Donnerstag, 20. März 2025

Knyphausen


Der Freiherr Philipp Wilhelm von Innhausen und Knyphausen wurde am 20. März 1591 auf Schloss Lütetsburg geboren. Er ist 1652 im Exil in Bremen gestorben, weil er im Streit mit dem Grafen Anton Günther von Oldenburg seine Herrschaften Innhausen und Knyphausen gegen ein erbliches Surrogat-Capital von jährlich 3.000 Reichsthalern hatte aufgeben müssen. Die Familie von Innhausen und Knyphausen bezog aus diesem Vertrag 340 Jahre lang Zahlungen, bis sie sich 1964 mit dem Land Niedersachsen auf ein Ablöseabkommen einigte. Der Graf Anton Günther war schon mehrfach in diesem Blog, zum Beispiel in den Posts Wolfgang Heimbach und Kohl und Pinkel (weil der Grünkohl im Hotel Graf Anton Günther besonders gut ist). Das Schloss Lütetsburg kenne ich, weil ich mich mal in einem Sommerurlaub durch alle Schlösser Ostfrieslands photographiert habe. Nicht mit dem Handy, sondern mit der Canon A1. Die Familie von Innhausen und Knyphausen lebt heute immer noch in dem Schloss Lütetsburg, das bei Theodor Fontane in Fünf Schlösser Lützburg heißt. Fontane war 1880 nach Lütetsburg gereist, um dort alles aus dem Familienarchiv auszugraben, was er für sein Buch gebrauchen konnte (lesen Sie hier mehr dazu). Zum Dank dafür, das ihm die Familie das alles erlaubte, hat er noch das kleine Gedicht Lützburg geschrieben:

Ein uraltes Schloß am Meeresstrand;
Ein herrlicher Park im baumlosen Land;
Durch Dämme geschützt vor der stürmenden Flut,
Manch geräumiger Hof, manch reiches Gut.
Viel wogendes Korn und Vieh auf der Weide
Und mahlende Mühlen und schweigende Heide,
Viel Gottessegen! Wie seltenste Arten
Der Bäume gedeihn trotz des Nordwinds im Garten,
Wie die Rosen ums Schloß blühn wunderbar,
So blüht im Haus die Töchterschar,
Wie im Hofe entspringt ein klarer Quell,
In den Herzen sprudelt der Frohsinn hell,
Die Jüngsten umjubeln die alte Veste,
Die Großen empfangen im Saale die Gäste,
Neun Schwestern, von eigener Art eine jede,
Und doch so ähnlich in Antlitz und Rede;
Die Stirnen klar und hell die Blicke,
Und alle haben den Schalk im Genicke,
Selbständig jede und selbstlos zugleich,
Streng gegen sich, für die andern weich.
Wer jemals hier Gastfreundschaft genoß,
Des Geist spukt um das alte Schloß
.

Philipp Wilhelm von Innhausen und Knyphausen hat auch ein wenig gedichtet, das tun Adlige im Barock gern. Er wurde 1634 von Ludwig I. von Anhalt-Köthen in die Fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen, wozu er dieses Gedicht verfasste:

Wie der Liebesäpffel frucht ist schön vnd Zugenießen
Gar wenig, Alß auch Zur liebe man gefließen
Zwart alle Zeit sol sein, doch weiter gehen nit
Als seine pflicht der eh in allem bringet mit
Verliebt der nahme mir derhalben ist gegeben
Dardurch Zu deuten ahn, wie eines Mannes leben
Jm er fruchtbringend sey in seinem hauß allein.

Das ist nun nicht der Höhepunkt der Barocklyrik, aber immerhin, unser in Bremen lebender Freiherr dichtet. Ich möchte dem Gedicht ein anderes Werk gegenüberstellen, das auch von einem Knyphausen geschrieben wurde. Es hat den Titel: Es ist still auf dem Rastplatz Krachgarten

Alle sind stumm bis auf das Radio
und auf der Gegenfahrbahn
Lichter die aus dem Dunkeln sich verirren
Es geht mir gut, es geht mir sehr, sehr gut
wohin auch immer wir fahren
jeder Meter bringt uns weiter weg
und führt uns näher ran
an all die Dinge die wir nie begreifen werden... oh
solange dir Räder rollen stehen meine kleinen Teufel still
halte bitte nicht an, bitte noch nicht

aus unseren schäbigen, alten Boxen strömen die Lieder
aus vielen, vielen, vielen Jahren direkt in unsere Herzen
ihre Sänger haben die immer gleichen Losung auf den Lippen
die Welt ist gräßlich und wunderschön... mhm

Gegen Fernweh
hilft nur das Heimweh
das rufe ich und renne los
immer wenn der Regen gegen mein Fenster schlägt
und dabei, ist es doch das Heimweh
das mich suchen lässt
an Orten fern von hier
in Leben die fern von meinem sind
dieser alte Trugschluß
ist das, was mich antreibt
ist das, was mich aufschreckt in der Nacht
das, was ich nicht los lassen kann 
also lass mich los
lass mich los

aus unseren schäbigen, alten Boxen strömen die Lieder
aus vielen, vielen, vielen Jahren direkt in unsere Herzen
ich hab die immer gleiche Losung auf den Lippen
die Welt ist gräßlich und wunderschön... mhm

Gisbert zu Knyphausen schreibt nicht nur solche Texte, er singt auch noch. Er ist irgendwo zwischen Hannes Wader, Klaus Hoffmann und Reinhard Mey, ist aber nicht schlecht. Er singt auch Schubert, aber das kann Hannes Wader besser. Gisbert ist zur Zeit der berühmteste Namensträger der Familie Knyphausen. Oder ist das die Künstlerin Cosima zu Knyphausen? Oder der Schauspieler Felix zu Knyphausen? Diese Knyphausens scheinen überall zu sein, bei Eltville haben sie noch ein Weingut und verkaufen Weine, die Baron Knyphausen heißen.

Berühmt war auch einmal Wilhelm Knyphausen, der als General in hessischen Diensten mit den Truppen, die der Soldatenhändler Friedrich II von Hessen den Engländern verkauft hatte, in Amerika kämpft. Er ist den ganzen Unabhängigkeitskrieg dabei und hat einen großen Moment, wenn er Fort Washington erobert. Das der englische General Sir William Howe umgehend in Fort Knyphausen umbenennt. Es heißt heute aber wieder Fort Washington.

Der bedeutendste aus der Familie scheint mir Edzard Moritz zu Innhausen und Kyphausen zu sein, den der hannoversche König 1816 zum Grafen ernannt hat. Sein Sohn Carl Wilhelm Georg Graf zu Inn- und Knyphausen wird ein hoher Beamter im Königreich Hannover werden; leider ist das Porträt von Franz Krüger 1893 verbrannt und ist nur noch als Lithographie zu sehen. Edzard Moritz hatte nach dem Tode seines Bruders die Herrlichkeit (welch schönes Wort) Lütetsburg geerbt und sofort damit begonnen, den von seinem Großvater angelegten Barockpark umzugestalten. Er will so etwas haben, was Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau in Wörlitz geschaffen hat. Das wollen die kleinen Fürsten in dem Flickenteppich Deutschland jetzt alle, ob sie Pückler oder Malte von Putbus heißen. Sie wollen einen englischen Landschaftsgarten (zu dem es hier einen ausführlichen kulturhistorischen Post gibt).

Der Park, den ihm die Landschaftsgärtner Carl Ferdinand Bosse und  Julius Friedrich Wilhelm Bosse acht Kilometer von der Nordsee entfernt bauen wird, ist der größte private englische Landschaftsgarten Norddeutschlands. Er wäre vielleicht noch größer geworden, wenn nicht der Großherzog von Oldenburg Peter Friedrich Ludwig den jungen Bosse abgeworben hätte. Wofür er eine erhebliche Entschädigungssumme zahlen muss. Heute werden Fußballspieler verkauft, damals kaufen sich Fürsten Landschaftsgärtner. Philipp Wilhelm hatte die kleinen Flecken Innhausen und Knyphausen bei Wilhelmshaven nur bekommen, weil sein älterer Bruder katholisch geworden war. In der Fruchtbringenden Gesellschaft hatte er den Namen der Verliebte. Er wird dafür sorgen, dass eines Mannes leben Jm er fruchtbringend sey in seinem hauß allein. Sein Name wird nicht aussterben. Er wird dreimal heiraten und fünf Söhne haben, von denen der schwedische Feldherr Dodo Moritz Reichsgraf zu Innhausen der berühmteste sein wird.

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