Vor zwei Jahren habe ich hier über den kanadischen Professor Jack Chambers geschrieben, der neben seinem Universitätsleben ein zweites Leben hat, in dem er Jazzkritiker ist. Da war gerade sein neuestes Buch Bouncin' with Bartok: The Incomplete Works of Richard Twardzik erschienen. Inzwischen habe ich das natürlich gelesen. Und da Jack mir gerade in der Weihnachts E-Mail geschrieben hat: Your blog attracts readers because you have breadth and depth, erinnerte ich mich wieder an das Buch und an die Musik von Dick Twardzik. Und dachte mir, ich mache mal ein klein wenig Werbung für sein Buch.
Richard "Dick" Twardzik ist 1955 mit 24 Jahren an einer Überdosis Heroin gestorben, er galt vielen als eine der größten Begabungen des Jazz. Genies sterben immer jung, Keats ist nur wenig älter geworden. Dick Twardzik kam aus Boston, er spielte Piano. Das hatte er sogar richtig studiert, und das merkt man auch an den wenigen Aufnahmen, die es von ihm gibt. Viele Jazzpianisten setzen sich einfach nur so in einer Kneipe ans Klavier, oder spielen jahrelang in einem Freudenhaus in New Orleans. Oder studieren zuvor Tiermedizin und Zoologie wie Dave Brubeck. Dessen Mutter war Pianistin, hatte sogar bei der berühmten Dame Myra Hess in England studiert. Aber Dave wollte kein Musiker werden, das Klavierspielen hatte ihm seine Mutter beigebracht. Doch dann ist er doch eines Tages natürlich auf der Musikhochschule gelandet. Wo man ihn kurz vor dem Examen beinahe wieder rausgeschmissen hätte. Keiner seiner Professoren hatte vorher bemerkt, dass dieser begabte Pianist keine Noten lesen konnte. Wenn Sie das nächste Mal Take Five hören, denken Sie dran: der Mann kann keine Noten lesen! Das Photo, das Carl van Vechten gemacht hat, ist natürlich sehr witzig. Wahrscheinlich würde Dave Brubeck den Hintergrund nicht lesen können.
Twardzik war in Boston mit berühmten Leuten aufgetreten: Charlie Parker, Charlie Mariano und Serge Chaloff. Dann nahm ihn Chet Baker nach Europa mit, dann das frühe Ende im Hotel Madeleine in Paris. Nach Paris zog es damals ja viele Jazzmusiker. Auch viele schwarze Jazzmusiker, die hier in Europa einen ganz anderen Status hatten, als in dem Amerika des Kommunistenfressers McCarthy. Die schön gemachten CDs der Jazz in Paris Edition von Gitanes geben etwas davon wieder. Noch mehr gibt natürlich der Film Round Midnight. Bertrand Taverniers Film spielt in dieser Zeit, es ist ein Film der mich zu Tränen rührte, als ich ihn das erste Mal sah. Unvergesslich, genau so wie die Beschreibung von P.J. Kavanagh in seiner Autobiographie The Perfect Stranger, wenn er nachts in Paris auf der Straße Charlie Parker trifft und mit ihm durch Paris wandert. Charlie Parker always filled me with a kind of despair, because he played the way I would have liked to write, and this wasn't possible for me or anyone else. He made poetry seem word-bound, hat Kavanagh einmal geschrieben. Und sein Dichterkollege Adrian Mitchell hat es in drei Versen noch kürzer gesagt: He breathed in air - He breathed out light - Charlie Parker was my delight.
Was wir von Twardzik an Aufnahmen haben, kann man in Minuten messen. Und doch ist sein Ruf als Pianist groß, ist über die Jahre zu einem Mythos geworden. Der frühe Tod und die Rarität der Aufnahmen haben sicher dazu beigetragen. Wenn man ihn nicht kennt, dann sollte man sich die CD Dick Twardzik Trio Complete Recordings kaufen. Danach wird man Keith Jarrett nicht mehr für einen so furchtbar originellen Pianisten halten. Das hier alles ist völlig originell und ungewohnt, manches erinnert an Charles Ives. Oder Louis Moreau Gottschalk, über den ich einmal eine interessante Radiosendung gehört habe. Glücklicherweise hat FH, der nicht nur alles über die russische Literatur weiß, sondern auch ein unerschöpfliches Musikarchiv zu haben scheint, mir den Radiomitschnitt auf Cassette geschenkt. Wenn Sie einen Eindruck von der Musik dieses Komponisten haben wollen, dann klicken Sie doch mal dies hier an.
Vieles, wie manche Klangcluster à la Rachmaninow, wird auch hochironisch konterkariert und zurückgenommen. Man wagt gar nicht daran zu denken, wohin sich Twardzik noch entwickelt hätte. Der Kanadier Jack Chambers war 18 Jahre alt, als er zum ersten Mal A Crutch for the Crub hörte, und dieser Titel (auch auf der oben erwähnten CD) hat ihn nicht mehr losgelassen. Gut, er hat noch etwas anderes in seinem Leben gemacht, er ist ein berühmter Linguistikprofessor geworden. Und nebenbei wie gesagt einer der berühmtesten kanadischen Jazzkritiker. Seine Biographie von Miles Davis ist längst ein Standardwerk. Und 2008 hat er dieses Buch veröffentlicht, dessen Entstehung in gewisser Weise 50 Jahre zurückliegt. Dies Buch ist mit großer Liebe und Wärme geschrieben, hierin stecken ein halbes Jahrhundert Begeisterung für den Jazz. Aber bestimmt auch Jahrzehnte von penibler Recherche, der Autor hat nendlich viele Familienmitglieder und Musiker interviewt. Die ist nicht der simple con amore criticism mit dem ein Musiker abgefeiert wird, dies ist seriöse Musikgeschichte, eine kleine Kulturgeschichte des Jazz der frühen fifties.
Bouncin' with Bartok: The Incomplete Works of Richard Twardzik ist ein Buch, wie man es sich für den Jazz wünscht und doch kaum findet. Und es ist hervorragend geschrieben, mit einer Leichtigkeit, die vergessen lässt, wie viel Arbeit darin steckt. Das muss man können, alles über einen Gegenstand zu wissen und mit einer Leichtigkeit (und keiner akademischen Schwerfälligkeit) dann darüber zu schreiben. Sprezzatura, hätte der Graf Baldassare Castiglione das genannt (etwas, worum ich mich immer bemühe). Dick Twardzik, der diese Leichtigkeit auf dem Klavier demonstrierte, hat mit diesem Buch einen kongenialen Interpreten gefunden.
Dick Twardzik gibt es inzwischen auf CD. Oder auch schon nicht mehr, die Complete Recordings, die ich habe, sind scheinbar vom Markt verschwunden (es gibt sie noch in MP3 Form). Aber Sie können sich auf YouTube mit einer schönen Sendung der ➱BBC einen ersten Eindruck verschaffen.
Und hier der Kommentar von einem Autosammler: Mein lieber Jay,
AntwortenLöschenDu weißt doch, dass ich einen der überaus seltenen Opel Rallye Kadett mein eigen nenne. Oder?
Deshalb was ich nicht gelesen oder überlesen habe:
Opel und seine Erfolge bei der "Monte"
(c)Opel
1964 zeigt Dieter Lambart im
Kadett sein Können
Bei der 1911 erstmals ausgetragenen "Original"-Rallye Monte Carlo konnten die Rüsselsheimer Sportfahrzeuge einst große Erfolge verbuchen. 1936 feierte eine vierköpfige Mannschaft auf Olympia den ersten Klassensieg für Opel: In der Kategorie der "Geschlossenen Fahrzeuge" belegte das Team den 1. Platz. Ab 1962 sorgte Opel mit dem neuen Kadett-Modell für manche Überraschung. Gegen stärkste internationale Konkurrenz in seiner Klasse setzte sich 1966 beispielsweise das Team Lambart/Vogt auf dem serienmäßigen 1,1 Liter-Kadett B Coupé durch. Ebenso erfolgreich errang der Stockholmer Lillebror Nasenius mit seinem Landsmann Brattberg auf einem Opel Rekord C 1,9 Liter in der Serientourenwagen-Kategorie 1.600 bis 2.500 ccm einen weiteren Sieg. Und die so eingeläutete Erfolgsserie setzt sich nahtlos fort. Bereits 1968 behaupteten sich die Serientourenwagen aus Rüsselsheim im Vergleich mit damals weitaus überlegenen Grand Tourismo-Fahrzeugen. Der Lohn: Mehrmals wurde Opel nach Porsche die zweitbeste deutsche Marke bei der "Monte".
Ich weiß nicht, wie das hierher geraten konnte. Es gehört natürlich zu dem Post "Monte Carlo or Bust" vom 21. Januar. Früher gab es hier mal ein kleines Mülleimersymbol mit dem man Kommentare löschen konnte. Alles perdu. Brave new world.
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