Freitag, 14. Juni 2013

Finanzmärkte


Die Herren mit den roten Roben in Karlsruhe haben gerade getagt, es geht wieder einmal um den Euro. Und es geht natürlich um die europäischen Finanzmärkte. Manche Länder sind in diesen Krisenzeiten verdächtig still. Das sind die, die den Euro nicht eingeführt haben. Aber vielleicht liegt es ja gar nicht am Euro, wenn die Banken den Regierenden auf der Nase herum tanzen. Früher erschossen sich die Bankiers ja noch, wenn sie fallierten, diese schöne Sitte ist leider ausgestorben. Sie werfen sich auch nicht mehr aus den Fenstern eines Hochhauses. Wenn sie etwas aus dem Fenster werfen, dann ist das unser Geld. Als ob es Monopoly Geld wäre. Und der Staat macht es den Banken nach. Die Jahresberichte des Bundes der Steuerzahler und des Bundesrechnungshofs sind ja schon Makulatur, wenn sie erscheinen. Einmal wird der Tag kommen, da der Bürger erfahren muss, dass er die Schulden zu bezahlen habe, die der Staat macht und uns zum Wohle des Volkes deklariert, soll Ludwig Erhard gesagt haben.

Wenn Sie aus diesen Zeilen einen leicht grimmigen Unterton herauslesen, dann liegt das daran, dass ich letztens termingerecht meine Einkommensteuererklärung abgegeben habe. Hoffentlich wird sie nicht von dem Beamten bearbeitet, der Uli Hoeneß bei seiner Selbstanzeige geholfen hat. Gerade haben die Toten Hosen bei ihrem Münchener Konzert, sozusagen in der Höhle des Löwen, ihr ➱Lieblingslied Ich würde nie zum FC Bayern München gehen gespielt. Und es angesagt mit den Worten: Wir machen Euch ein Geschenk und spielen die ersten zwei Strophen ganz leise – auch für Uli. Das musste mal eben erwähnt werden, wo doch Fans der Toten Hosen diesen Blog lieben. Auf jeden Fall seitdem ein Mitglied der Band diesen ➱Post bei Facebook erwähnt hat.

Protest gegen den FC Bayern mag für die Fans der Mannschaft von Düsseldorf, die ein wenig von der Fortuna verlassen ist, ganz nett sein. Aber was ist mit dem Protest gegen die Banken? Seit die Occupy Lager aufgelöst wurden, ist es so ruhig geworden. Was ist mit dem Protest gegen die Politiker? Pumpt noch jemand dem Bundesfinanzminister 5.278 Liter Gülle in sein Büro? Also gut, das geschah nur in dem Programm Geld oder Gülle des Kabarettisten Thomas Freitag. War aber eine nette Idee. Die Klagen über die Finanzmärkte und Börsenspekulanten sind alt. Ich möchte heute einmal ein Gedicht zitieren, das in den letzten beinahe 250 Jahren nichts von seiner Brisanz verloren hat:

O dieses gräßliche Gesindel,
Das Börsenspekulanten heißt!
Spitzbuben mit dem Diebwerksbündel,
Auswurf von eklem Höllengeist!
Es überkommt uns schon ein Schwindel,
Wenn man auf ihre Namen weist.

Die Namen, auf die der Dichter weist, lassen wir jetzt einmal für einen Augenblick lang weg. Die Bankiers aus Hamburg und Holland wie Pierre Boué, Wurmb und van Sanen (auch: van Zaanen) sagen uns heute nicht mehr viel. Aber lauschen wir doch weiter den Worten des Poeten:

Die Helden in dem Reich der Zahlen!
Wie sie mit plumper Pinselei
Habgier und Wucher übermalen –
Wie sie mich hier und dort bestahlen
Durch Wechsel, Schuldscheinfopperei,
Mit Quittungskram und kolossalen
Bankrechnungen – Gott steh mir bei!
Zu dem Geschäft mich herzugeben!

Das dumme Zeug geht mir ans Leben!
Ich magre ab, ich möcht' vergehn
Bloß wegen dieser Kerle eben,
Die abgefeimt nur danach streben,
Daß ihre Kurse pari stehn.

Ihr Schufte, schmutzig wie Chinesen
Und noch verschmitzter, habt ihr mal
Den Aristoteles gelesen?
Wißt ihr, wer Locke und La Motte gewesen?
Nein, dazu seid ihr viel zu schal –
Die Geistesnahrung war' euch Qual.
Die Wissenschaft geht in die Binsen,
Und nur, wo's was zu rechnen gibt,
Da seh' ich die Gesichter grinsen.
Das einzige ist, was euch beliebt,
Fünfzehn Prozent an Wucherzinsen.

O welch ein lächerliches Los
Ist uns Monarchen aufgezwungen!
Man zieht sich solche Lumpen groß!
Ihr Treiben schon ist sittenlos;
Doch brauchen sie noch ihre Zungen,
O welche Marter für mein Ohr!

Hier schreibt im Jahre 1765 kein empörter bürgerlicher Zeitgenosse, der enragierte Dichter ist nicht irgendwer. Er heißt Friedrich mit Vornamen und ist König von Preußen. Und an diesem Punkt müssen wir doch noch einmal auf die Namen des gräßlichen Gesindel, das Börsenspekulanten heißt zurückkommen. Der Vater des hugenottischen Hamburger Bankiers Pierre Boué (1738-1802) war von seinem Vater in Bordeaux in ein Zuckerfass gesteckt worden, in dem er nach Altona geschmuggelt wurde. Dort kam er bei einem schon zuvor geflüchteten Familienmitglied unter. Ihre Werft in Altona war so erfolgreich, dass der Hamburger Senat der Firma auf dem Grasbrook (da, wo man Störtebeker hingerichtet hatte) preiswertes Land anbot. In der Zeit von 1719 bis 1732 lieferten Pierre und Jacques Boué der französischen Ostindienkompagnie zweiundzwanzig Handels- und Kriegsschiffe. Pierre Boués Sohn Pierre heiratete die Tochter des reichen hugenottischen Holzhändlers Andreas Plumejon (für den schon ➱Telemann Gelegenheitsmusik geschrieben hatte). Geld kommt zu Geld, und die Hugenotten in Hamburg bleiben gern unter sich. Neben dem Schiffbau und der Reederei kommen jetzt bei Pierre Boué et fils noch Bankgeschäfte dazu. In der Firma von Boué et fils hat übrigens noch ein anderer französischer Glaubensflüchtling gearbeitet, dessen Familie bald zur ➱Aristokratie Hamburgs gehören sollte: Jacques Cesar III. Godeffroy. Einen von denen wird man eines Tages den Südseekönig nennen. Pierre Boué Junior ist in seinen Geldgeschäften offenbar sehr erfolgreich gwesen, zu seinen Kunden zählte auch Friedrich II., der nach der finanziellen Misere des Siebenjährigen Kriegs dringend Geld brauchte.

Der König betraute Pierre Boué 1763 mit der Organisation der Bank in Berlin, die 1765 in dem 1690 errichteten Haus des königlichen Hofjägers auf dem Friedrichswerder eröffnet wurde. So haben Wir hierbey bey Heilung der Wunden, die der siebenjährige Krieg dem Staate geschlagen hatte, überzeugend eingesehen, daß die Errichtung einer Bank in Unsern Staaten das vornehmste und einzige Mittel wäre, durch den mehreren Umlauf des Geldes, in allen Wechsel- und Handelsgeschäften das Commercium blühend zu machen und in der Folge zu erweitern, steht im königlichen Erlaß von 17. Juni 1765.

Zwei Jahre zuvor hatte der König übrigens eine Porzellanmanufaktur gegründet, für die er doppelt so viel Geld locker machte wie für die Gründung der Königlichen Hauptbank. Das Bild oben zeigt die Bank ein Jahrhundert später. Ich weiß jetzt nicht, ob die dunklen Wolken am Himmel symbolisch sind. Aus dem Haus am Werderschen Markt wird eines Tages die Reichsbank werden. Wenn Sie alles über die Geschichte des Gebäudes wissen wollen, lesen Sie doch diesen interessanten ➱Artikel. Pierre Boué entzweite sich bald mit seinen holländischen Kompagnons Wurmb und van Sanen, und die Gunst des Königs genoss er auch nicht lange. Wie Friedrichs ➱Gedicht Ein Kapitel gegen die werten Herrn Blutsauger, auf griechisch: Philokopros zeigt. Nach seinem Tode ging es mit seinem Handelshaus auch bald bergab, wie man einer wirtschaftswissenschaftlichen Schrift entnehmen kann, die die Situation im Jahre 1813 (dem Jahr des dänischen Staatsbankrotts) beschreibt: Au début du mois d'avril, Pierre Peschier, de Copenhague, fait la culbute : aussitôt, Pierre Boué et fils, à Hambourg, suspendent leurs paiements et se déclarent en faillite (1 500 000 marks), dont le tiers en acceptations pour des maisons qui ont déjà fait banqueroute. Irgendwie klingt der Ruin auf Französisch so nett, fait la culbute und banqueroute.

Eine Staatsbank ist also - so Friedrich von Preußen - dazu da, das Commercium blühend zu machen und in der Folge zu erweitern. Ob die das bei der Bundesbank und der EZB auch wissen? Gehören Outright Monetary Transactions zum Commercium oder zur Schuldscheinfopperei? Die Fünfzehn Prozent an Wucherzinsen zahlen Bankkunden in Deutschland für die Überziehung ihres Kontos heute immer noch. Wie schön, dass es im Finanzleben noch Konstanten gibt.

2 Kommentare:

  1. Es wird wohl wieder 250 Jahre dauern, bis einer ein Gedicht wie dieses schreibt. Oder doch nicht?

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  2. culbute und banqueroute reimen sich leider nicht...

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