Nach dreiundfünfzig Jahren schließt Uli Knecht sein Stuttgarter Stammhaus. Das ist das Ende vom schleichenden Untergang seines kleinen Modeimperiums, das er mit neunzehn Jahren begründete. Im letzten Jahr hatte er seinen Laden auf der Düsseldorfer Königsstraße aufgegeben, den er vierzig Jahre gehabt hatte. Da sollte ein Luxus Tempel namens Calatrava Boulevard entstehen, aber das Projekt scheint schon wieder beerdigt zu sein. Vor drei Jahren schlossen Knechts Geschäfte in Berlin und in Frankfurt. Mal sehen, wie lange ich noch mache, sagte er damals gegenüber der Textilwirtschaft. 2017 hatte er schon seinen Laden in Hamburg in den Großen Bleichen schließen müssen, die Miete war zu hoch geworden. Wir haben 450 Quadratmeter, und pro Quadratmeter zahlen wir mehr als 100 Euro, sagte er der Bild Zeitung. Es geht ihm jetzt wie Thomas Rusche, der 2020 seine Soer Filialen an die Bonavest GmbH übergab, die aber in diesem Sommer auch schon Insolvenz anmelden musste. Hinter dem Namen Bonavest steht Christian von Daniels, dem die Firma van Laack gehört. Rusche verlor nicht nur seine Ladenkette, er verlor auch seine große Kunstsammlung, aber seinen Glauben an Gott hat er nicht verloren, wie man diesem ✺Video entnehmen kann.
Kunstsammler war Uli Knecht auch gewesen, er kaufte moderne Kunst, wie diesen Baselitz hier und solche Sachen. Eine Lavender Marilyn von Andy Warhol besaß er auch. Thomas Rusche kaprizierte sich auf die alten Niederländer, er besaß auch die größte private Sammlung von Bildern von Wolfgang Heimbach. Uli Knecht war gelernter Photograph, in den siebziger Jahren hatte er, was die Mode betrifft, die Zeichen der Zeit erkannt. Gleichzeitig mit Leuten wie Dietmar Kirsch, Thomas Friese (Thomas-I-Punkt), Dolf Selbach, Heinrich Zapke oder Hans Carl Kapelle (Kelly's) hatte er eine Marktlücke entdeckt. Es geht um Kleidung, die raffiniert einfach ist, sportiv und bequem, aus den besten Materialien und ausgezeichnet durch den unnachahmlichen Stil ihrer Schöpfer, war seine Devise. Bei Uli Knecht gab es Hemden von Guy Rover und Orian. Und Pferdelederschuhe von Alden. Und ansonsten gab es Kiton und Caruso. Und Lederjacken. Aus dem Laden ist ein kleines Imperium geworden, und wenn es mit den großen Marken mit der Zeit ein wenig nach unten gegangen war, die Lederjacken von Uli Knecht hatten einen sprichwörtlich guten Ruf.
Aber Knechts kleines Reich hört am Ende des Jahres auf zu bestehen. Tatsache ist, dass immer weniger Leute in die Stadt zum Einkaufen kommen und Tatsache ist, dass die Leute immer mehr sparen müssen. Im Grunde spricht alles gegen den stationären Handel, hat Knecht gesagt. Auf seiner Homepage gibt es einen Text, der jetzt schon reine Nostalgie ist: Uli Knecht trifft in den 70er Jahren mit diesem Credo stilsicher den Puls der Zeit. Erst 19 Jahre jung aber als ausgebildeter Fotograf bereits mit dem geschulten Blick für das Detail und dem Gespür für das große Ganze, schließt er mit seinem Angebot an 'Casual Chic' souverän eine Marktlücke. Wohlklingende Namen wie Armani oder Brioni sind zu dieser Zeit nur Kennern ein Begriff, doch was international als 'Sportswear' bekannt ist, stößt auch hierzulande rasch auf Begeisterung. Mittlerweile finden sich Stores in allen angesagten deutschen Großstädten von Stuttgart bis Berlin. Das Sortiment fasziniert neben großen Traditionsmarken auch durch jüngere Luxus-Labels sowie die Eigenmarke. Denn was Uli Knecht ganz zu Beginn in Worte fasst, beschreibt auch heute treffend eine Philosophie, die Sie in jedem einzelnen Stück wieder finden werden. Der Photograph Uli Knecht scheint in wenig kamerascheu zu sein, denn im Netz findet sich auf der Seite von Burkhard Maus nur ein einziges Photo.
Als ich vor neun Jahren den Post Herrenausstatter schrieb, war das schon ein Abgesang auf viele Geschäfte. Inzwischen mussten noch mehr Läden schliessen, eines Tages wird es nur noch Online Shops geben. Die großen sartorialen Platzhirsche wie Braun in Hamburg und Werner Scherer in München (der mittlerweile die Reste von R. Böll vertickt) werden sicher bleiben. Aber Uli Knecht hat Recht, bei der Verelendung der deutschen Innenstädte spricht im Grunde alles gegen den stationären Handel. Die Multilabel Filialisten aus dem Premium Genre, wie die Textilwirtschaft sie nennt, haben keine Chance mehr. Mey und Edlich (die mal in Paris und London vertreten waren) hatten das als erste erfahren. Die hatten mal einen netten Laden in der Sögestraße in Bremen. Da ist nur noch Stiesing übrig geblieben, aber die haben ihr Angebot weit heruntergefahren, dem Masculin Modekreis gehören sie auch nicht mehr an. Vielleicht ist es mal wieder an der Zeit Si bene calculum ponas, ubique naufragium est zu zitieren. Nicht nur wegen des Modegeschäfts, auch wegen der Politik.
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