Heute hat der Staat Vermont einen Feiertag, wie in jedem Jahr am 16. August. Man wird dabei an Molly Stark denken, für die es seit zwanzig Jahren in Wilmington dies Denkmal gibt. Eine Farmersfrau in der Mitte des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Sie hält ein Kind im Arm und eine Muskete in der Hand. Mit der konnte sie umgehen, sie hat als junge Frau mal einen Bären geschossen. Man kann die Waffe auch gegen marodierende Indianer gebrauchen, gerade ist Jane McCrea umgebracht worden. Deren Tod hat etwas mit dem Feldzug von General John Burgoyne zu tun. Und damit hat Molly Stark auch etwas zu tun.
Weil ihr Ehemann, der Brigadegeneral John Stark, nämlich am 16. August 1777 die Battle of Bennington gewinnt. Und weil er vor der Schlacht ausgerufen hatte: There are your enemies, the Red Coats and the Tories. They are ours, or this night Molly Stark sleeps a widow! Molly Stark wird keine Witwe werden, sie wird noch siebenunddreißig Jahre leben. Und die Kanone, die ihr Mann den Engländern abgenommen hat, heißt heute Molly Stark Cannon und wird an jedem ✺Bennington Battle Day noch einmal abgefeuert.
John Stark hatte schon eine lange militärische Karriere hinter sich. Im French and Indian War war er wie George Washington Captain bei den Engländern gewesen, aber im Unabhängigkeitskrieg war er sofort bei der Continental Army. Er war bei den Schlachten von Bunker Hill, Trenton und Princeton dabei, aber aus unerklärlichen Gründen versäumte es der Kongress, den Colonel Stark zum General zu ernennen. Stark nahm seinen Abschied von der Kontinentalarmee, wurde aber umgehend in New Hampshire zum Brigadegeneral ernannt und gebeten, eine Armee aufzustellen.
To Brigd Genl Jn° Stark,—You are hereby required to repair to Charlestown, N° 4, so as to be there by 24th—Thursday next, to meet and confer with persons appointed by the convention of the State of Vermont relative to the route of the Troops under your Command, their being supplied with Provisions, and future operations—and when the Troops are collected at N°- 4, you are to take the Command of them and march into the State of Vermont, and there act in conjunction with the Troops of that State, or any other of the States, or of the United States, or separately, as it shall appear Expedient to you for the protection of the People or the annoyance of the Enemy, and from time to time as occasion shall require, send Intelligence to the Genl Assembly or Committee of Safety, of your operations, and the manoeuvers of the Enemy.
Ich finde die Formulierung for the annoyance of the Enemy sehr witzig. Den Feind ärgern wird Stark wirklich; und nicht nur das, was in Bennington begann, wird vier Wochen später in Saratoga enden. Der Feldzugsplan, den John Burgoyne persönlich der englischen Regierung und dem König verkauft hatte, sah auf der Landkarte so schön aus. Von Kanada aus auf den großen Seen nach Süden, dann den Hudson hinunter nach Albany. Und schon hat man die aufständischen Kolonien zweigeteilt, wie mit dem Buttermesser. Aber was so gut anfing, steckt jetzt in den amerikanischen Wäldern fest. Man braucht Verpflegung und Nachschub. Und neue Pferde, die braunschweigischen Dragoner haben keine Pferde mehr. Sie sollten in Kanada ihre Pferde bekommen, aber da waren keine. Also beschliesst man, in der landwirtschaftlich reichen Gegend von Vermont, wo auch genügend Pferde herumlaufen, Nachschub zu fouragieren. Auf deutsch: zu plündern.
Damit beauftragt Gentleman Johnny Burgoyne den General Friedrich Adolf Riedesel. Der ist von seinem Landesherrn, dem Herzog Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel, an die Engländer ausgeliehen worden und musste (begleitet von seiner Ehefrau) in den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg ziehen. Der gute Herzog Ferdinand, wie Wilhelm Raabe ihn nennt, war hier schon in den Posts Münchhausen und Minden im Blog. Riedesel gibt dem Oberstleutnant →Friedrich Baum, der kein Wort Englisch versteht, ein Drittel seiner Brigade für die Aktion in Vermont. Er wird sie nicht wiedersehen. Den Oberstleutnant Baum auch nicht. Der Oberstleutnant Heinrich von Breymann kommt zwar verwundet mit der Hälfte seiner Soldaten aus Bennington zurück, stirbt aber sechs Wochen später in der zweiten Schlacht von Saratoga. Erschossen von seinen eigenen Leuten, als er sie mit dem Säbel in der Hand an der Flucht vom Schlachtfeld hindern wollte.
Dieses Bild eines anonymen Malers zeigt das Ende der Schlacht von Bennington, links werden Gefangene abgeführt, rechts rücken neue amerikanische Truppen nach. Der Mann auf dem Pferd in der blauen Uniform wird wohl General John Stark sein, aber man weiß es nicht ganz genau. Die roten Uniformen der Engländer kann man auf diesem Bild nicht sehen, es sind nur wenige Engländer an diesem Tag auf dem Schlachtfeld. Links können wir zwei braunschweigische Dragoner und einen Grenadier sehen (das ist der mit der Mütze, die wie die Mitra eines Bischofs aussieht). Die Männer hinter den Gefangenen sind amerikanische Soldaten, sie tragen keine Uniform. John Stark hatte innerhalb einer Woche anderthalb tausend Mann mobilisiert, die zumeist aus der Landwirtschaft kamen. Sie hatten keine Uniformen und keine militärische Ausbildung, aber sie kannten die Gegend, konnten reiten und mit einem Gewehr umgehen. Die Soldaten rechts haben blaue Uniformen, das werden Soldaten der Milizen von New Hampshire, Massachusetts und Vermont sein, die haben Uniformen. General Stark hat nicht nur 1.500 Mann, er kann auch noch auf die Green Mountain Boys von Oberstleutnant Seth Warner bauen, die die Schlacht von Bennington endgültig entscheiden werden. Warners Statue steht heute vor dem dreiundneunzig Meter hohen Bennington Monument.
Für den General John Stark, der im Oktober mit dem Rang eines Brigadegenerals wieder in die Continental Army zurückkehrt, die er im Juli verlassen hatte, gibt es auch genügend Statuen. Nach seinem Sieg bei Bennington wurde er der Kommandeur des Northern Department und schlug seine letzte Schlacht 1780 in Springfield. Da kämpfte er gegen den Baron Wilhelm von Knyphausen, der hier schon in dem Post Knyphausen erwähnt wird. Zwei Monate später wird er Richter des Kriegsgerichts sein, das John André zum Tode verurteilen wird. Sechs Jahre nach der Schlacht von Bennington bittet ihn George Washington zu sich, dankt ihm für seine Dienste und befördert ihn zum Generalmajor. Da ist der Krieg zu Ende, Stark geht auf seine Farm zurück, er sucht kein neues Amt. Man hat ihn den amerikanischen Cincinnatus genannt. Weihnachten 1809 schreibt der frisch gewählte Präsident James Madison, für den John Stark eingetreten war, ihm einen Brief:
SIR—A very particular friend of yours, who has been much recommended to my esteem, has lately mentioned you to me in a manner, of which I avail myself to offer this expression of the sense I have always entertained of your character, and of the part you bore as a hero and a patriot, establishing the independence of our country. I cannot better render this tribute, than by congratulating you on the happiness you cannot fail to derive from the motives which made you a champion of so glorious a cause; from the gratitude shown by your fellow-citizens for your distinguished services; and especially from the opportunity which a protracted life has given you, of witnessing the triumph of republican institutions so dear to you, in the unrivalled prosperity flowing from them, during a trial of more than a fourth of a century. May your life still be continued as long as it can be a blessing; and may the example it will bequeath, never be lost on those who live after you.
Als es ein Vierteljahrhundert nach der Schlacht von Bennington eine Feier gab, reiste der 82-jährige General aus gesundheitlichen Gründen nicht an. Er ließ aber eine Botschaft überbringen: Live free or die: Death is not the worst of evils. Der Satz ist heute das Motto des Staates New Hampdhire. Am Ende seines Briefes schrieb er: I shall remember, gentlemen, the respect you and the inhabitants of Bennington and its neighborhood have shown me, until I go to the 'country from whence no traveller returns'. I must soon receive marching orders. Aber diese marching orders bekommt er noch lange nicht. Der letzte General der Continental Army stirbt erst 1822 im Alter von dreiundneunzig Jahren,.
Molly (die eigentlich Elizabeth hieß) und John Stark waren länger als ein halbes Jahrhundert verheiratet. Sie hat ihm zehn Kinder geschenkt, der älteste war mit seinem Vater bei den Schlachten von Bunker Hill, Trenton und Princeton dabei. Er wird noch Major in der Continental Army werden. Wenn ihr Mann im Krieg ist, leitet sie die Farm, aber sie besucht ihn häufig, weil der Krieg ja praktisch vor der Haustür war. Sie brachte auch Vorräte an die Front. Angeblich soll sie bei der Schlacht von Bunker Hill Musketen geladen haben. Sie wird ihre Familie und alle auf der Farm gegen Pocken impfen lassen. Sie folgte darin ihrem Vorbild George Washington, der 1777 eine →Impfung der ganzen Armee durchsetzte, we should have more to dread from the smallpox, than from the sword of the enemy. Im heutigen Amerika würde das nicht gelingen, da ist der Impfgegner Robert F. Kennedy Jr Gesundheitsminister. Das Amerika unter Donald Trump sieht heute ganz anders aus als das Amerika, das Molly und John Stark mit geprägt haben. Aber man erinnert sich immer noch an Molly, es gibt nicht nur das Denkmal, es gibt auch den Molly Stark State Park, einen Molly Stark Lake, Krankenhäuser und viele Schulen, die ihren Namen tragen. An den Namen Donald Trump wird man sich in zweihundertfünfzig Jahren wahrscheinlich nicht mehr erinnern.
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