Samstag, 14. Dezember 2024

der erste Präsident Amerikas


Heute vor 225 Jahren starb George Washington. Er wuchs als Engländer auf, er kämpfte als Colonel für die Engländer im French and Indian War. Doch dann lehnte er sich gegen seinen König auf. Seine Mutter hatte ständig Angst, dass die Engländer ihren Sohn aufhängen würden. Dazu ist es nicht gekommen, der General Washington wird als Oberbefehlshaber der Kontinentalarmee die Engländer besiegen. Dem Gründervater der USA hat der Kongress posthum 1976 für die Vergangenheit und die Gegenwart den höchsten Dienstgrad eines General of the Armies of the United States verliehen. Washington war ein gebildeter Mann. Selbst wenn sich John Adams über ihn mokierte That Washington is not a scholar is certain. That he is too illiterate, unlearned, unread for his station is equally beyond dispute, muss man sagen, dass Washington durchaus gut Latein konnte. Sein Französisch war lausig, aber er kam mit dem  Comte de Rochambeau gut zurecht, und gemeinsam besiegten sie Cornwallis in Yorktown. Washington sammelte Kunst, keine Bilder von Schlachten, sondern Landschaftsgemälde. Und er hatte eine Bibliothek, die beinahe tausend Bücher enthielt. Das ist im 18. Jahrhundert sehr, sehr viel, Immanuel Kant besaß nicht so viele Bücher. Washington lebte auf seinem Landsitz Mount Vernon wie ein englischer Landedelmann. Er ließ sich seine Anzüge in London machen. Aber nach der Revolution nicht mehr.

Wenn Washington zu seiner Amtseinführung als Präsident reist, trägt er keine englischen Klamotten mehr. Auch nicht seine blaue Generalsuniform. Er ist sich der Symbolik des Anlasses bewusst, er wird einen braunen Anzug aus heimischem broadcloth mit silbernen Knöpfen (die ein Adler ziert) tragen. Natürlich mit Seidenstrümpfen und schwarzen Schuhen mit silberner Schnalle. Der Anzug stammte von der Firma Tinsdale, die hatte ihm Henry Knox empfohlen, der Buchhändler aus Boston, der General im Unabhängigkeitskrieg gewesen war. Der, der die englischen Kanonen von Ticonderoga nach Boston geschleppt hatte. General Knox this day to procure me homespun broadcloth of the Hartford fabric, to make a suit of clothes for myself. I hope it will not be a great while before it will be unfashionable for a gentleman to appear in any other dress. Indeed, we have already been too long subject to British prejudices, notiert Washington im Tagebuch.

Als kleiner Junge soll er mit einer kleinen Axt den Kirschbaum im Garten beschädigt haben. Das erzählt uns Parson Weems in seiner History of the Life and Death, Virtues and Exploits of General George Washington. Der kleine George hat sich zu seiner Untat bekannt und ausgerufen: I cannot tell a lie, father, you know I cannot tell a lie! Die Geschichte (hier sehen wir sie auf einem Bild von Grant Wood) haben über hundert Jahre junge Amerikaner in ihren Schulbüchern gelesen. Weems hat sie erfunden, nichts von dem Kirschbaum Mythos ist wahr. Washington war ein Mann der Tugenden, darin sind sich die Historiker und seine Biographen ziemlich einig. Als kleiner Junge hat er sich 110 Tugendregeln aufgeschrieben, an die er sich halten wollte. Was ihm wohl gelungen ist, it may truly be said that never did nature and fortune combine more perfectly to make a man great, hat Jefferson geschrieben. 

I cannot tell a lie, der erste amerikanische Präsident wird nicht lügen. Das bringt mich nun, obgleich ich das eigentlich vermeiden wollte, zu dem neugewählten Präsidenten Donald Trump, der ein Lügner durch und durch ist. Ich hätte das nicht erwähnt, denn es ist eigentlich zu billig, einen professionellen Lügner wie Donald Trump mit dem ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten zu vergleichen. Es sei denn, man schreibt auf dem Niveau von Tom Nichols in The Atlantic. Aber dann las ich den Satz von Sylvester Stallone, der Trump für den zweiten George Washington hält. Sie kennen den Mann, der seine schauspielerische Karriere in dem Softporno Kitty & Studs: Der italienische Deckhengst begann. Und der hat gerade in Anwesenheit von Trump gesagt: Als George Washington sein Land verteidigte, hatte er keine Ahnung, dass er die Welt verändern würde. Denn ohne ihn könnte man sich vorstellen, wie die Welt aussehen würde. Und wisst ihr was? Wir haben den zweiten George Washington. 

Was soll man dazu sagen? Wir werden in den nächsten Jahren sicher noch ähnliche Dinge hören. Wir lassen den zweiten George Washington jetzt einmal weg und kommen zurück auf den echten George Washington, über den sein Freund Freund General Henry Lee (der Vater von Robert E. Lee) in der Abschiedsrede sagte: First in war, first in peace, and first in the hearts of his countrymen, he was second to none in the humble and endearing scenes of private life. Pious, just, humane, temperate, and sincere; uniform, dignified, and commanding, his example was as edifying to all around him as were the effects of that example lasting. Biographien zu Washington gibt es genug, ich habe ein halbes Dutzend gelesen und die wichtigsten in dem Post Biographien besprochen. Bevor Marcus Cunliffe Englands bedeutendster Amerikanist wurde, war er Offizier in einem englischen Panzerbataillon, das meine Heimatstadt Bremen befreite. 1958 veröffentlichte er mit Washington: Man and Monument (hier im Volltext) die beste kurze Washington Biographie.

Und dann ist da noch Esmond Wright, ein weiterer Pionier der American Studies in England. Wie Cunliffe Offizier im Zweiten Weltkrieg, und wie Cunliffe zeitlebens vom Militär fasziniert. Es ist schon ein wenig ironisch, dass zwei Ex-Offiziere der britischen Armee jetzt in den fünfziger Jahren die besten Bücher über den Mann schreiben, der einst diese Armee besiegte. Esmond Wrights Washington and the American Revolution, zeitgleich mit Cunliffes Buch erschienen (und mit lobenden Worten von Cunliffe auf dem Cover), bleibt das beste Buch über Washingtons Rolle im Unabhängigkeitskrieg. 

Das am häufigsten zitierte Buch ist heutzutage Joseph J. Ellis' His Excellency: George Washington, das es beim C.H. Beck Verlag auch in deutscher Übersetzung gibt. So gut die Bücher des Pulitzer Preisträgers Ellis sind, es bleibt ein Makel an ihm. Und hier kommt das Wort Lügen wieder ins Spiel. Professor Ellis hatte seinen Kollegen und den Studenten in seinen Vorlesungen jahrelang erzählt, er sei Offizier im Vietnamkrieg gewesen. Er war nie in Vietnam. Er musste die Universität für ein Jahr verlassen (durfte aber die Bibliothek benutzen). In dem Jahr Strafbeurlaubung, als ganz Amerika über ihn lachte, hat er die Biographie geschrieben. Die kleine Geschichte von I cannot tell a lie hat er dabei im Kopf gehabt: the notion that Washington could not tell a lie is itself an adolescent fable. But thinking about what right and wrong means, how you deal with your imperfections and how you learn from your mistakes is something Washington does speak to. Es ist ein gutes Buch, ohne Frage, aber die Entstehungsgeschichte ist doch ein wenig absonderlich. Ich möchte Ihnen zum Schluss auch noch die erste deutsche Biographie von Walther Reinhardt aus dem Jahre 1931 empfehlen. Die bekommt man bei ebay in der Orginalausgabe für 7,70 €. Für das Geld bekommen Sie bei ebay allerdings auch schon zwei goldene Donald Trump Gedenkmedaillen, aber ich glaube das Buch von Walther Reinhardt bringt Ihnen mehr.



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