Das haben wir noch nicht vergessen, dass der Spezialist für römische Geschichte Guido Westerwelle von der spätrömischen Dekadenz gesprochen hat. Der Guido, der hat seinen Edward Gibbon gelesen (wenn auch auf Deutsch, weil sein Englisch für das Original nicht ausreicht) und der kennt das Satyricon des Petronius, der ist für solche Sätze qualifiziert. Wie der Lateiner in solchen Fällen sagt: Si tacuisses, philosophus mansisses. Wir erinnern uns alle auch noch daran, was danach kam. War ein Festessen, sozusagen eine spätrömische Orgie, für die Kabarettisten. Schauen Sie doch einmal ➱hier hinein.
Er war (ebenso wie Lord Leighton, von dem diese Psyche stammt) der ideale Maler für die Doppelmoral der verklemmten Viktorianer. Er hat seinen Höhepunkt in einer Zeit, da Tischbeine verhüllt werden (weil sie Beine sind), aber die Prostitution floriert. Falls Sie ein wenig darüber wissen wollen, aber Statistiken langweilig finden, dann lesen Sie doch einmal The French Lieutenant's Woman von John Fowles. Man erfährt da viel über das London des 19. Jahrhunderts. Falls Sie noch mehr über das unerschöpfliche Thema Viktorianer & Sex wissen wollen, dann kann ich das Buch The Worm in the Bud: The World of Victorian Sexuality unbedingt empfehlen.
Die viktorianischen Maler malen natürlich keine nackten Frauen. So etwas überlässt man den Franzosen, alles, was mit dem unaussprechlichen Sex zu tun hat (no sex please, we are English), kommt aus Frankreich: die englische Bezeichnung für Präservative ist French letters. Nein, die viktorianischen Maler wie Alma-Tadema, ➱Sir Edward Poynter oder ➱Lord Leighton malen mythologische oder historische Szenen. Ritter, die an einen Baum gefesselte nackte Frauen befreien, wie es Sir John Everett Millais mit ➱The Knight Errant tut. Oder junge Damen, die einem antiken Bildhauer für eine Venus Modell stehen, wie auf diesem Bild von Alma-Tadema. Der Maler hatte die gerade ausgebuddelte Esquiline Venus (die hier im Bild hinter dem Palmengewächs steht) im Jahre 1875 in Rom gesehen. Was ihn natürlich berechtigt, dieses Bild zu malen. Weil das Publikum so etwas sehen will. Und man mit solchen Bildern richtig reich werden kann.
Nur die Kirche grummelt ein bisschen. So schreibt der Bischof von Carlisle: My mind has been considerably exercised this season by the exhibition of Alma-Tadema's nude Venus....[there might] be artistic reasons which justify such public exposure of the female form...In the case of the nude of an Old Masters, much allowance can be made, but for a living artist to exhibit a life-size, life-like, almost photographic representation of a beautiful naked woman strikes my inartistic mind as somewhat, if not very, mischievous.
Das Bild von der nackten Dame im Trepidarium war übrigens für die stolze Summe von 1.150 Pfund (damals sehr viel Geld) von der Firma Pears Soap gekauft worden. Die dann aber davor zurückschreckte, es für ihre Seifenwerbung zu verwenden. Pears war in den 1880er Jahren unter den Beschuss der Moralwächter geraten, weil ihre Werbung mit halbnackten kleinen Mädchen ein klein wenig nach kiddie porn aussah. impropriety heißt das Wort, das hier Verwendung findet. Das geht im Victorian Age natürlich gar nicht. Lewis Carroll, der liebend gerne kleine Mädchen photographierte, haben die kleinen Mädchen von Pears aber bestimmt gefallen.
Die moralischen Bedenken haben bei Pears nicht so lange vorgehalten, wenn man sich zum Beispiel dieses Werbeplakat anschaut. Was kann man dazu sagen? Honi soit qui mal y pense? Aber ein bisschen abgeschmackt ist es schon. Wenn Sie alles über das Thema viktorianische Nackedeis wissen wollen, kann ich den Katalog der Tate Gallery von Alison Smith: Exposed: The Victorian Nude nur empfehlen. Gibt es auch in Kurzfassung als Video. Nicht bei YouPorn, sondern bei YouTube, sie können es ➱hier sehen.
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