Sonntag, 12. Juni 2011

Gregory Peck


Er hat die Presidential Medal of Freedom bekommen, wie die Pastorentochter aus der Uckermark. Nicht von Richard Nixon, bei dem stand er auf der Hassliste. Politisch ist Gregory Peck immer einen geraden Weg gegangen, menschlich auch. Heute scheinen in Hollywood ja eher Leute wie Charlie Sheen die Regel zu sein. Gregory Peck ist heute vor drei Jahren gestorben, in Filmen starb er nie. Weil Hollywood dieses Gesetz hatte, dass ein Errol Flynn oder ein Gregory Peck niemals auf der Leinwand sterben darf.

In Old Gringo ist er dann aber 1989 doch auf der Leinwand gestorben. Vier Jahrzehnte vorher auch schon mal in Duel in the Sun. Aber solange es Filme gibt, wird Gregory Peck natürlich weiterleben. Als ➱Atticus Finch in ➱To Kill a Mockingbird werden wir ihn nie vergessen, als jungen Reporter in Roman Holiday, der mit Audrey Hepburn auf der Vespa durch Rom gleitet, natürlich auch nicht. Als Kapitän Ahab in Moby-Dick mochte ihn niemand so gerne. Leslie Fiedler hat gesagt, er hätte besser den Wal gespielt. Und in The Sea Wolves hätte er besser nicht mitgespielt.

Auch wenn man manche Rollen vergessen wird, einen Gregory Peck Film vergesse ich nie. Da ist er Captain Horatio Hornblower, RN und kämpft auf seiner HMS Lydia gegen die Franzosen. Einen besseren Hornblower gab es nie, dagegen kommt Ioan Gruffud in der ITV Serie nie gegen an. Die Lydia ist eine Fregatte, viel schneller als ein Linienschiff. Es ist Horatio Nelsons Verdienst, diesen Fregatten in seiner Seekriegsführung eine neue Rolle zuzuweisen. Und all die Seehelden der napoleonischen Kriege wie Sir George Cockburn, Lord Cochrane oder ⥤Sir Sidney Smith haben sich ihre Sporen auf einer Fregatte verdient.

Und seit C.S. Forester (der eigentlich Cecil Smith heißt) 1938 Flying Colours geschrieben hat (der erste Hornblower Roman, den ich vor Jahrzehnten las, der auch die Basis für den Film ist), haben uns englische Schriftsteller mit immer neuen Abenteuern von Hornblower-ähnlichen Helden versorgt. Patrick O'Brian kennt inzwischen jeder, aber es gibt noch Alexander Kent (der in Wirklichkeit Douglas Reeman heißt), Dudley Pope, Richard Woodman und Julian Stockwin. Und wahrscheinlich noch viel mehr. Viele der Autoren waren in der Royal Navy, ➱Patrick O'Brian ist allerdings niemals zur See gefahren. Genau wie sein großes Vorbild C.S. Forester, den er so schamlos beklaut.

Eine Uniform wie Gregory Peck hat allerdings damals kein Captain der Royal Navy getragen, wie man Amy Millers Buch Dressed to Kill entnehmen kann. Das Buch ist eine Kostümgeschichte der Royal Navy von den Anfängen der Uniformierung der Seeoffiziere bis zum Jahre 1856, ein Katalog einer Ausstellung des National Maritime Museum in Greenwich. Pflichtlektüre für Leser von C.S. Forester. Natürlich haben wir auf den swagger portraits des ausgehenden 18. Jahrhunderts immer wieder Marineoffiziere, die gegen alle Bekleidungsvorschriften verstoßen. Exzentriker wie die Admirale Sidney Smith oder Thomas Cochrane tragen, was sie wollen, sonst wären sie keine exzentrischen Engländer. Wahrscheinlich würden sie ➱Regenschirme tragen, wie die Gardeoffiziere bei Waterloo, wenn die an Bord nicht so fürchterlich unpraktisch wären.  In dem Katalog ist auch der junge Seeoffizier Nelson mit einer Bärenfellmütze, wie er auf einer Eisscholle mit einem Gewehr als Schlagstock einen Eisbären bekämpft. Mehr passt kaum auf ein Ölbild, das einen englischen Seehelden zeigt. Das schöne Bild war auch schon mal hier im ➱Blog.

Man braucht natürlich nicht zur See gefahren zu sein, um die Horatio Hornblower Romane zu lesen. Man benötigt vielleicht nicht einmal das nautische Fachvokabular, das man braucht, um Melvilles Moby-Dick zu lesen. Hornblower als literarischer Held hat in den Romanen ja wenig von den Exzentrizitäten von Kapitänen wie Cochrane oder Smith, er ist introspektiv und voller Selbstzweifel. Das liegt Gregory Peck natürlich, auf solche Rollen ist er abonniert. Wenn er unsicher ist, zum Beispiel schönen Frauen wie der Schwester Wellingtons gegenüber, dann produziert er dieses unnachahmliche Räuspern, das im englischen Text als Ha - h'm wiedergegeben wird. Das Ha - h'm kriegt Gregory Peck wunderbar hin. Er ist ein perfekter englischer Marineoffizier. Nicht perfekt ist wieder einmal Hollywoods Kostümabteilung. Nicht nur, dass ein Post-Captain niemals eine solche Uniform hatte wie Gregory Peck, auch die Leutnants der Royal Navy hatten niemals solche Uniformen wie Robert Beatty links auf dem Bild.

Horatio Hornblower Fans werden den Hinweis nicht brauchen, aber für alle anderen möchte ich nicht verheimlichen, dass es eine Horatio Hornblower Biographie gibt. The Life and Times of Horatio Hornblower heißt das Buch von C. Northcote Parkinson, in meiner Penguin Ausgabe dreihundert Seiten stark (mit zahlreichen Illustrationen). Parkinson ist berühmt geworden durch das Buch Parkinson's Law, dem noch zahlreiche ähnliche, ebenso komische Bücher folgen sollten. Das Gesetz, dass sich Beamtenstellen im umgekehrten Verhältnis zu ihrer wirklichen Bedeutung vermehren, ist heute weltweit akzeptiert. Bis zu Parkinson's Law hatte sich Professor Parkinson mit seriöser Forschung und der Geschichte der Seefahrt beschäftigt, aber der Erfolg der nicht so wissenschaftlichen Bücher veranlasste ihn, seinem satirischen Talent etwas mehr nachzugeben. Und so schrieb er 1970 diese sorgfältig recherchierte Biographie. Auf der Basis neu gefundener Dokumente. Wenn man nicht genau wüsste, dass es Horatio Hornblower niemals gegeben hat und er nur eine Romanfigur von C.S. Forester ist, würde man nach der Lektüre von Parkinson überzeugt sein, hier eine bedeutende Biographie eines bedeutenden englischen Admirals gelesen zu haben. 

Und das ist die literarische Kunst von Parkinson, eine literarische Figur in einer anscheinend völlig ernsthaften und hervorragend recherchierten Biographie (mit eindrucksvollem Bildmaterial) zu einem neuen Leben zu erwecken. Jeder Leser, der in den Romanen von C.S. Forester den Weg Hornblowers vom Midshipman zum Admiral verfolgt hat, wird für diese Biographie dankbar sein. Beim Autor Parkinson bewirkten die Vorarbeiten und die Recherche zu diesem Buch noch etwas anderes. Er stellte sich die Frage, warum er nicht selbst solche Romane schreibe. Dafür ist Parkinson mit seiner militärischen Karriere ja besser qualifiziert gewesen als Patrick O'Brian, der niemals zur See gefahren ist. Und so wurde auf dem Schreibtisch von Parkinson der englische Marineoffizier Robert Delancey geboren, der in mehreren Romanen die englische Tradition von literarischen Seehelden fortsetzt. Vielleicht nimmt sich noch mal ein Autor dieses kleine freche Früchtchen namens Augustus Brine (oben) als Helden eines Romans. Vierzig Jahre nachdem ➱John Singleton Copley den Midshipman Brine gemalt hat, hat er es auch endlich zum Admiral gebracht.

Die Verfasser von Seeromanen aus der napoleonischen Zeit haben sich ein erstaunliches nautisches Wissen angelesen, und viele ihrer Leser haben es ihnen nachgetan. Wenn Sie alles über die Royal Navy wissen wollen, dann müssen Sie natürlich die 900 Seiten von N.A.M Rodgers The Command of the Sea lesen. Wenn Sie es etwas kürzer haben wollen, dann sind die 200 Seiten von David Davies' A Brief History of Fighting Ships das Beste, was Sie lesen können. Das habe ich, als ich über ➱Lord Nelson schrieb, schon einmal gesagt (wie ich gerade dank des neuen Google Gadgets auf meiner Seite herausgefunden habe), aber ich wiederhole mich da gerne. Ha - h'm.

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