Dienstag, 26. August 2025

van Laack: königlich?


Im Jahre 1881 gründen die Herren Heinrich van Laack, Wilhelm Schmitz und Gustav Eltschig in Berlin eine Wäschefirma. Die Firma van Laack existiert heute noch. Auf der Homepage der Firma können wir lesen: Als Heinrich van Laack sein Unternehmen 1881 in Berlin gründete, hatte er ein klares Ziel vor Augen: er wollte das beste Hemd der Welt fertigen. Seine Vision hat bis heute Bestand. Und auf dieser Seite sagt Christian von Daniels, der jetzige Besitzer der Firma, in einem kleinen Video, dass Heinrich van Laack auf der Suche nach den besten Stoffen der Welt zu Thomas Mason nach Bergamo reiste. Das ist nun kompletter Quatsch, denn zu Lebzeiten von Heinrich van Laack war die renommierte Weberei von Thomas Mason in Lancashire. Nach Bergamo kam sie erst 1992, als die italienische Firma Albini den Firmenamen Thomas Mason kaufte. Wenn man solch fette Lügen in einem Werbevideo in die Welt setzt, dann scheint einiges mit der Vision der Firma nicht zu stimmen. 

Vor allem, wenn man weiß, dass dieser Heinrich van Laack mit seiner angeblichen Vision vom besten Hemd der Welt zehn Jahre nach der Firmengründung gar nicht mehr in der Wäschefirma ist. Da gehört die Firma, die Kragen, Manschetten, Hemden und Schlafanzüge herstellt, ganz allein Gustav Eltschig. Der hat in Berlin Spuren hinterlassen. Nämlich dieses Prunkgrab aus weißem Marmor auf dem Luisenstädtischen Friedhof. Das Grab wurde von dem Kaiserlichen Baurat Jürgen Kröger entworfen, der Trauerengel stammt von dem Bildhauer Richard Grüttner. Da muss man schon Millionär sein, um sich so etwas leisten zu können. Von seinem ehemaligen Kompagnon Heinrich Bernhard van Laack, der schon 1894 starb, gibt es keine solcher Spuren. Da ist nur der Firmenname geblieben. 

Gustav Eltschig kam aus dem sächsischen Pegau, er hatte mit siebzehn Jahren sein Abitur gemacht und war danach Einjährig Freiwilliger gewesen, die richtige Basis, um im kaiserlichen Deutschland Karriere zu machen. Er besaß neben seiner Wäschefabrik eine Dampfwäscherei, vielleicht hat er den gleichaltrigen Heinrich Bernhard van Laack aus Niedermörmter nur wegen des wohlklingenden Namens mit in die Firma genommen. Denn so ein holländischer Name mit einem van klingt doch schon beinahe wie ein deutscher Adelsname. Damit kann man Hemden verkaufen, deren Kragen berühmt sind. Schon in den ersten Anzeigen wies die Firma im 19. Jahrhundert darauf hin, dass sie auch den van Heusen Kragen produzierte, einen besonders weichen halbsteifen Kragen. Wir müssen bedenken, dass damals Hemd und Kragen noch voneinander getrennt sind.

Eltschig starb 1903 als reicher Privatier, da hatte er seine Firma schon an den englischstämmigen Brasilianer Newton Joseph Bennaton verkauft. Nach dessen Tod leitet seine Witwe Irmgard Bennaton die Firma. Es scheint ihr finanziell an nichts gefehlt zu haben, denn 1925 ließ sie sich von der Architektin Emilie Winkelmann ein großes Landhaus bauen, das heute die Residenz des belgischen Botschafters ist. 1930 geht die Firma, die inzwischen auch Damenwäsche herstellt, an ihren Neffen Alfons Schnoeckel. Der steht noch 1949 als Inhaber von van Laack, Schmitz & Eltschig im Handelsblatt; aber das ist auch das Jahr, in dem er von der Sowjetischen Militärverwaltung enteignet wird. Weil der Firmensitz Greifswalder Straße 5 im Osten der jetzt zweigeteilten Stadt Berlin liegt.

Der neue Besitzer des Firmennamens wird Heinrich Hoffmann aus Mönchengladbach, das man einmal das rheinische Manchester genannt hat. Hoffmann kommt aus der Textilbranche, er war der Syndikus der Textilfirma Hermann Meyer, die 1938 arisiert wurde. Hoffmann produziert jetzt Hemden mit dem Namen van Laack, die Herren Schmitz & Eltschig tauchen nicht mehr im Firmennamen auf. Ich nehme an, dass aus der Familie Hoffmann auch die Hemden Création Otto Hoffmann kommen, die von guter Qualität und den van Laack Hemden gleichwertig waren. 1970 übernimmt Hoffmanns Sohn Rolf Hoffmann die Firma van Laack, die inzwischen so floriert, dass er sich eine große Kunstsammlung zulegen kann. Bevor Hoffmann die Firma 1986 verkauft, lässt er sich 1981 zum 100-jährigen Firmenjubiläum von dem Kunsthistoriker Manfred Schneckenburger eine kleine Kulturgeschichte schreiben.

Der nächste Besitzer der Firma van Laack, die inzwischen so weit oben ist, dass sie ihre Hemden und Blusen mit Wim Wenders und Ute Lemper bewerben kann, kommt aus der Familie Quandt. Und der möchte mit Hilfe seines Geschäftsführers Rolf Schuemann aus van Laack einen Weltkonzern machen. Flagship Stores in New York, an der Rue de Fauborg St. Honoré in Paris, der Old Bond Street in London und solche Dinge. Man entwickelte einen Zehnjahresplan, um ganz oben in der Welt dabei zu sein. Und dazu gehörte natürlich nicht nur ein Ziel von 35 Luxusboutiquen weltweit, dazu gehörte eine Vollkollektion. Also kaufte man die traditionsreiche Firma Regent in Weißenburg. Und seitdem haben die Jacketts und Anzüge von Regent den berühmten Dreilochknopf der Firma van Laack.

Man kann hier natürlich mit Brecht sagen Ja, mach nur einen Plan Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch 'nen zweiten Plan Geh' n tun sie beide nicht. Der gesunde Menschenverstand hätte Stefan Quandt sagen können, dass das nichts wird, aber mit dem gesunden Menschenverstand ist das so eine Sache, wenn die Marke ganz oben direkt unter der Luxusschiene positioniert werden soll. Dazu gehörte, dass Regent seine Preise verdoppelte, weil man ja jetzt das deutsche Äquivalent zu Brioni oder Kiton sein wollte. Was erstmal dazu führte, dass die meisten gutbürgerlichen Herrenausstatter in Deutschland Regent aus dem Sortiment schmissen. Irgendwann, als die Firmen nur noch rote Zahlen schrieben, verlor Stefan Quandt das Interesse an seinem Spielzeug. Feuerte Schuemann, und van Laack und Regent standen zum Verkauf.

Christian von Daniels, der keinen Wikipedia Artikel, aber eine YouTube Seite hat, kaufte 2002 die Firma van Laack. Zwanzig Jahre später erwarb er einen seiner Hauptkunden, die insolvente SØR Rusche GmbH von Thomas Rusche und machte da seine Tochter Celina von Daniels zur Geschäftsführerin. Wie es mit den SØR Filialen weitergeht, steht noch in den Sternen. Aber Online existiert SØR auf jeden Fall noch, man kann da auch van Laack Hemden kaufen.

Die Corona Krise, die die Textilwelt schwer traf, wurde für van Laack eine goldene Zeit. Im Geschäftsjahr 2020 verkaufte van Laack mehr als 100 Millionen Alltagsmasken (der Werbeträger Johannes B. Kerner trägt hier eine) und zwölf Millionen Kittel. Damit verdoppelte die Firma ihren Umsatz. Aber dieser Gewinn bringt auch viel Schmutz mit sich, der an der Firma van Laack kleben bleibt. Dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen Armin Laschet, dessen Sohn als Influencer für van Laack Reklame macht, wird vorgeworfen, die Aufträge an van Laack ohne Ausschreibung vergeben zu haben. 

Und die in Tunesien schnell genähten Kittel sind offenbar Schrott. Die Uniklinik Köln sortiert im Dezember 48.000 Corona Schutzkittel aus, in der Uniklinik Essen werden 40.000 Kittel ausgemustert. Die Firma van Laack hat auf ihrer Homepage inzwischen eine eigene Seite, die Medical heißt, wo wir lesen können: Seit Beginn der Pandemie hat van Laack seine Expertise im Bereich Medical unter Beweis gestellt und ganz Deutschland mit Masken ausgestattet. Die Expertise aus den Erfahrungen der vergangen Jahre ist nun in die Entwicklung einer Medical-Fashion Kollektion geflossen. Von mangelnder Qualität oder rechtswidrig erschlichenen Aufträgen ist da nicht die Rede. In England hat Emma Willis, die auch Oberhemden für den König näht (und schon in dem Post englische Oberhemden erwähnt wird) auch Kittel nähen lassen. Ohne Skandale, und ohne etwas daran zu verdienen.

Hemden stellt van Laack in Tunesien und Saigon natürlich auch noch her. Im Laufe der Firmengeschichte haben sie irgendwann das Epitheton ornans das königliche Hemd bekommen. Kriegten das Wort Royal unter dem Kragen eingestickt und bekamen eine kleine Krone auf die Brusttasche, die später auf die Manschette des rechten Arms wanderte. Ich weiß nicht, ob es die besten deutschen Hemden sind, die besten der Welt auf keinen Fall. Die Hemden, die den Namen Werner Baldessarini trugen, als er noch bei Hugo Boss war, die waren besser. Was heute Baldessarini heißt, ist nicht erwähnenswert. Windsor hatte mal gute Hemden, aber die Zeiten sind auch lange vorbei. Die einzige wirklich gute erwähnenswerte Firma ist  Emanuel Berg, die ihren Firmensitz in Rösrath hat und die Hemden in Danzig schneidern lässt. Viele deutsche Herrenausstatter beziehen die Maßhemden für ihre Kunden von dieser Adresse.

Mein erstes van Laack Hemd kam von Stiesing aus der Sögestraße, das ist über sechzig Jahre her. Mein zweites kam von dem Herrenausstatter von Alten in der Knochenhauerstraße, der immer preiswerte van Laack Hemden im Schlussverkauf hatte. Bremen war in der Adenauerzeit, als es nur weiße Hemden gab, keine besonders gute Adresse für Oberhemden, das steht schon etwas detaillierter in dem Post Made in Italy. Seit den Sixties begleiten mich die Hemden aus Mönchengladbach, aber Werbung für die Firma würde ich nicht unbedingt machen. Ich habe mir aber gerade im SSV bei kleinanzeigen eins gekauft, ein Modell, das Meisterwerk heißt, eine Komposition aus erlesenen Stoffen und einer modernen Schnittführung, vollendet durch meisterliche Handwerkskunst, definiert das luxuriöse Hemd neu. So etwas hatte ich noch nicht. Es hat eine Passe, das finde ich mit den Diagonalstreifen ja ganz charmant. Aber die Streifen der Schulter sind nicht an die Streifen des Ärmels angepasst, das ist wirklich ärmlich. Das Hemd hat sehr gute Knopflöcher, aber das ist auch das einzig Gute an dem Hemd.

Ich habe dreißig Euro dafür bezahlt. Das, was es im Laden kostet, ist das Hemd nicht wert. Einher mit diesem Kauf ging ein anderer Kauf bei kleinanzeigen, bei dem ich für zwanzig Euro ein nagelneues Bruli Hemd erstand. Die Firma nimmt für ihre Hemden inzwischen 450 Euro, die Ign. Joseph Hemden, die sie auch herstellen, kosten die Hälfte. Als die beiden kleinanzeigen Käufe nach dem Waschen auf der Leine nebeneinander hingen, konnte man die Unterschiede der Qualität sehr schön sehen. Da hing Champions League neben Amateurliga. Noch einmal Christian von Daniels: Als Heinrich van Laack sein Unternehmen 1881 in Berlin gründete, hatte er ein klares Ziel vor Augen: er wollte das beste Hemd der Welt fertigen. Seine Vision hat bis heute Bestand. Es bleibt aber nur eine Vision. Etwas, was weit weg ist.


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