Montag, 20. Juni 2011

Elvira Madigan


Leidvolle Dinge geschehen, dichtete der Schwede Johan Lindström Saxon in seiner Ballade über das berühmteste Liebespaar der Zeit, die Zirkusartistin Elvira Madigan und den schwedischen Leutnant Bengt Edvard Sixten Sparre. Sein Sohn Lars wird übrigens auch leidvolle Dinge in der Liebe erfahren, aber seine Liebesgeschichte endet nicht im Selbstmord wie bei Elvira Madigan und dem Leutnant Sparre. Sein Sohn liebt nämlich eine junge Schwedin namens Greta Lovisa Gustafsson, die wir besser unter dem Namen Greta Garbo kennen. Aber wir wissen, es wird nix draus.

Im Sommer 1889 haben Elvira Madigan und der junge schwedische Adlige auf der kleinen dänischen Insel Tåsinge Selbstmord begangen. Angeblich legen noch heute junge Bräute ihren Brautkranz auf das Grab. Das scheint in Dänemark überall Sitte zu sein, denn weiter oben in Jütland, in Vestervig, legen schon seit Jahrhunderten die Bräute ihren Brautkranz auf das Grab von Liden Kirsten und Prinz Buris Henriksen. Als der König Valdemar von der Liebesgeschichte erfuhr, hat er seine Halbschwester Liden Kirsten so lange tanzen lassen, bis sie tot zusammenbrach. Den Prinzen ließ er blenden und entmannen und so an die Kirche ketten, dass er gerade noch bis zum Grab seiner Geliebten kriechen konnte. Elf Jahre soll er noch so gelebt haben. Sorgerliga saker hända. Da ist sicherlich der Tod im Nörreskov Wald von Tåsinge schöner. Es gibt da heute auch einen Elvira Madigan Weg. In Verstervig gibt es natürlich noch den Grabstein von Liden Kirsten und Prinz Buris Henriksen.

Der schwedische Regisseur Bo Widerberg hat die Geschichte von Elvira Madigan 1967 verfilmt, schön und traurig. Man braucht viele Taschentücher für diesen Film. Auch John Updike hat geweint, wenn man seinem Gedicht ➱Minority Report glauben darf: I listen to Mozart/ in my English suit and weep./ remembering a Swedish film. Die Filmmusik von Mozart brachte alle Zuschauer zum Weinen, so überirdisch schön. Es ist das Klavierkonzert Nr. 21 in C-Dur KV (Köchel Verzeichnis Nummer 467), ich habe mir gleich die Noten gekauft. Und natürlich nur den zweiten kantablen Satz gespielt.

Im Film wurde das Konzert von Geza Anda gespielt. Und alle Schallplattenfirmen, die das Konzert im Programm hatten, etikettierten ihre Platten jetzt um. Von nun an hieß das Konzert Elvira Madigan. Als ob Mozart das für Elvira Madigan geschrieben hätte, dabei wurde die erst achtzig Jahre später geboren. Es gibt ein Mozart Konzert, das den Namen einer Dame trägt - allerdings den falschen, wie man vor kurzem herausgefunden hat. Es ist das Jeunehomme Konzert, aber in Wirklichkeit muss es Jenamy und nicht Jeunehomme heißen, wie man jetzt weiß.

Die Liebe verzaubert die Alltagsrealität. Und natürlich schöne Frauen wie Pia Degermark. Und natürlich die Musik. Das beherrscht Widerberg wie kein zweiter. Schauen Sie sich doch einmal diese Szene aus dem bittersüßen Film ➱Lust och fägring stor (1995) an. Händels Lascia ch'io pianga aus der Oper Rinaldo verzaubert jede Filmszene. Eigentlich ist die Arie für einen Kastraten geschrieben, deshalb kommt sie auch in dem Film Farinelli vor. Aber jeder Kontratenor kriegt das auch hin, hören Sie sich doch mal ➱Philippe Jaroussky an.

Elvira Madigan ist noch auf DVD lieferbar, Lust och fägring stor mit der schönen Marika Lagercrantz (links) leider nicht mehr [doch jetzt wieder unter dem Titel Schön ist die Jugendzeit]. Leider auch nicht mehr erhältlich ist die wunderbar komische Geschichte von dem kleinen sechsjährigen Fimpen, der wegen seiner Fußballkünste Mitglied der schwedischen Nationalmannschaft wird [auch den Film gibt es neuerdings in einer restaurierten Fassung]. Die Mannschaft muss ihm bei Auswärtsspielen vor dem Einschlafen etwas vorlesen, die können das schon auswendig. Irgendwann brüllt einer der Spieler Hat denn der verdammte schwedische Fußballverband kein Geld für ein zweites Kinderbuch? Schreiend komisch. Glücklicherweise gibt es im Netz den ganzen Film. Keine schönen Frauen, keine herzzerreißende Musik, aber wunderbar!

Die Erstausstrahlung von Bo Widerbergs Fimpen war in der ARD am 16. Juni 1974. Das passte sehr schön zur Fußballweltmeisterschaft in Deutschland (an dem Tag war auch spielfrei). Die Schweden haben damals ja gegen uns verloren. Weil sie Fimpen nicht aufgestellt haben. Eigentlich wollte ich deshalb am 16. Juni über Bo Widerberg schreiben, aber der Bloomsday musste natürlich gefeiert werden, deshalb gibt es Bo Widerberg heute.

Lesen Sie auch: Liebestod. Und den Film Elvira Madigan habe ich auch für Sie.

2 Kommentare:

  1. Na, lieber Jay, endlich revanchieren Sie sich für meine glühenden Silvae-Elogen allerorten im weiten Web mit einer Jaroussky-Empfehlung!

    Kann ich vielleicht eine kleine musikalische Vorlage für ein weiteres historisches Kammerstück aus Ihrer Feder liefern? Die mit Jaroussky häufiger zusammenarbeitende Christina Pluhar hat mit ihrem wunderbaren Ensemble L'Arpeggiata ein Live-Programm "La Lyra d'Orfeo: Luigi Rossi a la cour d'Anne d'Autriche" gespielt, welches umfnagreich in YouTube zu genießen ist - sowohl die gute Anne d'Autriche als auch der Herr Rossi (ja, der sucht das Glück...) wären Ihrer Beachtung wert, ebenso wie das schöne aber leider fast veregessen Instrument Psalterion:
    http://www.youtube.com/watch?v=xUsjdQTmI7E

    Herzliche Grüße in den Norden,

    dE

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  2. Thanks! Ich nehme das mal als eine Anregung, demnächst einmal über counter tenors zu schreiben, von Alfred Deller bis Brian Asawa, unsere Deutschen wie Kowalski und Scholl nicht zu vergessen.

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