Sonntag, 26. Februar 2023

Falkland


Sie werden Anthony Cary nicht kennen. Aber der schottische Adelige hat noch einen anderen Namen, und den kennen wir alle. Er ist nämlich der vierte Viscount Falkland. Ein Titel, der für seinen Vorfahren Sir Henry Cary (hier auf dem Bild eines unbekannten Malers) im Jahre 1620 geschaffen wurde. Das schöne Bild hängt in Hardwick Hall, ein Schloss, das, wie alle Touristen wissen, immer den Zusatz more glass than wall bekommt. Die Viscounts Falkland haben ihren Namen nach dem Falkland Palace, der einmal der Sitz des schottischen Königs James II war. Unser Anthony Cary hat reich geheiratet und kauft sich den Posten eines Treasurer of the Navy für fünfzehntausend Pfund Sterling. Er wird dann noch Commissioner of the Admiralty und First Lord of the Admiralty werden. Der Sekretär der Admiralität Samuel Pepys hat keine gute Meinung von ihm. 1793 wandert unser Viscount für drei Tage in den Tower, man wirft im Unterschlagung vor. Kurz danach stirbt er mit achtunddreißig Jahren an den Pocken.

Ich brauche aus der Vergangenheit noch einen weithin unbekannten Namen, und das ist der Kapitän John Strong. Der ist im Januar 1690 der erste Engländer auf einer unbekannten Insel, deren Anwohner er so beschreibt: The inhabitants were exceedingly numerous. The pengwins gave us the first reception ... mustered in infinit numbers they seemed to salute us with graceful bows ... expressing their curiosity and good breeding. Nichts als Penguine auf der Insel. Unser Kapitän gibt der Meeresenge zwischen den beiden Inseln zur Ehre seines Vorgesetzten, des First Lord of the Admiralty, (dem auch ein Anteil an Strongs Kaperschiff gehört) den Namen Falklandsund. Und irgendwann nennt man deshalb die Inseln Falklandinseln: Their present English name was, probably, given them (1689) by Strong, whose journal, yet unprinted, may be found in the Museum. This name was adopted by Halley, and has, from that time, I believe, been received into our maps, sagt Dr Samuel Johnson 1770 in seinen Thoughts on the late Transactions Respecting the Falkland Islands.

Die Argentinier haben andere Namen für die Inseln. Französische Robbenjäger benannten die Inseln im 18. Jahrhundert nach der Hafenstadt St Malo Les Isles Malouines, woraus die Spanier die Malvinas machten. Über die Jahrhunderte haben Spanien, Frankreich, Argentinien und England immer wieder Ansprüche auf die Inseln gestellt; aber 1833, als Kapitän John James Onslow die Ansprüche des Empire geltend gemacht hat, war das Siedlungsprojekt von Luis Elias Vernet aus Hamburg gescheitert. Danach ist die Insel kontinuierlich von Briten besiedelt worden. Heute sind die Bewohner zu 94 Prozent britisch oder haben britische Vorfahren. 

1982 beschloss Maggie Thatcher, dass man mit einem Krieg klären müsste, wem die Pinguine und die Schafe auf den Falklandinseln gehörten. Sie schickte eine Task Force, zu der auch dieser junge Marineleutnant gehörte. Er wurde ein Kriegsheld, hat aber heute einen schlechten Ruf. Die Engländer haben in dem Krieg, der nie offiziell erklärt wurde, auch eine kleine Flotte verloren. Wie so etwas aussieht, wussten die Deutschen, die 1914 hier eine ganze Flotte unter Admiral Graf Spee verloren. Die Engländer verloren auch vierundzwanzig Hubschrauber, aber unser Hubschrauberpilot Prince Andrew blieb unverletzt. 

Die Engländer waren froh, dass sie die Portugiesen auf ihrer Seite hatten hatten. Seit Portugal und England 1386 im Schloss Windsor den Vertrag von Windsor schlossen, gibt es eine Allianz (Aliança Luso-Britânica) zwischen den Ländern. Es ist die älteste politische Allianz der Welt, eine Allianz, die nie gebrochen wurde. Und auf diese Allianz konnte sich Portugal (das auch mal eine Engländerin als Königin hatte) verlassen, als Napoleon vor der Tür stand und das Königshaus nach Brasilien floh. Und jetzt im Falkland Krieg hatte Portugal natürlich die Azoren als Basis zur Verfügung gestellt, damit die Limeys ihre Flugzeuge auftanken konnten. Sonst wären die nicht bis zu den Schafsinseln gekommen.

Der Dichter Jorge Luis Borges hat über den Krieg gesagt: The Falklands thing was a fight between two bald men over a comb. Und er hat die kleine Geschichte Juan Lopez and John Ward geschrieben, die manche Litraturwissenschaftler als ein Gedicht bezeichnen:

They lived in a strange age.
The planet had been partitioned into different countries, each armed with loyalties, cherished memories, and an unquestionably heroic past; with laws, grievances, and their own peculiar mythologies; with bronze busts of great men, anniversaries, demagogues, and symbols. This division, the labor of cartographers, was good for starting wars.
Lopez was born in the city by the motionless river; Ward, in the outskirts of the city once walked by Father Brown. He had studied Spanish in order to read Don Quixote.
The other professed a love of Conrad, who had been revealed to him in a classroom on Viamonte Avenue.
They might have been friends, but they only saw each other once, face-to-face, somewhere down in those too-famous islands, and each of them was Cain, each Abel.
They were buried together, decayed in the snow. These events took place in an age we cannot understand.

In dem Post Thatcher, den ich schrieb, als die whiskysaufende Eiserne Lady beerdigt wurde, habe ich ein Gedicht von P.J. Kavanagh zitiert, das Falklands, 1982 heißt. Es scheint nichts mit dem Krieg zu tun zu haben, es ist ein sehr stilles Gedicht. Kavanagh weiß, wie ein Krieg aussieht, der junge Leutnant Kavanagh war im Koreakrieg und wurde damals verwundet. Ich war 1982 in Tirol, wo der Falkland Krieg, der jenseits der schneebedeckten Berge, weit am anderen Ende der Welt, gerade begonnen hatte, niemanden interessierte. Dass der Harti Weirather aus Reutte Skiweltmeister geworden war, das interessierte hier jeden. Wenn der Krieg weit genug weg ist, berührt er uns nicht, wie Goethe im Faust schreibt: 

Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen 
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, 
Wenn hinten, weit, in der Türkei, 
Die Völker aufeinander schlagen. 
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus 
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten; 
Dann kehrt man abends froh nach Haus. 

Während die englische Sensationspresse sich mit Schlagzeilen überschlug, wurden auch andere Stimmen zitiert, die von coolness und indifference sprachen: It is wonderful with what coolness and indifference the greater part of mankind see war commenced. Those that hear of it at a distance, or read of it in books, but have never presented its evils to their minds, consider it as little more than a splendid game. Allerdings war dieses Zitat schon über zweihundert Jahre alt. Dr Johnson hatte 1770 diese Formulierung gebraucht, als er über den Falklandkonflikt ziwschen Spanien und England schrieb. Das, was 1982 geschah, war kein splendid game. Der blutige Krieg sicherte Thatcher die Macht. Und die Dire Straits sangen: We're fools to make war On our brothers in arms. Der Krieg hat die Engländer Milliarden gekostet, es kostet sie heute noch Millionen, um ihre Militärmacht auf den Inseln aufrechtzuhalten. Die Namensgeber der Inseln, die Viscounts Falkland, gibt es heute immer noch, sie waren allerdings nie auf den Inseln, die ihren Namen tragen.

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