Mittwoch, 15. Februar 2023

Elke Heidenreich


Elke Heidenreich wird heute achtzig, dazu möchte ich ihr herzlich gratulieren. Das erste, das ich von ihr las, waren die Geschichten von der Metzgersfrau Else Stratmann, die sie berühmt machten. Später ist sie Literaturkritikerin geworden und hat sich viele Feinde gemacht. Zum Beispiel Denis Scheck, der sie eine alte Schachtel nannte und über sie sagte: Ich sehe sie auch nicht als Kollegin, weil sie eben keine Literaturkritikerin ist. Bei ihr ist Literatur ein Mittel gegen seelische Blessuren. Für mich ist Literatur nicht dazu da, um uns über unsere Seelenwehwehchen hinwegzutrösten. Ich glaube, dass Literatur uns Menschen sehr viel geben kann, aber sie darf nicht reduziert werden auf dieses therapeutische Faktum, da verlieren wir die ästhetische Dimension aus den Augen. Aber es ist Platz für beide Sendungen. Wir gehen in die Welt und Frau Heidenreich eben in ihr Herz – und von dort aus gibt sie Lesetipps. 

Den Denis Scheck mag Elke Heidenreich nicht so sehr. Als er den Roman Ein alter Traum von Liebe von Nuala O'Faolain, den sie gerade in der Sendung Lesen! gelobt hatte, wenige Tage später verriss, hat sie ihn in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung als hysterisches Rolltreppendickerchen und Tchibo-Literatur-Vertreter bezeichnet. Mein Freund Hannes Hansen hat Scheck in seinem Blog als beckmessernden Besserwisser, der die Rollen von Scharfrichter, Scherzkeks und Literaturkritiker auf Hartz IV-Niveau mühelos in sich vereint bezeichnet. Ist auch nicht schlecht. Ich muss dazu sagen, dass Denis Scheck bei mir einen Post hat, in dem man lesen kann: Ich kannte Denis Scheck schon lange, bevor dieser putzige kleine Kerl im Fernsehen berühmt wurde. Immer korrekt im Anzug, in dem Punkt ist er so ähnlich wie Götz Alsmann. Ich kannte Denis Scheck, weil ich das Buch King Kong, Spock & Drella besaß und es allen Studenten zum Kauf empfahl. Das Buch hatte den Untertitel Ein amerikanisches TriviaLexikon und war in den Tagen vor Computer & Google das beste Nachschlagewerk für die amerikanische Alltagskultur. Ich mochte ihn auch, weil er sich für Padgett Powells Roman Edisto eingesetzt hat, das taten außer Harry Rowohlt, der den Roman übersetzte, nur wenige.

Als Elke Heidenreich noch über Else Stratmann schrieb (oder Else Stratmann war) und die Leserinnen der Brigitte mit ihren Kolumnen erfreute, legt sie auch manchmal im NDR morgens Platten auf. Sie mag Musik, das kann man ihrem Buch Ein Traum von Musik. 46 Liebeserklärungen entnehmen. Und sie wusste früher als jeder andere, dass Hannes Wader im privaten Kreis manchmal Schubert sang. Das hat damals keiner geglaubt. Aber dann kam An Dich hab ich gedacht 1997 auf den Markt, Lieder aus der Schönen Müllerin und aus der Winterreise. Kein Klavier, aber dass das zur Gitarre geht, hatten ja schon Peter Schreier und Konrad Ragossnig vorgemacht. Ich wollte, er hätte Die schöne Müllerin ganz gesungen. Man merkt zwar leichte stimmliche Defizite, aber es hat große Momente. Vielleicht ist es so, wie Schubert seine Lieder gesungen haben wollte, als er seinen Freunden sagte: Kommt heute Abend zum Schober, ich will euch einen Kranz schauriger Lieder vorsingen. Wir hören mal eben hier in Des Baches Wiegenlied hinein.

Elke Heidenreich war im Radio, sie war im Fernsehen, sie war Kolumnistin und ist Schriftstellerin. Vielleicht ist sie auch eine Literaturkritikerin, auch wenn Denis Scheck nicht dieser Meinung ist. Ich finde nicht alles gut, was sie über Literatur und den Literaturbetrieb sagt, aber sie ist mir lieber als Thea Dorn. Es ist viel Kohlenpott Comedy in ihr, das macht ihre Omnipräsenz erträglich. Irgendwie ist sie ja überall, auch wenn sie beim ZDF rausgeflogen ist. Ich habe sie letztens in der NDR Talkshow gesehen, und da gab es dann noch den fünf Jahre alten Film Elke Helene Heidenreich geborene Riegert: Fast ein Selbstportrait dazu. Ist beides noch in der Mediathek. Eine ihrer letzten Publikationen war Männer in Kamelhaarmänteln: Kurze Geschichten über Kleider und Leute, das Buch habe ich mir gekauft, weil ich mal einen Kamelhaarmantel besaß. Genaugenommen war es ein Lamamantel, der natürlich längst in diesen Blog gewandert ist. Es ist ein witziges autobiographisches Buch, nicht ganz auf dem Niveau von Meine Kleider von Alfred Kantorowicz, aber doch witzig. Es sagt uns über die Autorin mehr als der Fragebogen der FAZ. Obwohl es sehr lesenswert ist, wird es offenbar schon verramscht, meine Hardcover Ausgabe hat mich keine vier Euro gekostet. Aber das macht nichts, weil Elke Heidenreich gesagt hat, dass ihr Geld nichts bedeutet. Wenn man so etwas sagen kann, dann ist man glücklich.

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