Am Morgen ein Joint und der Tag ist dein Freund. Heute vor fünfundfünfzig Jahren kam
Easy Rider in die deutschen Kinos, in Cannes war der Film schon im Mai 1969 zu sehen gewesen.
Ein Mann suchte Amerika, doch er konnte es nirgends mehr finden, stand auf dem Filmplakat. Ging es darum?
Easy Rider ist ein Road Movie, eins der vielen dieses neuen Filmgenres des
New Hollywood Kinos. Massenhaft Landschaft,
we've lulled our audiences with beautiful scenery, hat Peter Fonda gesagt. Und massenhaft ✺
Musik. Von Steppenwolfs
Born to be Wild bis zu Bob Dylans I
t's Alright, Ma (I'm Only Bleeding). Manchmal denke ich, dass der Soundtrack das Beste am Film war. Wäre der Film nicht von Columbia aggressiv vermarktet worden, sondern wie geplant als Roger Corman Produktion erschienen, er hätte nie diesen Erfolg gehabt. Wenn Sie ein wirklich gutes
road movie sehen wollen, dann schauen Sie sich Monte Hellmans
✺Two-Lane Blacktop an.
Quentin Tarantino hat über diesen Film gesagt: Wenn es jemals ein Filmregisseur verdient hätte, wiederentdeckt zu werden, dann wäre das Monte Hellman. Sein Film Two-Lane Blacktop, vom eigenen Studio boykottiert, ist an den Kinokassen ein Flop gewesen. Begeisterte aber die →Filmkritiker. Und entwickelte sich so ganz still vom Geheimtip zum Kultfilm. Der New Yorker Buchhändler, der mir vor Jahrzehnten das Drehbuch verkaufte, hatte extra fett scarce auf einen gelben Aufkleber geschrieben. Und natürlich den Preis hochgesetzt. Wahrscheinlich ist es heute wirklich etwas wert (das →Filmscript habe ich hier). Easy Rider ist ja, wie gesagt, eigentlich nur wegen des Soundtrack gut - und weil es der Karrierestart für Fonda, Nicholson und Hopper war. Aber es ist kein wirklich guter Film.
Two-Lane Blacktop (der hier schon einen Post hat) ist ein wirklich guter Film. Das Label existentialistisch hatte er bei der französischen Filmkritik von Anfang an bekommen, und das auch wohl zu Recht. Ein Road Movie, das das gerade erfundene Genre transzendiert. Ein Autorennen quer durch Amerika auf den alten Landstraßen, die einmal die echte Route 66 waren. Bis auf Warren Oates (und in einer Nebenrolle Harry Dean Stanton) keine professionellen Schauspieler. Und das war vielleicht auch gut so. Der Film kommt daher wie das wirkliche Leben, und er ist in den letzten vierzig Jahren erstaunlich jung geblieben. Und vielleicht hat sich das Amerika abseits der großen Highways inzwischen auch kaum verändert.
Vier Jahre nach der Uraufführung von Easy Rider konstatierte ein Filmkritiker: Incidentally, no picture in recent memory has dated so badly as 'Easy Rider', mainly because the characters have no allure beyond 1969, when the movie was released. Dull-witted, drug-pushing hippie motor-cyclists have become as exciting as a midi-skirt. Heroes should have a longer life expectancy. Aber 1969 machte ein jugendliches Publikum (und die Werbeabteilung von Columbia) den Film zu einem Kultfilm. Obgleich Peter Fonda in Interviews ganz klar gemacht hat, dass die beiden Harley Fahrer nicht die Opfer der Gesellschaft werden, sondern Opfer ihres eigenen falschen Freiheitsbegriffes:
My movie is about the lack of freedom, not about freedom. My heroes are not right, they're wrong. The only thing I can end up doing is killing my character. I end up committing suicide; that's what I'm saying that America is doing, hat Peter Fonda in einem Interview mit Rolling Stone gesagt. Pauline Kael konnte sich nur zu dem sibyllinischen Satz the movie's sentimental paranoia obviously rang true to a large, young audience's vision. In the late '60s, it was cool to feel that you couldn't win, that everything was rigged and hopeless. The film was infused with an elegiac sense of American failure durchringen. Lobte aber die Landschaftsaufnahmen und die Musik.
Man muss schon sehr genau hingucken, dann ist sie schon wieder weg. Aber es ist wahr, Peter Fonda hat die ganze Zeit bei den Dreharbeiten von
→Easy Rider seine goldene Rolex getragen. Was der
Captain America am Anfang des Filmes wegwirft, ist nur eine billige Timex. Hätte er wirklichen Stil gehabt, hätte er die Rolex weggeschmissen. Die goldene Rolex ist vor Jahren auf einer Auktion verkauft worden. Sie brachte längst nicht so viel wie die amerikanische Flagge, die auf Fondas Lederjacke genäht war. Das wird die Firma
Rolex schmerzen. Die Firma Harley-Davison wurde durch diesen Film vor dem Ruin gerettet, und für Jack Nicholson gab es die erste Oscar Nominierung. Mit
Hells Angels on Wheels war ihm das zwei Jahre zuvor nicht gelungen. Fünf Jahre nach
Easy Rider gab es für den Mythos des Motorradfahrens mit
→Zen and the Art of Motorcycle Maintenance: An Inquiry into Values noch ein philosophisches Überbauwerk. Das Buch wurde allerdings von Lederjackenträgern kaum gelesen.
Heute kaufen sich leicht angejahrte übergewichtige Deutsche in der
midlife crisis auf dem Hamburger Kiez bei
Easy Rider eine
Lederjacke, schon auf antik gemacht. Neu darf nicht sein. Tim Mälzer hat da mal in dem Laden gearbeitet. Und dann brettern sie mit ihrer Harley durch Amerika und kommen sich ganz toll dabei vor:
Du, ich sag' Dir, das war richtig Easy Rider mäßig. So 'Born to be Wild', und Du weißt schon. Ich kann das nicht mehr hören. Meine Standardantwort ist dann, dass ein
easy rider im Jazz Slang der Roaring Twenties jemand ist, der seine Nutte nicht bezahlt. Ich habe vor Jahrzehnten, als das Genre der Road Movies noch neu war, einmal etwas über die amerikanischen Road Movies geschrieben, die gleichzeitig mit den
Spätwestern in die Kinos kamen. Zehn Jahre später habe ich festgestellt, dass jemand an der Uni Hamburg einen Doktortitel dafür bekommen hat, dass er das Road Movie Kapitel meines Buches beinahe eins zu eins in seine Arbeit transferiert hat. Natürlich mit einigen Umformulierungen. Ich habe mir überlegt, ob ich der Uni Hamburg schreiben sollte, habe es aber dann gelassen. Diese kleinen
Guttenbergs werden nie aussterben.
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