Am Morgen habe ich die New York Times in der Mail, am Abend den →New Yorker Daily. Den New Yorker hatte ich mein halbes Leben als Abo oder als Geschenk; und Adam Gopnik, den ich als Autor sehr schätze, hat hier schon einen Post. Die Lektüre der besten Zeitungen aus den USA kostet übrigens nichts, Sie brauchen sich nur mit Ihrer E-Mail Adresse auf die Liste setzen zu lassen. Sie können natürlich auch den White House Newsletter abonnieren, aber das wollen Sie sicher nicht. Obgleich die Selbstinszenierung der Regierung Trump sehr, sehr komisch ist. Was beide New Yorker Blätter im Augenblick beschäftigt, ist der Ostflügel des Weißen Hauses, den Trump gerade abreißen lässt. Weil er dort einen Ballsaal für tausend Leute bauen will, den sich die Nation angeblich schon immer gewünscht hat: For 150 years, Presidents, Administrations, and White House Staff have longed for a large event space on the White House complex that can hold substantially more guests than currently allowed. President Donald J. Trump has expressed his commitment to solving this problem on behalf of future Administrations and the American people.
Als ich die Sache mit dem Ballsaal zu ersten Mal las, fiel mir Figaros Arie se vuol ballare, signor contino ein, das wäre ein witziger Titel für das Ganze gewesen. Signor contino Donald lässt einen Ballsaal bauen und Figaro bringt ihm das Tanzen bei. Im New Yorker beantwortete George E. Condon, die Frage How normal is this sort of White House renovation? mit den klaren Sätzen: The White House wants you to believe this is totally normal, citing all the renovations, big and small, made by past Presidents. They are right that changes were made. But they are dead wrong about how this is being done. With the exception of F.D.R. secretly building a bunker under the East Wing during the Second World War, past renovations of this size were debated, funded by Congress, and done only after the need was manifest. None were rushed and done at the whim of a President.
Keine Diskussionen in Kongress oder Senat, überhaupt keine Diskussionen im Land, wenn der Signor Trumpino at the whim seinen Tanzsaal haben will. So etwas wollte er schon vor Jahrzehnten mal haben und mit 100 Millionen Dollar selbst finanzieren, aber Obama hat seinen Brief gar nicht erst beantwortet. Hatte allerdings, als er sich 2011 um die zweite Amtszeit bemühte, beim jährlichen White House Correspondents Association Dinner ein Photo in seinem Vortrag eingeblendet, das das Weiße Haus nach einem theoretischen Sieg Donald Trumps zeigte. Das war damals ein kleiner visueller Scherz. Heute ist das Bild bitterböse Satire, aber vielleicht wird das ja noch genau so werden. Den Bordell-Stil seines Anwesens Mar-a-Lago mit viel →Gold und Glitzer hat Trump ja schon in das Weiße Haus gebracht: Where the Oval Office once conjured gravitas and continuity through its restrained adornments, it now evokes insecurity and petulance. It is awash in gilt.
Das Weiße Haus, das architektonisch sicherlich nicht die Bedeutung von Jeffersons Monticello hat, ist über die Jahre immer wieder umgebaut worden; vom Original von James Hoban ist wenig erhalten. Donald Trump benutzt jetzt eine →Auflistung der Umbauten durch Amerikas Präsidenten, um gegen seine Kritiker vorzugehen: In the latest instance of manufactured outrage, unhinged leftists and their Fake News allies are clutching their pearls over President Donald J. Trump’s visionary addition of a grand, privately funded ballroom to the White House — a bold, necessary addition that echoes the storied history of improvements and additions from commanders-in-chief to keep the executive residence as a beacon of American excellence.
Wir lassen das Geschwafel mit der manufactured outrage, den unhinged leftists and their Fake New mal so stehen und kommen zu einer kurzen Baugeschichte. 1902 begann Roosevelt mit erheblichen Renovierungsmaßnahmen, die dem Haus diesen Ostflügel (und einen Südflügel) verschafften. Die Bauarbeiten wurden durch Amerikas renommierteste Firma McKim, Mead and White durchgeführt, die dafür berühmt waren, die größten Villen für die Millionäre des Gilded Age im Stil der École des Beaux-Arts von Paris zu bauen (lesen Sie mehr in Dementia Americana). Die verpassten dem →Haus auch die weiße Farbe. Und Roosevelt gibt ihm den Namen The White House.
Nicht nur McKim, Mead and White haben das Haus umgebaut, das Haus wurde, seit es die Engländer im Krieg 1812-1814 angezündet hatten, ständig umgebaut. Damals hatte man das Gebäude zum ersten Mal weiß gestrichen, um die Brandschäden zu übertünchen. Von nun an baut jeder Präsident ein wenig an dem Haus dran herum. James Monroe ließ den Portikus im Süden errichten, Andrew Jackson zehn Jahre später den North Portico. Am Ende des 19. Jahrhunderts plädierten schon viele für einen Abriss und Neubau des Gebäudes.
1945 merkte man, dass das Haus wirklich abrissreif war. Die Bausünden von Jahrhunderten wurden evident. Und die eine tragende Wand hätte Roosevelt nicht entfernen sollen. Nachdem das Spinett seiner Tochter durch die Decke des Obergeschosses gebrochen war, zog Präsident Truman mit seiner Familie in das Blair House, wo er die nächsten vier Jahre wohnen wird. So wie auf diesem Bild sah das Weiße Haus im Frühjahr 1950 aus, nur die Außenwände stehen noch, man hatte es vollständig entkernt. Fachleute hatten für einen Abriss des baufälligen Hauses plädiert, aber das wollte der Kongress nicht hören. Er bestand auf dem Erhalt der Fassade. Der Architekt Lorenzo Simmons Winslow wird dem amerikanischen Präsidenten ein neues Zuhause aus Stahlbeton geben. Im Frühjahr 1952 führte Harry S. Truman ein ✺Fernsehteam durch das im Inneren völlig neue Weiße Haus.
Und nun bekommt es eine visionary addition, einen neuen Flügel, der allerdings die ganze Konstruktion ein wenig aus dem Gleichgewicht bringt. Palladio, der für Amerikas öffentliche Bauten der Stilgeber ist, hätte so etwas nicht gebaut. Denn der Ballsaal im Stil von Versailles für Signor Trumpino wird größer als das Weiße Haus sein. I’ve seen drawings of the ballroom next to the White House, and it does a couple of things. First, it dwarfs it. And second, it takes away the symmetry. The White House looks symmetrical from above, from the front, and from the back — and this addition disrupts that, hat die Historikerin Dr Lindsay Chervinsky gesagt.
Aber für den Bauherren, der das aus seiner Tasche (und den Taschen seiner Milliadärsfreunde) bezahlt, ist das alles nur beautiful: It will be beautiful. It won’t interfere with the current building. It won’t be – it will be near it, but not touching it. And pays total respect to the existing building, which I’m the biggest fan of. It’s my favourite. Der Architekt, den Trump für seinen Ballsaal gefunden hat, war bisher auf katholische Kirchen spezialisiert. Er war mal ein Vertreter moderner Architektur, tendiert aber heute zu irgendetwas, das er als klassisch empfindet. Er ist da wieder angekommen, wo McKim, Mead and White vor hundert Jahren schon waren. Ein bisschen klassischer Touch für Multimillionäre, die viel Geld und ganz wenig Geschmack haben.
✺Se vuol ballare, signor contino, singt Figaro, und seine Cavatine ist ein Lied der Rebellion. Das wissen wir, die Oper war häufig in diesem Blog.
Will der Herr Graf ein Tänzchen nun wagen,
mag er's mir sagen, ich spiel ihm auf.
Soll ich im Springen Unterricht geben,
auf Tod und Leben bin ich sein Mann.
Ich will ganz leise
listigerweise von dem Geheimnis
den Schleier ziehn.
Mit feinen Kniffen, mit kecken Griffen,
heute mit Schmeicheln, morgen mit Heucheln
werd' seinen Ränken ich kühn widerstehn.
mag er's mir sagen, ich spiel ihm auf.
Soll ich im Springen Unterricht geben,
auf Tod und Leben bin ich sein Mann.
Ich will ganz leise
listigerweise von dem Geheimnis
den Schleier ziehn.
Mit feinen Kniffen, mit kecken Griffen,
heute mit Schmeicheln, morgen mit Heucheln
werd' seinen Ränken ich kühn widerstehn.
Nur Googles KI-Modus hat das nicht begriffen. Da steht doch tatsächlich: Der Text lautet: "Will der Herr Graf ein Tänzchen nun wagen, mag er's nur sagen, ich spiel' ihm auf". Dieser Text stammt aus der Cavatine des Figaro aus der Oper Die Hochzeit des Figaro von Wolfgang Amadeus Mozart. Es handelt sich um die Arie, in der Figaro vor Freude, dass der Graf nicht gegen ihn ist, die Musik für den Grafen spielt ... Bedeutung im Kontext: In dieser Arie drückt Figaro seine Freude aus, weil der Graf anscheinend nicht mehr gegen ihn ist. Er spielt die Musik für den Grafen und sagt, dass er ihm gerne aufspielen wird, wenn der Graf tanzen möchte. Nein, ihr Vollpfosten, Figaro will verhindern, dass der Graf Susanna an die Wäsche geht!
Wird man Signor Trumpino zum Tanz aufspielen? Die Musik, die er im Augenblick hört, ist der Krach der Abrißbirne: You probably hear the beautiful sound of construction in the back... When I hear that sound, it reminds me of money. Ach ja, das ist das einzige, das er im Kopf hat. This is Trump’s presidency in a single photo. Illegal, destructive, and not helping you, hat die Senatorin Elizabeth Warren über die ersten Photos gesagt. Und Hillary Clinton schrieb: It’s not his house. It’s your house. And he’s destroying it. Der Historiker Edward G. Lengel hat gesagt: I think Thomas Jefferson, poor old TJ, his head would’ve exploded if he had seen this. Die Frage, die bleibt, ist: wird Signor Trumpino es noch erleben, in seinem Ballsaal zu tanzen? Wird man da jemals solche ✺Szenen sehen? Und wer werden die anderen tausend in dem Saal sein? Repräsentieren die Amerika? Kann man Trumps Ränken, wie Figaro es singt, ganz leise Mit feinen Kniffen, mit kecken Griffen, heute mit Schmeicheln, morgen mit Heucheln kühn widerstehn? Die ersten Klagen gegen die Abrissarbeiten sind eingereicht.









Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen