Mittwoch, 16. Oktober 2013

Burbapple


Das hier gab es schon, das Burberry Verhüterli für das iPhone ist nicht unbedingt neu. Aber neu ist, dass die Chefin von Burberry jetzt zu Apple wechselt. Die Amerikanerin Angela Ahrends war die erste Frau, die es in die Liste der Topverdiener des Königreichs geschafft hatte. Wird Apple ihr mehr als die 16.9 Millionen Pfund Sterling zahlen, die sie bei Burberry bekommen hat? Gibt es in Zukunft iPads und Computer im Burberry Karo? Wird die Qualität von Apple auch so schrottig wie die Qualität von Burberry?

Die Frau, die den Aktienkurs von Burberry verdreifacht hat, hat auch dafür gesorgt, dass Burberry auf kein Produkt mehr Made in England schreiben kann. Beinahe alle Burberry ➱Fabriken in England sind geschlossen worden. Burberry war einmal der Inbegriff des Made in England, es war auch der erste Markenname, den das Oxford English Dictionary als Begriff aufnahm. Und so kann man noch heute lesen:

Burberry Pronunciation: /ˈbəːb(ə)ri/
noun (plural Burberries) trademark
a kind of lightweight belted raincoat, typically beige in colour, with a distinctive tartan lining.
Origin: early 20th century: from Burberrys Ltd, the name of the manufacturer

Ich habe hier zwei interessante Pressestimmen. Die erste ist ein ➱Interview, das die Welt am Sonntag 2010 mit Frau Ahrends führte:

   Welt am Sonntag: Frau Ahrendts, ich war vergangene Woche in London im Burberry Shop. Eine ältere, englische Lady starrte kopfschüttelnd auf die Schlangenlederstiefel im Dominastil und die mit Nieten besetzten Jacken in der Auslage. Bevor sie den Laden verließ, waren ihre letzten Worte: "Was ist bloß aus Burberry geworden?"
   Angela Ahrendts: (grinst) Das kann ich Ihnen sagen: eine aufregende, moderne, innovative Luxusmodemarkte.
   Welt am Sonntag: In den vergangenen hundert Jahren war Burberrys Kernzielgruppe die Upperclass, die in karierten Burberry-Mänteln über ihren Landsitz spazierte. Diese Kunden dürften Sie wohl vergrault haben.


   Ahrendts: Einige Kunden haben wir sicher verloren, das stimmt. Aber wir sind eine globale Marke mit einem Milliardenumsatz. Den nimmt man nicht allein in einem Land oder mit einer Altersgruppe ein. Die wichtigsten Wachstumsmärkte weltweit sind heute Länder wie China, Indien oder Brasilien. Dort sind unsere Kunden durchschnittlich wesentlich jünger als in Europa. Wir versuchen, mit unserer Marke eine breitere Kundenbasis anzusprechen und zu begeistern.
   Welt am Sonntag: Was hätten Sie der älteren Dame denn gesagt, wenn Sie im Geschäft gewesen wären?
   Ahrendts: Dass kein Grund zur Panik besteht, weil wir die traditionellen Burberry-Produkte wie zum Beispiel die Trenchcoats noch immer in der gleichen Fabrik in England, mit der gleichen hohen Qualität herstellen und in unseren Läden verkaufen. Aber was wir in unseren Schaufenstern und Werbekampagnen zeigen, sind unsere innovativen Produkte, mit denen wir eben alle Altersgruppen anlocken wollen. 


Sie haben das richtig gelesen, dass kein Grund zur Panik besteht, weil wir die traditionellen Burberry-Produkte wie zum Beispiel die Trenchcoats noch immer in der gleichen Fabrik in England, mit der gleichen hohen Qualität herstellen. Da bietet sich doch der Kalauer an, wen will Frau Ahrends verapplen? Ich nehme an, dass die sprichwörtliche ältere, englische Lady (die sicher etwas vornehmer ist als die wunderbare Granny von dem Cartoonisten Giles, die da oben als Granny Britannia abgebildet ist) inzwischen vor Gram gestorben ist. Ich habe nie so richtig gewusst, was Genesis damals meinten, als sie ihr Album Selling England by the Pound betitelten, aber ich nehme mal an, dass sie so etwas meinten.

Meine zweite Pressestimme ist ein ➱Artikel im Observer von der Journalistin und Romanautorin Carole Cadwalladr. Es genügt eigentlich, die Überschrift zu lesen: The hypocrisy of Burberry's 'Made in Britain' appeal. How has the 'luxury brand' got the audacity to trade on its pride in Britishness when most of its clothes are made abroad? Das ganze Konzept der Englishness muss neu überdacht werden. In den fünfziger Jahren, als der Franzose Pierre Daninos (dessen Bruder übrigens der Chef der Firma ➱Facel Vega war, die diese tollen Autos baute) seinen englischen Major Thompson die Franzosen entdecken ließ, da sah der Engländer auf dem Schutzumschlag des Buches noch so aus. Und so sieht er in unseren Gedanken immer noch aus.

Wir müssen davon Abstand nehmen, niemand trägt mehr elegante Glencheckanzüge mit einer Nelke im Knopfloch. Die Zeiten ändern sich. Sind nicht diese Engländer das neue England? Was ist aus Tony Blairs Cool Britannia geworden? Die englischen football hooligans haben sich seit den späten siebziger Jahren mit Luxusklamotten verkleidet. Ich glaube, Pringle war die erste Marke, die sie trugen. Das war sehr rufschädigend für die Firma. Das Phänomen, dass sich die Subkultur der heiligen Kühe des Kommerzes bemächtigt, traf dann auch Burberry:

In the mid-1990s, the casual subculture experienced a massive revival, but emphasis on style had changed slightly. Many football fans adopted the casual look as a kind of uniform, identifying them as different from the ordinary club supporters. Brands such as Stone Island, Aquascutum, Burberry and CP Company were seen at nearly every club, as well as classic favourites such as Lacoste, Paul & Shark and Pharabouth. In the late 1990s, many football supporters began to move away from the brands that were considered the casual uniform, because of the police attention that the casual styles attracted; several designer labels also withdrew designs from sale after they became common casual uniforms.

Frau Ahrends kehrt in ihr Heimatland zurück, ein Land mit einer maroden Wirtschaft. Bevor wir uns Sorgen darüber machen, was aus Burberry und was aus Apple wird, sollten wir einfach diesen ganzen eitlen Tand aus unseren Gedanken verbannen. Und was hilft uns dabei mehr als einer unserer deutschen Barockdichter? Für dergleichen sind unsere Barockdichter ja immer gut. Und so gebe ich Frau Angela Ahrends mal das Gedicht Es ist alles eitel von Andreas Gryphius mit auf den weiteren Lebensweg.

Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden:

Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was itzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Itzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.

Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles dies, was wir für köstlich achten,

Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum, die man nicht wiederfind't.
Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten!


Lesen Sie auch: ➱['bɜ:bərᴗi] und ➱Trenchcoats

1 Kommentar:

  1. Das "Verhüterli" im ersten Bild ist -obwohl der Burberry-Qualität wahrscheinlich gleichwertig- durch den fehlenden dritten Streifen im Nova Check als Fälschung erkennbar. Solche Quasi-Burberryprodukte waren es dann auch, die neben der Hooligankultur auch die Chavs als Zielgruppe anlockten und die Marke ohnehin für jeden anständigen Briten untragbar machten.

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