State Massaker, bei dem die Nationalgarde auf unbewaffnete Studenten schoss, ist noch nicht vergessen. Der gelbe Kent State Kugelschreiber auf meinem Schreibtisch, den Sandy Marovitz mir geschenkt hat, erinnert mich immer daran.


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