Sie kennen Lee Grant (die als Künstlernamen die Oberkommandierenden des amerikanischen Bürgerkriegs vereint), mindestens in In the Heat of the Night haben sie diese schöne Frau gesehen. Wenn man solch ein Gesicht hat, dann sollte man damit doch in Würde alt werden. Aber da haben amerikanische Frauen, besonders wenn sie Schauspielerinnen sind, diesen fatalen Hang zur Schönheitschirurgie. Und dann sieht man hinterher so aus (und das ist noch das netteste Photo).
Aber eigentlich will ich gar nicht über Lee Grant schreiben, obgleich ich schon ein wenig von Lyova Haskell Rosenthal (so ihr Geburtsname) enttäuscht bin. Nicht dass sie nicht mehr aussieht wie vor vierzig Jahren, das tun wir alle nicht, aber dass sie diesen Quatsch macht, der ihr einen Platz in Blogs sichert, die awfulplasticsurgery oder so ähnlich heißen. Nein, Lee Grant kommt hier nur am Rande vor, weil sie in vielen Filmen von Hal Ashby mitspielt. In seinem Film Shampoo hat sie eine Nebenrolle, kriegt da aber einen Oscar. Das wird Warren Beattie nicht gefallen haben, der ihr bei den Dreharbeiten immer wieder gesagt hat, dass sie nicht in den Film passe.
Hal Ashby gehört zu den Regisseuren, für die die Filmgeschichte das Etikett New Hollywood gefunden hat. Die sind jetzt Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre plötzlich da und sichern das Überleben des eigentlich schon toten Patienten Hollywood. Die Übergangsphase zum New Hollywood markieren Filme wie Bonnie and Clyde und The Graduate, aber spätestens mit Easy Rider ist alles anders. Die jungen Regisseure wie Peter Bogdanovich, Francis Ford Coppola, Robert Altman, Bob Rafelson, Steven Spielberg, Martin Scorcese, John Cassavetes und Monte Hellman sind jetzt Amerikas Äquivalent zur französischen Nouvelle Vague. Und wie ihre französischen Kollegen beanspruchen sie einen auteur Status. Den ihnen die Studios in Ermangelung von Alternativen zähneknirschend gewährten.
Der Filmkritiker Axel Madsen hat einmal so nett gesagt, dass Hollywood von Easy Rider so getroffen wurde wie die Autoindustrie in Detroit vom Volkswagen. Allerdings hätte der Film wohl nicht den Erfolg gehabt, wenn es eine Roger Corman Produktion geblieben und Columbia nicht eingestiegen wäre. Überall gibt es jetzt low budget Filme und Hollywood gibt die Formel Think young! aus. New Hollywood ist kein Rentnerkino mehr, das ist jetzt der eingefangene Zeitgeist, ins Bild gebrachte counterculture. Die Studios, die mit den jungen Wilden jetzt jede Menge Ärger haben (Ashbys The Last Detail brauchte nach den Dreharbeiten mehr als ein Jahr, um in die Kinos zu kommen), merken aber, dass sie diese Sorte Film auch in Europa verkaufen können. Mit Altmans M*A*S*H (1970) gibt es zum ersten Mal seit langem wieder eine Goldene Palme in Cannes.
Hal Ashby hat nach seinen Jahren bei Norman Jewison einige Filme gedreht, die bei den Kritikern und an der Kinokasse erfolgreich waren, wie Harold and Maude, Shampoo, Bound for Glory, Coming Home oder Being There. Harold and Maude hatte einen schwachen Start, entwickelte sich danach aber zu einem Kultfilm. Über Shampoo schrieb das Lexikon des Internationalen Films, dass die USA hier als ein heruntergekommener Kosmetiksalon dargestellt, wo nichts als Promiskuität, Geldgier und Beziehungsarmut herrscht. Das Lexikon des Internationalen Films (hinter dem die katholische Kirche steht) traf diese Aussage empört kritisch, Hal Ashby meinte das genauso wie es da steht, Geldgier, Promiskuität, Beziehungsarmut. Die Filme des New Hollywood über ein von Vietnamkrieg und Bürgerrechtsbewegung zerrissenes Amerika hätten dem Papst wirklich nicht gefallen. Seinen Handlangern vom katholischen Filmdienst natürlich auch nicht.
Hal Ashbys bester Film ist, meiner Meinung nach, The Last Detail. Es ist auch einer der besten Filme von Jack Nicholson, das war ihm auch klar (in dieser Zeit ist Nicholson in Filmen wie Easy Rider, Five Easy Pieces und The Last Detail noch wirklich gut). Er spielt in dem Film den petty officer 'Bad-Ass' Buddusky, der zusammen mit 'Mule' Mulhall (Otis Young) einen zu acht Jahren Haft verurteilten Matrosen namens Meadows (Randy Quaid) ins Marinegefängnis von
Portsmouth bringen soll.
Der junge Matrose hat vierzig Dollar gestohlen. No xxx Navy's going to give some poor xxx kid eight years in the xxx brig without me taking him out for the time of his xxx life, sagt Buddusky und will dem armen Schwein noch ein paar nette Tage bereiten. Die xxx stehen jetzt für das berühmte expletive deleted. Das sind ja jetzt die Sachen, die dem Studio missfallen: the first seven minutes, there were 342 'fucks'. Ja, aber dies ist die Marine, die reden so. Über lange Strecken wirkt dieser Film wie ein Dokumentarfilm, auch von den Farben und der Photographie her. Ashby wollte eigentlich Haskell Wexler als Kameramann haben (den kannte er von In the Heat of the Night und The Thomas Crown Affair), aber der bekam von der Gewerkschaft keine Arbeitserlaubnis für die Ostküste. Nestor Almendros musste absagen, weil er mit Eric Rohmer drehte, und so nahm Ashby Michael Chapman, der schon Kameraassistent bei seinem ersten Film The Landlord gewesen war. Der ist ja auch noch berühmt geworden (The Godfather, Jaws, Taxi Driver, Raging Bull), es gibt jetzt viele junge Talente im New Hollywood.
Der Film hat die Struktur einer Reise, und darin ähnelt es dem road movie, das eine neue Filmgattung des New Hollywood zu sein scheint. Ob es nun The Last Detail, Easy Rider, Bob Rafelsons Five Easy Pieces, Terrence Malicks Badlands oder Monte Hellmans Two-Lane Blacktop ist, immer sind in diesen Filmen entwurzelte Figuren on the road unterwegs durch ein Amerika, das nicht mehr das Amerika der Ansichtskarten ist. Ähnlich wie der Photograph Robert Frank in seinem berühmten Photoband The Americans (mit einem Vorwort vom On the Road Autor Jack Kerouac) Amerika neu entdeckte, finden die Regisseure des New Hollywood ein unbekanntes Amerika, das Hollywood vorher nicht interessiert hatte.
Seinen Film The Last Detail kann man immer noch kaufen, Sie können ihn ✺hier sehen. Es gibt ein Protokoll von der Tonspur des Filmes, die aber kein wirkliches Filmskript ist. Aber das Drehbuch von Robert Towne ist, gekoppelt mit seinem Drehbuch zu Chinatown, heute noch erhältlich. Und dann hätte ich noch eine nette Filmkritik aus der Zeitschrift Jump Cut, das war damals Amerikas Antwort auf Frankreichs Cahiers du Cinéma oder die deutsche Filmkritik. Dennis Hopper hat mit seinem Film Chasers (Zu sexy für den Knast) mit Erika Eleniak ein Remake von The Last Detail abgeliefert, das zwar ganz amüsant ist (und das Schnuckelchen Erika ist ja nett anzusehen), aber mit dem Original wenig zu tun hat.
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