Dienstag, 7. April 2020

Wordsworth


Es wird in diesem Jahr nicht nur der 250. Geburtstag von Friedrich Hölderlin gefeiert, England feiert den 250. Geburtstag von William Wordsworth. Genauer gesagt, die Feiern in Grasmere wurden erstmal verschoben. Wegen Covid-19. Aber man will das nachholen, denn Wordsworth ist nach Shakespeare (über den Boris Johnson ja gerade angeblich ein Buch schreibt) wohl der berühmteste Dichter Englands. Seine Gedichte sind in die Schulbücher gewandert, und vielleicht mussten Sie ja wie ich das Gedicht mit den Daffodils auswendig lernen. William Wordsworth wollte nicht poet laureate werden, er hat die Position nur angenommen, weil ihm der Premierminister Robert Peel versicherte, dass er keinerlei Gelegenheitsgedichte schreiben müsste, you shall have nothing required of you. Hat er dann auch nicht getan. Er ist der einzige poet laureate Englands gewesen, der niemals ein Gedicht für offizielle Gelegenheiten verfasst hat.

Er war schon häufiger in diesem Blog und hat zwei Posts, die Touristen und Ostern heißen. Ich kenne mich in seinem Werk relativ gut aus, aber das autobiographische Monstergedicht The Prelude habe ich nie gelesen. Eher lese ich Melvilles Clarel zuende. Mein Gedicht für den heutigen Tag ist ein Sonnet, eine patriotische Lobeshymne auf sein Heimatland England aus einer Serie von Gedichten, die Dedicated to National Independence and Liberty sind. So etwas können die Engländer zur Zeit gut gebrauchen. Ebenso wie Hölderlin war Wordsworth von den Idealen der Französischen Revolution begeistert gewesen, und er hatte seit 1790 Frankreich mehrfach besucht. Aber nach der Schreckensherrschaft erlosch diese Begeisterung. Das Gedicht Composed in the Valley near Dover, on the Day of Landing schreibt er 1802, als er gerade mit seiner Schwester Dorothy von einer Frankreichreise nach England zurückkommt:

Here, on our native soil, we breathe once more.
The cock that crows, the smoke that curls, that sound
Of bells; those boys who in yon meadow-ground
In white-sleeved shirts are playing; and the roar
 
Of the waves breaking on the chalky shore;--
All, all are English. Oft have I looked round
With joy in Kent's green vales; but never found
Myself so satisfied in heart before. 

Europe is yet in bonds; but let that pass,
Thought for another moment. Thou art free,
My Country! and 'tis joy enough and pride
For one hour's perfect bliss, to tread the grass 

Of England once again, and hear and see,
With such a dear Companion at my side.

Dorothy Wordsworth schreibt zwanzig Jahre später in ihrem Journal of a Tour of The Continent: When within a mile of Dover, saw crowds of people at a cricket-match, the numerous combatants dressed in ‘white-sleeved shirts’ and it was the very same field where, when we ‘trod the grass of England’ once again, twenty years ago we had seen an Assemblage of Youths engaged in the same sport, so very like the present that all might have been the same!

Das Nationalspiel Cricket (those boys who in yon meadow-ground In white-sleeved shirts are playing) darf in dem Gedicht nicht fehlen, genausowenig wie es in dem schönen Roman und dem schönen Film The Go-Between nicht fehlt. Weil es zu England gehört. Wie das Lord's Cricket Stadion, in dem sich hier gerade ein gewisser Boris Johnson herumflegelt. Er spielt manchmal Cricket, ist aber in dem Sport nicht so gut, wie es sein Vorgänger John Major war. Als der die Number Ten verlassen musste, sagte er in seiner Abschiedsbotschaft: I hope you will forgive me if I say no more this morning. I believe, as you know, I have an appointment with Her Majesty the Queen in a few moments to tender my resignation so that a new Government may then be formally appointed. I propose to see Her Majesty in just a few moments. The second reason I shall say no more now is that after that I hope that Norma and I will be able, with the children, to get to The Oval in time for lunch and for some cricket this afternoon. Und begab sich stracks zum Oval. Hat da bestimmt als Zuschauer nicht so flegelhaft ausgesehen wie Johnson. John Major, inzwischen Sir John, liebte diesen Sport, und er hat auch mal einen kleinen Vierzeiler gedichtet:

Oh, Lord, if I must die today,
Please make it after Close of Play.
For this, I know, if nothing more,
I will not go, without the score ...


Wir wollen mal hoffen, dass Boris Johnson seine Krankheit überlebt, aber der score für seine Regierungsarbeit, der wird bestimmt nicht gut ausfallen. Der Beginn der Cricketsaison ist übrigens erst einmal bis zum 28. Mai verschoben.

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