Mittwoch, 10. April 2024

Princeton


Heute vor neunundneunzig Jahren wurde F. Scott Fitzgeralds Roman The Great Gatsby veröffentlicht. Es war nicht der Erfolg, den Fitzgerald erhofft hatte. Da ging es Fitzgerald wie Herman Melville, dessen Meisterwerk Moby-Dick auch kaum Leser fand. Fitzgerald war ein schlechter Schüler gewesen, und die Universität Princeton hatte große Bedenken ihn zuzulassen. Er wäre lieber nach Yale gegangen, aber er wusste, dass er da keine Chancen gehabt hätte. Er war auch ein schlechter Student, aber er genoss das studentische Leben und schrieb ständig kleine Dinge für das Nassau Literary Magazine. Größere akademische Leistungen sind von ihm nicht bekannt. Ein Examen hätte er nicht geschafft. Die Universität hatte schon eine Verwarnung ausgesprochen, er stand kurz vor der Relegation. Fitzgerald meldet sich zur Armee. Träumt von einem Heldentod im Krieg, da er gerade bei einer Frau nicht landen konnte. Er landet nur in einem Ausbildungslager in Fort Leavenworth, sein Vorgesetzter ist ein Captain namens Dwight D. Eisenhower. Den hasst der junge Leutnant Fitzgerald. Er langweilt sich in Levenworth, schreibt in drei Monaten einen Roman, der The Romantic Egotist heißt und schickt ihn an Scribner's. Die schicken ihm den Roman gleich wieder zurück. Aber der Cheflektor Maxwell Perkins hat Fitzgeralds Talent erkannt. Fitzgerald hat gerade eine neue Frau namens Zelda kennengelernt und schreibt den Roman um; er erscheint unter dem Titel This Side of Paradise. Der Roman erregt Aufsehen, eine Woche nach der Veröffentlichung heiratet Fitzgerald seine Zelda. 

Ein schlechter Schüler, ein schlechter Student, ein großer Autor. Es ist erstaunlich, wie viele schlechte Schüler berühmte Schrifsteller werden. Melvilles Eltern hielten ihr Kind für ein wenig minderbemittelt. Flaubert konnte mit sieben Jahren noch nicht lesen, Sartre wusste, weshalb er seine Flaubert Biographie Der Idiot der Familie nannte. Fitzgerald hat nicht nur in der Schule Schwierigkeiten mit dem Schreiben, die Rechtschreibschwäche wird er sein Leben lang behalten. Seinen Freund Hemingway schreibt er Earnest Hemminway. Sein Studienfreund Edmund Wilson wird über das Manuskript von This Side of Paradise mit den tausend Tippfehlern sagen: one of the most illiterate books of any merit ever published. Wenn Fitzgerald Max Perkins und die Lektoren von Scribners nicht gehabt hätte, wäre keiner seiner Romane veröffentlicht worden. In der Geschichte der Literatur des 20. Jahrhunderts sind Lektoren manchmal genauso wichtig wie die Autoren. Was wäre aus Thomas Wolfe geworden, wenn er nicht Maxwell Perkins gehabt hätte? Look Homeward, Angel wäre nie erschienen. Faulkner hat Albert R. Erskine (der auch noch Cormac McCarthy betreute) gebraucht. Und so weiter. Und wenn Alfred Andersch nicht gewesen wäre, wäre Arno Schmidts Seelandschaft mit Pocahontas nicht gedruckt worden. 

Aber was bedeutet heute schon Rechtschreibung, ein Computerprogramm kann doch alles korrigieren. Sagt sich auch die schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien und ordnet an, dass Rechtschreibfehler in Aufsätzen nicht mehr in die Deutschnote eingehen. Es ist schade, dass Fitzgerald das nicht mehr erleben kann, hier hätte er Abitur machen können. Hundert Jahre nachdem er die Universität verließ, hat ihn Princeton doch noch als Absolventen anerkannt. Fitzgerald hat wenig Gedichte geschrieben, aber ein Abschiedsgedicht auf seine Uni hat er doch geschrieben:

Princeton The Last Day

The last light wanes and drifts across the land, 
The low, long land, the sunny land of spires. 
The ghosts of evening tune again their lyres 
And wander singing, in a plaintive band 
Down the long corridors of trees. Pale fires 
Echo the night from tower top to tower. 
Oh sleep that dreams and dream that never tires, 
Press from the petals of the lotus-flower 
Something of this to keep, the essence of an hour! 

No more to wait the twilight of the moon 
In this sequestrated vale of star and spire; 
For one, eternal morning of desire 
Passes to time and earthy afternoon. 
Here, Heracletus, did you build of fire 
And changing stuffs your prophecy far hurled 
Down the dead years; this midnight I aspire 
To see, mirrored among the embers, curled 
In flame, the splendor and the sadness of the world.

Aber ist das jetzt wirklich ein Gedicht? Es steht in Prosaform im Kapitel vier von This Side of Paradise: The last light fades and drifts across the land the low, long land, the sunny land of spires; the ghosts of evening tune again their lyres and wander singing in a plaintive band down the long corridors of trees; pale fires echo the night from tower top to tower: Oh, sleep that dreams, and dream that never tires, press from the petals of the lotus flower something of this to keep, the essence of an hour.
No more to wait the twilight of the moon in this sequestered vale of star and spire, for one eternal morning of desire passes to time and earthy afternoon. Here, Heraclitus, did you find in fire and shifting things the prophecy you hurled down the dead years; this midnight my desire will see, shadowed among the embers, furled in flame, the splendor and the sadness of the world. 
Sein Potential als Dichter schreibt Fitzgerald in seine Romane. Auch The Great Gatsby ist voll von lyrischen Passagen. Gehen Sie doch einmal auf die Seite Found Poems in Gatsby.

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