Donnerstag, 10. Januar 2013
Metropolis
Ich habe neulich den dümmsten aller Filme gesehen: Ich glaube nicht, dass es möglich ist, einen noch dümmeren zu machen. Er heißt 'Metropolis', kommt von den großen Ufa-Ateliers in Deutschland, und dem Publikum wird bekanntgegeben, dass seine Herstellung ein enormes Geld gekostet hat. Er verabreicht in ungewöhnlicher Konzentration nahezu jede überhaupt mögliche Dummheit, Klischee, Plattheit und Kuddelmuddel über technischen Fortschritt und der Fortschritt überhaupt, serviert mit einer Sauce von Sentimentalität, die in ihrer Art einzigartig ist, so fängt die Filmkritik eines Engländers an, die nach der Premiere von Metropolis in der Frankfurter Zeitung abgedruckt wurde.
Der Rezensent ist nicht irgendjemand, er kennt sich in jenem Genre, das immer in ferner Zukunft spielt, sehr gut aus. Es ist kein Geringerer als H.G. Wells. Wenn Sie die Rezension in ihrer Gänze im Original genießen wollen, dann klicken sie ➱hier. Die Sache mit dem dümmsten aller Filme stimmt natürlich nicht ganz. Wenn ich persönlich auch das ganze Genre SciFi nicht mag - das habe ich schon in dem Post ➱Endzeit gesagt - muss man doch zugeben, dass es in diesem Genre wenige Filme an Metropolis heranreichen. Für irgendetwas muss der deutsche Film des Expressionismus ja auch gut sein.
Doch so optisch überwältigend der Film ist, inhaltlich bietet er nicht viel, da hat H.G. Wells schon Recht. Er ist nicht der einzige, der den Film nicht mag. Metropolis kann als besonders deutliches Beispiel einer anspruchsvoll leeren Stilmanier gelten. Die eigentliche Handlung ist um rein äußerer Effekte Willen von vielerlei nebensächlichen Beiwerk umrankt und durchzogen. Schreibt Siegfried Kracauer in Von Caligari zu Hitler. Fritz Lang hat sich später von dem Film distanziert - wie von seiner Ehefrau, die den dem Film zugrunde liegenden Roman und das Drehbuch geschrieben hatte. Die Ex-Gattin heißt Thea von Harbou, sie lebt als Drehbuchautorin unter den Nazis richtig auf. Ist nach Leni Riefenstahl die berühmteste Frau im deutschen Filmgewerbe. Der Weg von Caligari zu Hitler, um Kracauer einmal leicht zu variieren, ist bei ihr sehr kurz. Nach dem Krieg schreibt sie Drehbücher für Heimatschnulzen und all diese schlimmen Filme. Sie kam schon einmal im Blog vor, als ich über ➱Dieter Borsche schrieb. Dass ➱Ernst Penzoldt bei der Verfilmung von Korporal Mombour mit ihr zusammengearbeitet hat, kann ich noch immer nicht glauben.
Metropolis ist am 10. Januar 1927 im Ufa-Palast am Berliner Zoo zum ersten Mal aufgeführt worden, der teuerste Film der deutschen Filmgeschichte bis dahin. Finanziell ist der Film ein Flop, aber stilbildend für vieles, was danach kommt, ist er schon. Obgleich man ihn jahrzehntelang nicht in seiner vollen Länge sehen konnte. Denn wenige Monate nach der Premiere wurde er auf eine Länge von zwei Stunden gekürzt, und erst 2008 hat man in Buenos Aires eine Kopie des Filmes gefunden, mit der man beinahe den ganzen Film restaurieren konnte. Die von der Friedrich Wilhelm Murnau Stiftung erstellte Fassung ist mittlerweile auch als DVD im Handel.
Das Zitat von H.G. Wells mit dem dümmsten aller Filme, der ein enormes Geld gekostet hat und in ungewöhnlicher Konzentration nahezu jede überhaupt mögliche Dummheit, Klischee, Plattheit und Kuddelmuddel... serviert mit einer Sauce von Sentimentalität verabreicht, werde ich mir mal merken. Als ich vorgestern im ZDF eine halbe Stunde von dem James Bond Film Quantum of Solace sah, dachte ich mir, dass H.G. Wells, der ja in die Zukunft schauen konnte, unbedingt diesen Film gemeint haben muss. Roger Moore bemerkte zu diesem Machwerk it was just like a commercial of the action.
James Bond Filme und Metropolis haben ja eine Menge gemeinsam. Auf jeden Fall die Filme, für die ➱Ken Adam das Design geliefert hat (dies hier - und auch das Bild oben, das aussieht, als sei es aus Metropolis - sind von Ken Adam). Die anspruchsvoll leere Stilmanier von Metropolis wirkt weiter. Nach einer halben Stunde von der scriptless mess of 'Quantum of Solace' (so Kate Muir in der Times) habe ich von TV auf DVD geschaltet. Und in den sich willig öffnenden Schlund de DVD Players die alte Version von Casino Royale mit David Niven eingelegt. Das war auch Dummheit, Klischee, Plattheit und Kuddelmuddel, aber das sollte wenigstens so sein.
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Es kommt auf die Betrachtungsweise an: Wer die Welt und die zivilisatorischen Bemühungen der Menschen in erster Linie ästhetisch betrachtet, also als eine Art Gestaltungsspiel, der wird diesem Film einiges abgewinnen können; doch demjenigen, der durch die ethische Brille blickt oder gar an den ewigen Fortschritt zum immer Besseren glaubt und die Menschen für eine Art Agenten des Weltgeistes hält, wird der Film wenig sagen.
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