Mittwoch, 11. Januar 2023

Kriminalpolizei

Kriminalpolizei, sagte die Stimme am Telephon. Ich wusste, dass es nicht die Kripo war, die Telephonnummer war unterdrückt. Das hat seinen Grund, sagte der Mann, der sich als Kommissar Weber vorstellte, das machen wir aus ermittlungstaktischen Gründen. Sie können aber auch bei der Polizeidirektion anrufen. Das war nun ein geschickter Schachzug, um verunsicherte Leute zu beruhigen. Und dann erzählte er mir diese Geschichte, die ich glauben sollte. Dass man in meiner Nachbarschaft zwei Leute festgenommen hätte. Rumänen. Dies Detail ist immer gut, wir glauben ja gerne, dass die Rumänen immer kriminell sind. Zigeuner eben. Die beiden Rumänen würden jetzt von seinem Kollegen, dem Hauptkommissar Knauer, im Präsidium vernommen. Sie hätten einen Zettel dabei gehabt, auf dem stände, dass ich viele Wertsachen und Bargeld in der Wohnung hätte. In meinem Safe. Das müsse er jetzt alles genau wissen.

Das konnte ich mir vorstellen, dass er das gerne wissen wollte. Es war mir die ganze Zeit klar, dass dies kein echter Kommissar, sondern ein Kleinkrimineller war, ein Trickbetrüger. Man liest ja immer davon, man hat sie aber selten wirklich am Telephon. Er hatte seinen Text vorbereitet, so wie ein Schauspieler seinen Text vorbereitet, er wusste auf alles eine Antwort. Er hatte ein Drehbuch für das Ganze. Ich ließ ihn reden. Irgendwann wurde es mir zuviel, ich sagte ihm, dass er kein Kriminalkommissar, sondern ein Krimineller sei. Jetzt war er beleidigt. Wie können Sie es wagen, einen deutschen Kriminalkommissar zu beleidigen. Ich schicke Ihnen gleich mal eine Funkstreife vorbei. Ich sagte: Darauf warte ich gerne und legte auf.

Dann rief ich die richtige Polizei an und erzählte einer netten Beamtin die ganze Geschichte. Sie nahm das alles sorgfältig auf. Sie fragte mich, ob ich im Telephonbuch stände und riet mir, meinen Eintrag dort löschen zu lassen. Ich stehe seit fünfzig Jahren im Telephonbuch, das war früher etwas Seriöses. Heute offenbar nicht mehr. 

Aber der Abend war noch nicht zu Ende. Eine Stunde nach dem Telephonat mit der Polizei rief mich erneut ein Kriminalkommissar an. Diesmal nicht mit unterdrückter Nummer, sondern mit der Nummer 110. Die Polizei ruft niemals mit dieser Nummer an. Er hatte eine sonore Stimme und konnte sich wie ein gebildeter Mensch ausdrücken. Und er begann wieder mit der Geschichte mit der Nachbarschaft. Ich unterbrach ihn und fragte: Sind das die Rumänen, von denen mir ihr Kollege Weber von einer Stunde erzählt hat? Jetzt war er für einen Augenblick unsicher. Und dann sagte ich: Ihr Kleinkriminellen, ihr müsst mal eure Anrufe abstimmen. Er sagt Ja und legte auf.

Eine Woche später konnte ich in der Zeitung lesen, dass die Anrufe der Kriminellen, die sich als Polizisten ausgäben, stark zugenommen hätten. Zwei Wochen später kam ein Brief von der Staatsanwaltschaft, die mir mitteilte, dass man die Untersuchungen eingestellt hätte. Es erschien aussichtlos, da jemanden zu greifen, selten wird mal jemand von der Bande festgenommen.

Aber die Betrüger geben nie auf. Am letzten Sonntagabend war eine Frau am Apparat. Sie sagte, dass sie die Einsatzleiterin des 3. Polizeireviers sei. Sie war sehr energisch. Und sie erzählte auch wieder eine Geschichte, die sich gerade in der Nachbarschaft abgespielt hatte. Bei mir um die Ecke hätte man eine 86-jährige Dame überfallen. Aber bevor die angebliche Polizeibeamtin ihr Programm abspulen konnte, fragte ich sie, warum sie mit unterdrückter Nummer anriefe. Das liegt an unserer abhörsicheren Kryptoleitung, sagte sie. Ich hörte der energischen Einsatzleiterin noch ein wenig zu. Die Etablierung der Glaubwürdigkeit ist ja erst der Anfang der Geschichte, irgendwann wollen sie mit neuen Erzählungen an das Geld des Angerufenen. Ich beendete das Gespräch, indem ich sagte, dass zwischen ihr und den Randalierern von Silvester kein großer Unterschied sei. Ins Gefängnis gehörten sie alle. Jetzt war sie richtig beleidigt. Ich legte auf. Dann rief ich das 3. Polizeirevier an. Sie hatten keine Einsatzleiterin. Und keine abhörsichere Kryptoleitung. Mein Gott, hört das nie auf? sagte der Beamte am Telephon. Es hört offenbar nie auf. Die  Band Erste allgemeine Verunsicherung hatte schon recht, als sie Das Böse ist immer und überall sangen.

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