Dienstag, 21. Oktober 2025

neu im Oktober


Die Tagesschau weiß es auch schon, seit zwei Wochen hat Google etwas Neues: Der neue KI-Modus kann bei der herkömmlichen Suche auf Google.com oder den Landes-Websites von Google aktiviert werden. Die Funktion erscheint als Auswahlmöglichkeit in einem zusätzlichen Reiter ("Tab") neben den bisher üblichen Optionen wie "Alles", Bilder, Bücher, Videos und Nachrichten. Bislang hatte Google bei bestimmten Themen eine sogenannte "Übersicht mit KI" angeboten, unter der aber auch weiterhin herkömmliche Links und bezahlte Werbung zu sehen waren. Über die Übersicht mit KI habe ich mich schon in den Posts Künstliche Intelligenz, 17. Juni und der 22. Juli lustig gemacht. Jetzt wird die KI zu Googles wichtigstem Instrument:

Der KI-Modus ist die leistungsstärkste KI-Suchfunktion von Google. Sie können fragen, was immer Sie möchten, und erhalten eine KI-basierte Antwort. Sie haben auch die Möglichkeit, durch weiterführende Fragen und hilfreiche Weblinks tiefer in das Thema einzusteigen. Im KI-Modus bietet die Übersicht mit KI dank logischem Schlussfolgern und weitergehenden Interaktionsmöglichkeiten noch mehr Möglichkeiten. Ihre Frage wird in Unterthemen aufgeteilt und alle Suchanfragen werden gleichzeitig ausgeführt. So kann der KI-Modus im Web nach noch relevanteren Inhalten suchen, die zu Ihrer Frage passen.

Klingt ganz toll, ist aber meistens Quatsch. Unter den Antworten des Google Orakels steht der Satz KI-Antworten können Fehler enthalten. Ja, und wie. Ich habe das Ganze eine Stunde getestet und keinen Vorteil dieser neuen Algorithmussuche erkennen können. Erschütternde Fehler aber en masse. Meinen Freund Yogi habe ich schon mehrfach in meinem Blog erwähnt, zum Beispiel in den Posts Philologen, da hat er seinem neunzigjährigen Lateinlehrer eine Festschrift gewidmnet. So ausser lamäng, wie man in Bremen sagt. In Print On Demand wird er erwähnt, weil er mich überredet hat, ein  kleines Büchlein zu machen. Da kann man auch lesen, dass er niemand Geringeren als Kissinger rumgequatscht hat, das Vorwort für das Peace Pipe Buch zu schreiben. Und der Post existentialism war eine Laudatio auf das St Olaf College, wo Yogi mal unterrichtet hat.

Jetzt ist da Gordon Marino Professor, sein Buch The Existentialist's Survival Guide: How to Live Authentically in an Inauthentic Age hatte mir der Yogi damals aus Amerika geschickt, er hatte es vom Autor geschenkt bekommen. Mit Widmung, jetzt ist es meins. Ich hatte gleich begonnen, es zu lesen, weil es ein Lesevergnügen ist. Das bei Harper Collins erschienene Buch hat auch sehr gute Kritiken erhalten, und das zu Recht. Googles Ki weiß dazu: Die Suche nach "Gordon Martino" liefert keine Treffer zu einer prominenten Person dieses Namens. Es sind zwei ähnliche Namen bekannt, die fälschlicherweise gemeint sein könnten: Gordon Marino: Ein Professor für Philosophie und Direktor der Hong Kierkegaard Library am St. Olaf College in Northfield, Minnesota.

Professor Gordon Marino hat auch Kierkegaard in the Present Age und The Quotable Kierkegaard veröffentlicht und ist Mitherausgeber des Cambridge Companion to Kierkegaard. Mit solch wissenschaftlichen Leistungen ist man für Google natürlich keine prominente Person, in der wissenschaftlichen Welt wäre man das schon. Dem Kierkegaard Spezialisten kann man übrigens nicht ansehen, dass er auch etwas ganz anderes kann, was ihn prominent macht. Er war nämlich einmal Boxer und ist heute noch Boxtrainer. Philosophen werden ja nicht unbedingt mit dem Sport assoziiert, obgleich wir natürlich Thomas Hobbes erwähnen müssen, der im hohen Alter noch Tennis spielte. Als Sartre noch am Gymnasium unterrichtete, brachte er seinen Schülern das Boxen bei, das er selbst während seines Studiums erlernt hatte. Ob Heidegger wirklich gesagt hat: Ich war linker Läufer beim FC Meßkirch, weiß ich nicht. Aber wir wissen, dass Albert Camus in seiner Jugend Torwart bei Racing Universitaire d’Alger war. Er hat über diese Zeit gesagt: Alles, was ich schließlich am sichersten über Moral und menschliche Verpflichtung weiß, verdanke ich dem Fußball.

Gordon Marino ist auch Direktor der Kierkegaard Bibliothek des St Olaf College in Northfield (Minnesota), und dass die kleine Universität die vielleicht beste Kierkegaard Bibliothek der Welt besitzt, verdankt sie diesem Herrn hier. Er heißt Howard Hong und hat keinen Wikipedia Artikel, die Bibliothek, die er aufgebaut hat, hat allerdings einen Artikel. Dieses Internet Lexikon weiß auch nicht, was es tut. Wir nehmen einmal für die Beschreibung seines Lebens diesen Nachruf aus der Star Tribune. Und immerhin kriegt der KI-Modus eine halbwegs richtige Würdigung seiner Tätigkeit hin.  Aber es ist eben leider nur halbwegs.

Die Bibliothek, die heute seinen und Kierkegaards Namen trägt, aufzubauen, wäre schon Grund genug dafür, dass es einen Howard Hong Artikel geben müsste. Doch es gibt noch viel mehr. Hong hat zusammen mit seiner Ehefrau den ganzen Kierkegaard ins Englische übersetzt, sieben Bände der Journals and Papers (Indiana University Press) und 26 Bände von Kierkegaards Werk (Princeton University Press). Für den ersten Band bekamen Edna und Howard Hong den National Book Award. Viele Ehrungen wie der Dannebrog Orden und ein Ehrendoktorat in Theologie der Universität von Kopenhagen für Howard Hong sollten folgen. Was wird jetzt aus einem kleinen College wie St Olaf, wenn Trump seinen Vernichtungsfeldzug gegen die Wissenschaft fortsetzt?

Der Yogi hat auch eine eigene interessante Website, was mich jetzt ein bisschen wundert, denn nach Googles KI-Modus ist er am 13. November 2023 im Alter von 66 Jahren verstorben. Er weiß das nur noch nicht, fand das aber sehr witzig, als ich ihm das gestern erzählte. Immerhin kriegte Googles KI meine Biographie so halbwegs hin, auf jeden Fall bin ich da noch nicht tot. Aber mein Blog SILVAE erscheint beim KI-Modus überhaupt nicht als Treffer, geht man in die Option Alles, ist er gleich ganz oben auf dem ersten Platz. Soviel zu dem Thema leistungsstärkste KI-Suchfunktion von Google. 

Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Wolfram Weimer hat gesagt, dass Google in gewisser Weise das Internet neu erfunden habe. Die Google KI liefere Antworten auf Basis großer Datenmengen, die Google durch einen Raubzug über die komplette Informationslandschaft dieses Erdballs gewonnen habe. Na ja, so ganz großartig kann der Raubzug nicht gewesen sein, die Antworten des KI-Modus sind häufig erschütternd kläglich. Weil die leistungsstärkste KI-Suchfunktion von Google die Frage von Frank Sinatra Is it the good turtle soup or merely the mock? nicht richtig beantworten kann und meistens zielsicher beim mock landet.

Und was die hervorgehobenen Datenmengen betrifft, gilt immer noch der Satz: Quantität ist nicht Qualität. Oder um Goethe zu zitieren: Getretner Quark wird breit, nicht stark. Vor allem mit den Quellen, die für eine wissenschaftliche Forschung elementar sind, geht Google ziemlich lax um. Häufig sind das keine Fakten, sondern lediglich Sätze aus dem Werbeprospekt einer Firma oder schlicht KI-generierte Texte. Ich werde das Gefühl nicht los, dass Googles KI-Modus das Äquivalent zu der Doktorarbeit von Herrn von und zu Guttenberg ist. Und es gibt natürlich keine bekannte Verbindung zwischen Niels Bohr und einem Motorrad, das wissen die Leser von Silvae inzwischen. 

Ich gebe noch ein Beispiel. Fragt man nach Heinrich van Laack bekommt man die Antwort: Heinrich van Laack ist der Gründer des deutschen Modeunternehmens Van Laack, das für hochwertige Hemden und Blusen bekannt ist. Unternehmensgründung und Vision Jahr und Ort: 1881 gründete Heinrich van Laack zusammen mit zwei Partnern das Unternehmen in Berlin.Vision: Sein Ziel war es, das luxuriöseste Hemd der Welt zu produzieren. Qualitätsanspruch: Von Anfang an setzte das Unternehmen auf exklusive italienische Stoffe, meisterliche Handwerkskunst und die Liebe zum Detail. Kaum ein Satz davon ist richtig, das ist alles Werbelyrik aus der Feder des jetztigen Besitzers der Firma. Die wirkliche Geschichte der Firma findet sich natürlich in dem Post van Laack: königlich?

Was im Oktober neben der leistungsstärkste KI-Suchfunktion von Google auch neu war, ist die Tatsache, dass die Leser dieses Blogs plötzlich verschwunden sind, so etwas habe ich schon vor Jahren on dem Post verschwindende Leser gesagt. Oder in Posts, die Hinterhältiges Pack oder ich kann da nix für heißen. Im August und September hatte ich in jedem Monat mehr als 40.000 Leser, im Oktober werden es wahrscheinlich nur noch die Hälfte sein. Aber was soll das Klagen, schon Henry David Thoreau wusste: Men have become the tools of their tools. Ich schreibe weiter. Langsamer, weil ich gerade Husten, Schnupfen, Heiserkeit habe. Aber irgendwann schreibe ich den angefangenen Post Robert Redfords Rolex zu Ende.

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