Samstag, 25. Juni 2011

Kurt Hoffmann


Als der deutsche Regisseur Kurt Hoffmann heute vor zehn Jahren starb, war er neunzig Jahre alt, und man hatte ihn schon beinahe vergessen. Seinen letzten Film hatte er zwanzig Jahre zuvor gedreht. Der hieß Der Kapitän, und Heinz Rühmann spielte darin die Hauptrolle. Heinz Rühmann hatte auch die Hauptrolle in den ersten Filmen von Hoffmann dreißig Jahre zuvor gespielt, in Paradies der Junggesellen und Quax der Bruchpilot. Rühmann spielte auch in den beiden Curt Goetz Verfilmungen Dr. med Hiob Prätorius und Hokuspokus - oder: Wie lasse ich meinen Mann verschwinden die Hauptrolle, beides waren Remakes. Bei Hokusposkus im Jahre 1953 hatte Curt Goetz noch selbst die Hauptrolle in dem Stück gespielt, das er selbst geschrieben hatte. Der Film war natürlich viel besser, weil Heinz Rühmann niemals an den Mann herankommt, der die wunderbaren Memoiren des Peterhans von Binningen geschrieben hat. Angeblich hatte sich die Witwe von Curt Goetz Heinz Rühmann als Hauptdarsteller gewünscht. Das Remake von Hokuspokus war nur wegen des coolen Designs und wegen Lieselotte Pulver erträglich.

Was wäre Kurt Hofmann ohne Lieselotte Pulver gewesen? Oder Lieselotte Pulver ohne Kurt Hoffmann? Neunmal haben sie zusammen gearbeitet: Heute heiratet mein Mann (1956), Die Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (1957), diese ganze Spessart-Trilogie und dann die beiden Curt Goetz Verfilmungen Dr. med. Hiob Prätorius (1964) und Hokuspokus - oder: Wie lasse ich meinen Mann verschwinden (1965). Ich denke of an Piroschka wollen wir natürlich nicht vergessen.

Kurt Hoffmann ist der deutsche Film der fünfziger Jahre. Vielleicht noch die netteste Sorte. Während Frankreich und England mit ihren Filmproduktionen an ihre große Zeit vor dem Krieg anknüpfen können, bleibt uns das verwehrt. Wir haben die Elite der Filmschaffenden aus Deutschland gejagt. Die dann das Niveau von Hollywood gehoben haben. Und weil sich keiner mehr die Finger verbrennen will, geht man bei Filmproduktionen auf Nummer Sicher. Sprich, auf die unterste Stufe des Geschmacks. Heimatfilme (die schlimmerweise häufig noch Remakes von Naziproduktionen sind). Muss man dazu etwas sagen? Müsste man eigentlich, tue ich vielleicht noch mal. Und dann Musikfilme, Peter Alexander und Caterina Valente. Also all das, was die öffentlich-rechtlichen Sender am Sonntag in der Mittagszeit senden, wo außer Ommas und Schwerkranken keiner guckt.

In dem Augenblick, in dem das Amt Blank (das ja offiziell Dienststelle des Bevollmächtigten des Bundeskanzlers für die mit der Vermehrung der alliierten Truppen zusammenhängenden Fragen heißt) seine Arbeit beginnt, häufen sich bei uns die Kriegsfilme. Und dann haben wir eines Tages Der Stern von Afrika und Hunde, wollt ihr ewig leben? Alles ein klein wenig kritisch, damit es noch als Anti-Kriegsfilm durchgehen kann. Das ist ein interessantes Phänomen, und eigentlich will ich seit Jahren einmal darüber schreiben, vielleicht kriege ich das in diesem neuen Medium ja noch mal hin.

An diesem Punkt haben wir natürlich unsere Vergangenheitsbewältigung verpasst. Kritische Nachkriegsfilme wie Wolfgang Staudtes Die Mörder sind unter uns gab es zwar, und irgendjemand hat einmal den schönen Terminus Trümmerfilm dafür geprägt. Es gibt da sicherlich ein halbes Dutzend in den ersten fünf Jahren nach Kriegsende. Wobei vieles auch problematisch ist (ich meine jetzt nicht Hildegard Knef in Die Sünderin). Wenn Wolfgang Liebeneiner Liebe 47 nach Borcherts Draußen vor der Tür dreht, hat man da schon vergessen, dass der Mann ein nicht so kleines Rädchen in Goebbels Maschinerie war?

Aber das lassen wir jetzt mal alles beiseite, wir wollen vergessen, das Wirtschaftswunder kündet sich an. Und was gibt es da Besseres als Lustspiele? Werfen wir doch mal eben einen Blick auf die Filme von Kurt Hoffmann in den fünfziger Jahren: 1951: Fanfaren der Liebe - 1951: Königin einer Nacht - 1952: Klettermaxe - 1952: Wochenend im Paradies - 1953: Musik bei Nacht - 1953: Hokuspokus - 1953: Moselfahrt aus Liebeskummer - 1954: Der Raub der Sabinerinnen - 1954: Das fliegende Klassenzimmer - 1954: Feuerwerk - 1955: Drei Männer im Schnee - 1955: Ich denke oft an Piroschka - 1956: Heute heiratet mein Mann - 1956: Salzburger Geschichten - 1957: Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull - 1957: Das Wirtshaus im Spessart - 1958: Wir Wunderkinder - 1959: Der Engel, der seine Harfe versetzte - 1959: Das schöne Abenteuer - 1960: Lampenfieber - 1960: Das Spukschloß im Spessart.

Schlimm? Nicht so schlimm wie die Filme von Hans Deppe. Damit meine ich nicht den hervorragend photographierten Schimmelreiter, sondern Filme wie Grün ist die Heide und Wenn der weiße Flieder wieder blüht. Denn das muss man Kurt Hoffmann lassen, er ist ein hervorragender Handwerker. Und einen Film wie Drei Männer im Schnee kann man sich auch nach einem halben Jahrhundert wieder anschauen. Der Evangelische Film-Beobachter urteilte da 1955: Heiteres Lustspiel nach Kästners Erzählung vom reichen Mann, der sich sein menschliches Herz bewahrt hat. Ob seiner natürlichen Frische als nette Unterhaltung ab 14 gerne zu empfehlen. Nicht so nett verfuhr Joe Hembus mit seiner Generalabrechnung Der deutsche Film kann gar nicht besser sein, ein wunderbares Pamphlet, eine unverfroren gehässige Bestandsaufnahme des deutschen Nachkriegsfilms. Gibt es bei Amazon Marketplace ab 3,69 €, lohnt sich unbedingt.

Reclams Lexikon des Deutschen Films von 1995 geht etwas netter mit dem Regisseur um, wenn es resümiert: Alles in allem ist Hoffmann nach Erich Engel Deutschlands bedeutsamster Lustspiel- und Komödienspezialist, besonders im Zeitraum von 1945 bis zum Ende der sechziger Jahre. Das würde ich ja gerne unterschreiben, wenn man da nicht die Namen verwechselt hätte: der Mann heißt Erich Engels und nicht Erich Engel! Und außerdem hat er ja auch noch Wir Wunderkinder und Das Haus in der Karpfengasse gedreht, Filme, die man durchaus ernst nehmen kann. Im letzten Jahr hat das Deutsche Filminstitut den Regisseur mit dem Buch Der Mann mit der leichten Hand: Kurt Hoffmann und seine Filme gewürdigt. Wurde auch Zeit.

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