Freitag, 13. Januar 2012
Stephen Foster
In den ersten Klassen des Gymnasiums hatten wir einen amerikanischen Englischlehrer, das war im Bremen der fünfziger Jahre eine kleine Sensation. Mr Manally aus Ripon (Wisconsin) war durch einen Lehreraustausch zu uns gekommen, weil zuvor einer unserer Lehrer in Amerika gewesen war. In der Parallelklasse unterrichte Mr Manally Latein. Mit amerikanischer Aussprache, die waren für den Rest des Lebens versaut. Mr Manally, der rote und grüne Socken trug (manchmal auch eine rote und eine grüne Socke), war ein willkommener Farbtupfer in der sonst so grauen Lehrerwelt. Ich werde ihn nicht vergessen, weil er uns alle Lieder beigebracht hat, die Amerika so singt.
Und das, was Amerika auch heute noch an Liedern hat, stammt meistens aus der Feder von Stephen Foster. Der ist heute vor 148 Jahren gestorben, arm und krank. Hätte er die Tantiemen bekommen, die heute üblich sind, wäre er Multimillionär gewesen. So unterschiedliche Sänger wie ➱Bob Dylan und ➱Thomas Hampson haben ➱Hard Times Come Again No More gesungen. Viele seiner Lieder wie Old Folks at Home oder My Old Kentucky Home handeln vom Leben im Antebellum South, aber im Süden ist er nur einmal gewesen. Viele seiner ➱Songs sind im amerikanischen Bürgerkrieg gesungen worden, auf beiden Seiten der Front. Inzwischen gibt es auch schon ein Stephen Foster Musical, aber es hat ziemlich lange gedauert, bis es ein gutes Buch über Stephen Foster gab. Inzwischen ist das auf dem Markt: Ken Emerson: Doo Dah! Stephen Foster and the Rise of American Popular Culture (New York: Da Capo Press, 1998).
Als ich klein war, hatte ich auf dem Boden einen Plattenspieler gefunden, der noch aus der Vorkriegszeit stammte. Das war ein Teil wie auf dem Werbeplakat von His Master's Voice. Da musste man noch Nadeln in den Tonkopf hineinschrauben. Der Plattenspieler war kaputt, die Kurbel war gebrochen, aber Nadeln waren genug da. Wenn man die Platten in der Mitte mit dem Finger ganz schnell drehte, konnte man der Maschine Musik entlocken. Meine Lieblingsplatte war von Hans Albers: ➱Ich kam von Alabama. Ich habe sie so oft herumgenüdelt, bis ich den Text vollständig beherrschte. Ich kann ihn immer noch, lateinische Texte (bis auf den Anfang der ➱Aeneis) habe ich vergessen, Hans Albers nicht. Ich habe heute immer noch einen Plattenspieler, ein sauteures englisches Teil, da kostete der Tonarm vor zwanzig Jahren mehr als heute ein Plattenspieler kostet. Aber das Gerät ist heute schon Geschichte - obgleich es noch immer exzellent ist. Kann man auch Hans Albers drauf spielen, hat aber nicht dieses feeling von 1949 oben auf dem Boden mit dem kaputten Plattenspieler. Wir können uns alles neu kaufen, aber wir bekommen unsere Jugenderinnerungen nicht zurück.
Wenn ich Hans Albers Oh, Susanna schluchzen höre, kriege ich immer feuchte Augen. Und darauf ist das Lied natürlich auch berechnet. Denn es ist nichts als ein Stephen Foster Song - und Stephen Foster Songs treiben uns immer eine Träne ins Auge. Ob wir sie auf dem Dachboden hören oder eine ➱Opernsängerin sie im Radio singt. Was ich damals natürlich nicht wußte, war, dass der so mühselig der Platte abgelauschte Text von Ich kam von Alabama von keinem Geringeren als Carl ➱Zuckmayer war.
Mein Lieblingssong von Stephen Foster ist immer My old Kentucky Home gewesen, und ich bin sehr versucht, mich heute einmal kurz ans Klavier zu setzen. My old Kentucky Home ist auch die Staatshymne von Kentucky, allerdings in einer Version, die politically correct ist. Die darkies in Zeile zwei sind rausgestrichen. Natürlich nicht hier, hier gibt es mal eben die ➱originale Version:
The sun shines bright in the old Kentucky home,
'Tis summer, the darkies are gay,
The corn top's ripe and the meadow's in the bloom,
While the birds make music all the day.
The young folks roll on the little cabin floor,
All merry, all happy and bright:
By'n by Hard Times comes a knocking at the door,
Then my old Kentucky Home, good night!
Weep no more, my lady,
Oh! weep no more to-day!
We will sing one song for the old Kentucky Home,
For the old Kentucky Home far away.
Es ist erstaunlich, wer das Lied gesungen hat (die Johnny Cash Variante jetzt einmal ausgenommen), ich habe hier eine Seite gefunden, wo man in eine Vielzahl von Versionen hinein hören kann. ➱Al Jolson (der im ersten Tonfilm The Jazz Singer auftrat) singt hier eine besonders kitschige Version, ➱Kate Smith eine nette Jazzversion Und dann habe ich noch dies: and now one of the most emotional moments in sport, ein ehemaliger ➱Gouverneur von Kentucky singt es bei einem Basketball Spiel (natürlich die politically correct version). Stephen Foster Songs sind nicht totzukriegen.
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