Freitag, 1. Dezember 2017

Notopfer Berlin


Sieht doch harmlos und unscheinbar aus, diese Briefmarke, die am 1. Dezember 1948 auf die Briefe musste. Eigentlich ist sie keine Briefmarke, sondern eine Steuermarke. Die Berliner Luftbrücke sollte damit finanziert werden, erzählte man uns. Das konnte man einsehen, aber diese blaue zwei Pfennig Marke blieb bis 1956, da gab es keine Luftbrücke mehr. Das ist so ähnlich wie die Sache mit der Sektsteuer. Die ja eingeführt wurde, um die Schlachtschiffe für Willem II zu finanzieren. Wir haben keine Schlachtschiffe mehr, aber die Sektsteuer gibt es immer noch. Und wofür ist der Soli noch mal da? Es gab Menschen, die brauchten diese kleinen hässlichen Marken nicht auf Briefe zu kleben. Der Postminister zum Beispiel. Der Staatsrechtler Theodor Eschenburg (der Bruder von Harald Eschenburg), der einen unfrankierten Brief vom Postminister erhielt, versuchte vergeblich, dem Briefträger zu erklären, dass dem so sei. Der Briefträger forderte Strafporto. Was mag Theodor Fontanes Freund wohl für den Brief gezahlt haben, in dem der letzte Satz lautete: Meine Briefmarken sind ausgestorben, ich kann deshalb nicht frankiren. Revanchire Dich. Dein Th: Fontane. Ich komme gleich noch einmal auf Fontane zurück, das hat mit dem 1. Dezember zu tun.

Die Einführung der kleinen blauen Marke löste in Berlin einen Postkrieg aus. Ein Postkrieg ist besser als ein richtiger Krieg, aber wir sind im Kalten Krieg, da ist auch ein Postkrieg schon gefährlich. Die blauen 2-Pfennig Marken sind für den Briefmarkensammler nichts wert. Es gibt welche, die angeblich 10.000 Euro wert sein können, aber die sind meistens gefälscht.

1951 sang Bully Buhlan:

Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin, 
deswegen muss ich nächstens wieder hin. 
Die Seligkeiten vergang’ner Zeiten 
sind alle noch in meinem kleinen Koffer drin. 
Ich hab’ noch einen Koffer in Berlin. 
Der bleibt auch dort und das hat seinen Sinn: 
Auf diese Weise lohnt sich die Reise, 
denn wenn ich Sehnsucht hab’, dann fahr ich wieder hin. 

Hildegard Knef und Marlene Dietrich haben das auch gesungen, Lieder über Berlin waren damals beliebt. Später kam dann noch Axel Springer mit seinem Slogan Macht das Tor auf. Berlin musste unterstützt werden. Überall in Westdeutschland kam man damals als Schüler für einen Fuffi eine Woche nach Berlin. Gut, da stand auch Plötzensee, das Ehrenmal in Treptow und ein staatsbürgerlicher Vortrag auf dem Programm, aber viel Zeit blieb für Kino, Oper und Museen. Und für das Bestaunen der Luxusschuhe in den Glaskästen auf der Straße vor einem Laden, der Budapester Schuhe hieß. Ich war mir nicht sicher, ob die auch unser Notopfer brauchten.

2012 stand hier am 1. Dezember der Post Ehebruch, 2015 war es Internetsucht. Beide Posts spielen in Berlin und handeln von der selben Sache und den selben Personen, nämlich von dem Amtsrichter Emil Hartwich, der nach einem Duell gestorben war. Er war der Liebhaber der Frau, die wir dank Theodor Fontane als Effi Briest kennen. Im letzten Jahr habe ich hier in dem Post Duell ein Gedicht von einer jungen Frau abgedruckt, die sich Raisa Goldflowing nennt. Das hat vielen Lesern gefallen, deshalb gibt es das heute hier noch einmal:

Effi von Briest,
Tochter der Luft.
Jugendlich, wild,
Midshipmans Kluft.

Plötzlich ganz anders,
Neue Zukunft in Sicht.
Verlobung, Hochzeit,
Nach Kessin bald Pflicht.

Verwirrend und neu,
Ja gruselig gar.
Neues Sein in Kessin
Ist wohl nun wahr.

Schrecklicher Spuk,
Nicht nur im Kopf.
Ostländisch, Chinese,
Mit schwarzem Schopf.

Dazu Langeweile,
Einsam wohl auch.
Instetten nie da,
Kaum mehr ein Hauch.

Crampas so heißt er,
Der Major selbst.
Zu dem du, ja Effi,
Dich dazugesellst.

Doch was verboten,
Das währt nicht ewig.
Die stetige Angst,
Keinesfalls selig.

Sechs Jahre lang,
Scheinbares Glück.
Bis mit einem Schlag,
Vergangenheit ist zurück.

Alles alte wieder,
Ganz neu aufgewühlt.
Jegliches Glück,
Wie fortgespült.

Nun, anderes Leben,
Wie einsam wohl,
Effi innerlich,
Fast schon hohl.

Immer schlechter,
Von Zeit zu Zeit,
Arme Effi Briest,
Voll Traurigkeit.

Ein Ende findet's,
Alles mit eins,
Zuhaus bei Eltern,
Ende so scheints.

Letztendlich ist's,
Ganz wie die Welt,
Wie Briest so sagt,
Ein zu weites Feld.

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