Dienstag, 17. Januar 2023

Sir Compton Mackenzie


Heute vor einhundertvierzig Jahren wurde der schottische Schriftsteller Compton Mackenzie geboren. Er hat unglaublich viele Bücher geschrieben, von denen Whisky Galore und The Monarch of the Glen vielleicht seine bekanntesten sind. Und er war einer der Gründer der Scottish Nationalist Party. Musikfreunde schätzten ihn als Gründer der Zeitschrift Gramophone, der er auch jahrzehntelang vorstand. Im Ersten Weltkrieg war Mackenzie Captain der Royal Marines und wurde Geheimdienstchef in der Ägäis. Seine Tätigkeit als Geheimagent wurde durchaus gewürdigt. Er bekam von Griechenland den Erlöser Orden, von den Franzosen die Ehrenlegion, von den Serben den Weißen Adlerorden und von England ein OBE. Mackenzie hat auch Spionageromane geschrieben, das haben ja viele Engländer getan, die im Geheimdienst tätig waren: John Buchan, Graham Greene, Ian Fleming und John le Carré, um nur einige zu nennen. Seine beiden zusammenhängenden Spionageromane Extremes Meet und The Three Couriers gehören zu den realistischen Spionageromanen.

Da ähnelt Mackenzie Somerset Maugham, der über seine Erfahrungen als Geheimdienstoffizier den Roman Ashenden, or, The British Agent schrieb. Ein Buch, das die Tätigkeit eines Agenten minutiös wiedergibt. Die häufig nur aus Langeweile besteht: Being no more than a tiny rivet in a vast and complicated machine, he never had the advantage of seeing a completed action. He was concerned with the beginning or the end of it, perhaps, or with some incident in the middle, but what his own doings led to he had seldom a chance of discovering. It was as unsatisfactory as those modern novels that give you a number of unrelated episodes and expect you by piecing them together to construct in your mind a connected narrative. Maugham gibt viel aus der Arbeit des Geheimdienstes preis, aber er wird nicht mit dem Official Secrets Act verfolgt, dafür sorgt sein Freund Winston Churchill, mit dem er Golf spielt. Mit dem Official Secrets Act wird es aber Compton Mackenzie zu tun bekommen.

Dies hier ist Captain Sir Mansfield Cumming, der erste englische Geheimdienstchef. Er pflegte alle Akten mit grüner Tinte mit dem Kürzel C abzuzeichnen, was seine Nachfolger übernahmen. Nur in den Romanen von Ian Fleming nicht, da heißt der Vorgesetzte von James Bond Sir Miles Messervy schlicht M. Und kann natürlich nur durch Bernard Lee dargestellt werden. Aber wenn die Geheimdienstchefs auch die Aura eines Gentlemans haben, sollen wir uns nicht täuschen lassen. Spionage ist ein schmutziges Geschäft, sagt man gemeinhin. Sie streitet sich mit der Prostitution um den Titel, das älteste Gewerbe der Welt zu sein. 

But there will always be espionage and there will always be counter espionage. Though conditions may have altered, though difficulties may be greater, when war is raging, there will always be secrets which one side jealously guards and which the other will use every means to discover; there will always be men who from malice or for money will betray their kith and kin and there will always be men, who, from love of adventure or a sense of duty, will risk a shameful death to secure information valuable to their country, hat Somerset Maugham geschrieben.

Dass der englische Geheimdienstchef nur einen Buchstaben trägt, wissen wir, seit Compton Mackenzie das in seinen Greek Memories enthüllt hat. Und auch den Namen von Cumming preisgegeben hat. Hat ihn in Old Bailey 1933 eine Menge Geld gekostet, dass er gegen den Official Secrets Act verstoßen hat. Der Verlag nahm das Buch vom Markt und ersetzte es durch eine zensierte Version. Erst 2011 veröffentlichte Biteback Books die originale Version des Textes. Mackenzie hatte nicht nur enthüllt, dass der Geheimdienstchef alles mit einem C unterschrieb, er enthüllte auch, dass es einen Secret Intelligence Service gab (den man heute als MI6 kennt). Alle Praktiken des Geheimdienstes und die Namen vieler Geheimdienstoffiziere fanden sich in diesem Buch. Der Prozeß gegen Mackenzie, der in camera und ohne Jury geführt wurde, hatte auch komische Seiten. Der Attorney General, Sir Thomas Inskip, der die Geheimhaltung von Captain Cumming verteidigen wollte, wußte nicht, dass Cumming schon lange nicht mehr Geheimdienstchef war. Und dass er seit zehn Jahren tot war.

Colonel Valentine Vivian, der Vizechef des SIS, warnte die Regierung: The keynote of this book is authenticity... It is hardly surprising, therefore, that the book should in effect consist of a tissue of secret documents, few in themselves having any literary or public interest, but being plainly inserted to prove that the writer had access to authentic secret information ... But the main effect of these documents is to lend to the non-documentary portion of the book, much of which is dangerous to the interests of the Secret Service in the present day, a well merited appearance of reliability, which must assure the whole book the earnest attention of foreign, and potentially hostile governments. Zusammenfassend sagt er: There is scarcely a page of Greek Memories which does not damage the foundation of secrecy upon which the Secret Service is built up. Vivian hat als Geheimdienstoffizier viele Verdienste, er hat allerdings auch George Orwell in Paris bespitzelt. Und Kim Philby angeworben, was sicher nicht so verdienstvoll war. In den vorangegangenen Bänden seiner Memoiren, Gallipoli Memories (1929) und First Athenian Memories (1931), hatte Mackenzie keine Geheimnisse preisgegeben, das hatte er sich für den Band Greek Memories aufgespart.

In seinem Roman Water on the Brain (1933) hat sich Mackenzie (hier ein Photo aus dem Ersten Weltkrieg), dafür gerächt, dass die Geheimdienste seine Memoiren verboten hatten. Zu denen ihm im übrigen Kollegen aus der Geheimdienstzeit geraten hatten. Jetzt greift er zur Farce, zur Satire und beschreibt ein Directorate of Extraordinary Intelligence, MQ 99(E), das nur ein Ziel hat: it stands to reason that if the Secret Service was no longer secret it would cease to be the secret serviceAfter all, we're not cabinet ministers. We can't afford to talk. In diesem Roman empfiehlt der Geheimdienstchef seinen Mitarbeitern, das Wort spy nicht zu verwenden: I say, don't use that word, if you don't mind, when you're talking about our own people. We only use it for foreign agents. It may not seem to you important, but it's just these little things that make the wheels of the show go round smoothly. There's always a slight stigma attached to that word.

Der Geheimdienst muss in dem Roman seinen Sitz Pomona Lodge im Norden Londons aufgeben, ein ehemaliger Agent wrote a novel called 'The Foreign Agent' which might have smashed up the whole of the Secret Service. Und über diesen ehemaligen Agenten, der jetzt Romane schreibt, wird noch gesagt: He did what was almost as bad. . . He wrote what he honestly thought was a completely misleading picture of the Secret Service as it really is. The consequence is that any foreign agent who reads Chancellor’s novel knows perfectly well now what the British Secret Service is not, and to know what it is not is half-way to knowing what it is. Und Mackenzie setzt noch eins drauf: Pomona Lodge is now an asylum for the servants of bureaucracy who have been driven mad in the service of their country. Viele Leser mochten diesen Roman, der Herzog von Westminster wird sagen, Water on the Brain sei the only realistic book about secret service he had read.

Dass die Spione in Compton Mackenzies Roman in der Irrenanstalt landen, ist ein schöner Gedanke. Vielleicht ist die amerikanische NSA Zentrale Fort Meade, die man Crypto City nennt, ja nichts anderes als Mackenzies Pomona Lodge. Eine Heimat für paranoide Computer Nerds. Was wird aus all den Spionen? Also außer denen, die Spionageromane schreiben oder whistleblower werden? Oder wie Kim Philby und Guy Burgess den Rest ihres Lebens in Moskau verbringen. Oder denen der Adelstitel von der Königin entzogen wird, wie dem Herrn rechts auf dem Photo. Die Amerikaner haben zwei Dutzend Geheimdienste, man fragt sich, womit die sich beschäftigen. Wissen die, dass ihr Präsident geheime Unterlagen in der Garage aufbewahrt?

Graham Greene läßt in seinem Roman The Ministry of Fear eine Romanfigur sagen: It sounds like a thriller, doesn't it, but the thrillers are like life – more like life than you are, this lawn, your sandwiches, that pine. You used to laugh at the books Miss Savage read — about spies, and murders, and violence, and wild motor-car chases, but, dear, that's real life ... The world has been remade by William Le Queux. Der Name Le Queux ist heute nicht mehr so geläufig, er war einer der ersten, der uns Spionageromane und Thriller servierte. Also das, was uns jeden Abend im Fernsehen serviert wird, wenn wir nicht die stinklangweiligen Nordic Noir Serien sehen wollen. 

Wir können Compton Mackenzie (hier als Rektor der Universität von Glasgow) dankbar sein, dass er noch andere Dinge im Kopf hatte als William Le Queux, dass er uns die Zeitschrift Gramophone und Whisky Galore und The Monarch of the Glen geschenkt hat. Sein Biograph Gavin Wallace hat über ihn gesagt: Although Mackenzie's output of novels (including delightful books for children), essays, criticism, history, biography, autobiography, and travel writing was prolific - a total of 113 published titles - it can truly be said that if he had never written a word he would still have been a celebrity. He had a personality as exhibitory and colourful as his writing, and remained throughout his life a gregarious man with a brilliant sense of comedy. Flamboyant, a raconteur and mimic, he was no less memorable as the formidable scourge of politicians, bureaucrats, and governments, and the passionate defender of the ostracized, the shunned, and the wronged.

Ich habe natürlich alles gelesen, was mit Mackenzie und der Welt des Geheimdienstes zusmmenhängt. Ich habe sogar die erste deutsche Dissertation über Mackenzie, Die Bedeutung des Abenteuers bei Compton Mackenzie von Agnes Habermann, aus dem Jahre 1932 gelesen. Das habe ich getan, weil ich vor einem halben Jahrhundert ein Buch über den englischen Spionageroman geschrieben habe. Wenn Sie davon eine kurze Kurzfassung lesen wollen, dann lesen Sie den Post Secret Agents. Über die Welt der Geheimdienste steht auch einiges in diesem Blog, zum Beispiel in dem Post Aufklärung. Dort findet sich auch die Geschichte, dass mich der BND anwerben wollte und welche Erfahrungen ich mit dem Miltärischen Abschirmdienst machte. Die waren genau so komisch wie Mackenzies Roman Water on the Brain.

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