Samstag, 11. November 2023

was Fettes am Arm


Der Händler, der diese ZentRa Safari im Internet anbot, hatte dazugeschrieben: Da hat man was Fettes am Arm. Die Uhr stammt aus den siebziger Jahren, und offenbar musste man damals was Fettes am Arm haben. Vielleicht war auch der Designer Gérald Genta daran schuld, der für Luxusfirmen unglaublich hässliche Uhren entwarf. Zum Beispiel die Patek Nautilus, über die gibt es in dem Post Die letzte Omega schon eine kleine Geschichte. Auch Luigi Colani hat Uhren entworfen, aber das lassen wir lieber weg. Beim Namen Colani ist die Marineuniform wichtiger als der Designer.

Die ZentRa Safari Uhren sahen immer etwas anders aus, manche waren sogar Swiss Made. Meine Lieblingsuhr habe ich schon in dem Post mal ganz persönlich abgebildet. Diese hier habe ich letztens bei kleinanzeigen für vierzig Euro gekauft. Als sie ankam, staunte ich nicht schlecht, die Uhr mit dem auffälligen blauen Sekundenzeiger war nach über fünfzig Jahren wie neu. Unglaublich. Der ganze bauchige Gehäuseboden der Uhr ist voll beschriftet, weil die Uhr ein spezielles wasserdichtes Gehäuse (Duopac DBGM) hat. Das Werk ist, ähnlich wie bei der Certina DS, mit einem Gummiring vom Gehäuse entkoppelt. Die Uhr kommt auch noch aus meiner Heimatstadt, die Bremer Helma Uhrenfabrik von Oskar Steinbiss hat sie hergestellt. In ZentRa Uhren war immer ein bisschen Bremen, denn einer der Gründer der Firma war der Bremer Ernst Dohrmann (der seine Uhren unter dem Namen EDO verkaufte) gewesen. Das Metallband ist nicht mehr dran, ich habe ihr ein schönes braunes Lederband spendiert.

Die Anzeigenwerbung von ZentRa war zuerst bürgerlich zurückhaltend, zeigte einen Herrn im Maßanzug mit dem Titel: Er kann es sich nicht leisten, eine Allerweltsuhr zu tragen: Er leistet sich eine ZentRa. Aber mit der Safari wurde das anders, da rang ein Mann im Dinner Jacket mit einem kleinen Alligator. Dazu gab des den Text: Die berühmte ZentRa-Safari: Hart im Nehmen. Jeder Lage gewachsen. Absolut wasserdicht. Kondenswasserfrei. Schweizer Präzisionswerk. Das mit dem schweizer Präzisionswerk stimmt nicht ganz, von meinen vier Safaris haben zwei ein Automatikwerk der Pforzheimer Uhrenwerke.

Der ZentRa Mann kämpfte nicht nur mit einem kleinen Krokodil, er kämpfte auch mit großen Schlangen. Er tauchte damals sogar im Werbefernsehen auf. Manche der Safaris hatten den Triton Poseidons auf dem Zifferblatt (warum eigentlich?), manche hatten dieses Zeichen nicht. Es gab bei ZentRa mal eine Linie von wasserdichten Uhren, die ZentRa Neptun hieß. Da machte der Triton auf den Zifferblatt ja Sinn. Der Firma ZentRa, dem Konkurrenzunternehmen der Dugena, ging es in diesen Jahren gut, man schätzt ihren Jahresumsatz auf fünfundsechzig Millionen Mark.

Die modischen Verirrungen der siebziger Jahre mit den großen Uhren liefen damals an mir vorbei, ich trug weiterhin meine Tissot Seastar. Aber als ich anfing, Uhren zu sammeln, da kaufte ich von Zeit zu Zeit solch ein Monster. Vor dreißig Jahren waren sie billig, heute haben die Sammler sie leider entdeckt, und sie kosten schon richtiges Geld. Die ZentRa Safari war preislich ein Glücksfall. Ich hatte mal solch eine Eternamatic 2002 wie diese hier, die hatte mir der Barnie für 85 Euro verkauft. Aber das war mir mit dem breiten Stahlband doch ein bisschen zuviel Fernsehschirm am Arm. Ich habe sie ihm nach einem Jahr zurückverkauft. Für fünfundachtzig Euro, obwohl wir bei wussten, dass dieses Modell preislich inzwischen bei knapp tausend Euro lag. Zwischen uns gibt es nur Freundchaftspreise. Sonst hätte ich die Super KonTiki wohl nicht gekriegt.

Dies hier ist eine beinahe vier Zentimeter große Catorex. Produkt einer Firma, die als einzige in der Schweiz in der siebten Generation inhabergeführt ist. Die Firma heißt Cattin, sie hatte 1858 mit billigen Stiftankerwerken angefangen, heute strebt sie ins Luxussegment. In der Catorex mit dem dunkelblauen Zifferblatt werkelt ein ETA 2738 mit Schnellschaltung für das Datum und einem Sekundenstop. Das Werk findet man in vielen überdimensionierten Uhren der frühen siebziger Jahre. Auch in ZentRa Safaris.

In dieser Uhr der Firma Eterna ist noch ein Manufakturwerk, das Kaliber 1488K. Das übrigens die Basis für all die ETA Automatikwerke ist, die heute in der Schweiz verbaut werden. Auch die Werke, die in der Tudor, der Zweitlinie von Rolex, sind. Dies Modell hat den Namen Eternamatic 1000 Concept 80; in einer Anzeige im Spiegel konnte man 1970 dazu lesen: In Gehäuse und Zifferblatt verkörpert concept 80 die Linie der Zukunft. 

In einer amerikanischen Anzeige (Eternas Direktor Dr Rudolf Schild-Comtesse hatte dafür gesorgt, dass die Firma in ganz Amerika präsent war) konnte man lesen: Sculptured to match tomorrow. Concept 80 the world's most advanced watch out of the future into the present. Concept 80, futuristic in design here is true progress, incorporating elegance of case and dial with the most advanced precision-perfect self-wind ball bearing movement. In einer anderen Anzeige konnte man lesen: He is not only “in”, the one who attacks barricades, smokes marijuana or takes LSD. Modern is he who follows closely the steps of progress, and all progress has its foundations in tradition. In either case, with the “Concept 80” you are “in”. With its case and dial, “Concept 80″ personifies the line of the future. With its movement, the famous self-winding Eterna Matic on ball bearings, recognised world-wide, offers you safety and exemplary precision. Wie gut, dass wir kein Marihuana oder LSD brauchen, wenn wir eine Concept 80 Uhr haben. Wir sind im Jahre 1967, die achtziger Jahre sind noch weit weg. Sie bedeuten auch keine wirkliche Zukunft. Die Quarzkrise steht vor der Tür, und in den achtiger Jahren wird die Eterna an die Swatch Group verkauft. Diese Anzeige hier ist der Schwanengesang der Grenchener Uhrenfirma.

Dass die Uhren plötzlich kleinen Fernsehschirmen und großen Enteneiern ähnelten, kam wie eine Seuche. Wahrscheinlich dachte sich die schweizer Uhrenindustrie in der Quarzkrise, dass man die japanische Konkurrenz nur mit einem neuartigen Design bekämpfen konnte. Diese Dugena Geneve ist so breit, dass sie ein 24 mm Armband braucht, normale Uhren kommen mit einem 18er Armband aus. Praktisch ist sie nicht, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen, ich habe nämlich eine. Ein talking piece ist sie auf jeden Fall.

In Anzeigen warb die Dugena damals damit, dass sie für die Linie Dugena Genève ein eigenes Atelier in Genf hätte. Die meisten Dugena Geneve Uhren trugen ein Swiss Made auf dem Zifferblatt, aber nie den accent grave auf dem zweiten E. Wo die Dugena produzieren ließ, ist häufig nicht zu bestimmen. Ob es wirklich ein Atelier in Genf gab, das weiß ich nicht. Aber es stand auf jeden Fall in der Werbung, die auch im Spiegel geschaltet wurde: Unser Genfer Atelier präsentiert: Dugena Genève Vive l'élégance! Neu und faszinierend : die Collection Nouvelle von Dugena. Der anspruchsvolle Name Genève bürgt für das exquisite Niveau jeder dieser meisterhaften Créationen. Dugena-Genève - aus der Stadt exclusiver Elégance - orientiert sich an den hohen Genfer Qualitätsmaßstäben

Die Produktion von Dugena war erstaunlich vielseitig. Ich habe im Internet eine Seite des Dugena Vintage Sammler Club gefunden, da gibt es auf 225 Seiten tausende von Dugena Uhren. Und an anderer Stelle gibt es auf 250 Seiten die Rubrik Zeigt her Eure Uhren im 70er Jahre Design! Das ist ein Museum der Alltagskultur der sechziger und siebziger Jahre, eine Spiegelung des Wirtschaftswunderlandes. Das muss man enfach mal gesehen haben. Wahrscheinlich werden Sie Ihre alte Dugena (denn eine Dugena hatte ja jeder mal) da auch wiederfinden. Immer wieder werden jetzt auch Frauen mit sportlichen Uhren beworben. Auf dieser Anzeige haben wir einen etwas doppeldeutigen Text: Weil sie so gut zueinander passen, weil einer die ideale Ergänzung des anderen ist. Weil sie es zeigen wollen: Der neue Weg im Uhren-Styling Dugena Monza. Da sind jetzt Werbefachleute am Werk. Vive l'élégance.

Es ist die große Zeit der Dugena gewesen, 1967 hatte die Einkaufsgenossenschaft in Deutschland beinahe zweitausend Mitglieder. Die Dugena war aus der schweizer Genossenschaft Alpina hervorgegangen. Das spiegelt sich noch im Namen, Dugena steht für Deutsche Uhrmachergenossenschaft Alpina. Ihr Firmensitz war Eisenach, aber 1948 ging man in den Westen. Nach Darmstadt. Der neue Direktor der Firma wurde Willi Tempel, er war kein Uhrmacher, er war Werbefachmann. Er wollte bezahlbare Qualitätsuhren im modernen Design, und das setzte er durch. Einer der großen Erfolge war die Dugena Monza.

Das Wort Uhren-Styling taucht hier zum erstenmal in der Werbung auf, Styling ist wichtig geworden. Dugenas Werbung nahm Lonnie Donegans Puttin' on the Style ernst und produzierte Werbelyrik wie:  Weil in Monza Männer neue Maßstäbe setzen, nennen wir unsere Uhr Monza. Von den besten schweizer Designern gestaltet, männlich und sportlich in der Optik, kühn und extravagant in der Linie. Das ist Styling. Die Monza war Dugenas Antwort auf Tissots Sportuhr PR 516. Aber wenn wir ehrlich sind, haben beinahe alle Uhren, die neu und modern sein wollen, ein ähnliches Design. Certinas Versuch ins Stylische zu gehen, konnte mit Eternas Cincept 80 Linie nicht mithalten, aber sie hatten ihre Linie Certina Club 2000.

Die Monza war ein Erfolg, man verkaufte in einem halben Jahr 15.000 Monza Uhren. Das stand natürlich gleich in einer Werbeanzeige: Monza brach den Verkaufsrekord. Ob die Träger einer Dugena Monza einen DKW Monza oder einn Opel Monza fuhren, das weiß ich nicht. Dugena hatte inzwischen auch Chronographen im Programm, die witzig und ironisch mit ohne das wäre ich eine ganz normale Uhr beworben werden. Oder machomäßig, wie es sich für Chronos und Taucheruhren gehört: Dugena ein Stück Persönlichkeit.

Die hier muss ich noch mal eben abbilden, die liegt bei mir auch in der Schublade, in der all die Uhren der siebziger Jahre aufbewahrt werden. Was man auf diesem Photo nicht sehen kann, ist das in vier Rippen changierende Zifferblatt (geheimnisvoll grünlich und dunkelgrau), das die Glieder des Stahlbands wiederholt. Das war bei der Patek Nautilus auch so ähnlich. Auf der Seite Uhrerbe: Deutschen Uhrenmuseum kann man lesen: Kultiger Zeitzeuge der 70-er Jahre mit sehr interessanter Gehäuseform und außergewöhnlichem Zifferblatt. Das ist das Mindeste, das man über diese Uhr sagen kann. Ich mag sie besonders, weil es mir in tagelanger Arbeit gelungen ist, ein defektes Glied aus dem Edelstahlband durch ein passendes Glied aus einem anderen Armband zu ersetzen. All die Uhren in der Schublade, an der unsichtbar ein Etikett Sondersammelgebiet klebt, sind da nicht eingesperrt. Sie werden immer wieder mal für einen Tag heraugeholt und getragen. Im Augenblick schreibe ich mit dem kultigen Zeitzeugen mit sehr interessanter Gehäuseform am Arm.

Ich habe vor vielen Jahren in dem britischen Magazine Arena (das ich abonniert hatte) einen Artikel über einen Uhrensammler gelesen, der nur siebziger Jahre Uhren sammelte. Ich hatte das zuerst nur beim Umblättern überflogen, aber als ich es genauer las, erfuhr ich, dass der mir unbekannte Sammler Millionär war. Und all die abgebildeten Scheußlichkeiten nicht auf dem Flohmarkt zu finden waren, sondern nur bei ganz teuren Juwelieren. Auf diesem Heft von Arena kann man lesen: Britain's fastest growing Men's Magazine, aber das stimmt nicht mehr. Das interessante Magazin hat schon lange sein Erscheinen eingestellt. Das Magazin FHM, das niemals das Niveau von Arena erreichte, gibt es auch nicht mehr. Einzelne Hefte erreichen noch Sammlerpreise. Zum Beispiel das, in dem die noch etwas pummelige Catherine Zeta Jones ihren ersten Auftritt hatte.

Kaum hatte ich diesen Post so gut wie fertig, da sah ich bei ebay diese 39 mm große ZentRa Savoy. Ich weiß nicht, ob das einfach nur potthässlich oder gerade noch extravagant ist. Eine ZentRa Savoy besitze ich zwar schon, aber das war keine Automatik wie diese hier. Die Savoy Linie war immer Swiss Made und hatte meistens Uhrwerke von Hamilton, die 1966 die Uhrenfabrik Büren gekauft hatten. Und sich mehr und mehr in die Schweiz verlagerten. Sie gehören heute zur Swatch Group. In dieser Uhr tickt allerdings ein ETA Werk. Der Rückerzeiger steht noch in der Mitte, das ist immer ein gutes Zeichen. Die Uhr scheint ein Produkt der Firma Nivada in Grenchen zu sein. Denn auf dem Gehäuseboden findet sich die Bezeichnung Compensamatic, die die Firma Nivada für ihre wasserdichten Uhren verwendete. Klingt großartig, ist aber ziemlich einfach. Ein Gummiring auf dem Werkhaltering wird auf einen Gummiring im Gehäuseboden gepresst, fertig ist das Ganze.

Mit wasserdichten Uhren kannte sich Nivada aus. Admiral Richard E. Byrd und sein Team trugen bei der Operation Deep Freeze eine Nivada am Arm. Und die Firma (die in Amerika durch Croton vertreten wurde) brachte sofort das Modell Antarctic auf den Markt. Ähnlich wie Eterna Thor Heyerdahls Erfolg mit der Eterna KonTiki vermarktet. Diese Anzeige aus der Antarctic Werbung wurde übrigens in Batistas Kuba verboten, weil man glaubte, darauf Fidel Castro oder Che Guevara zu erkennen. Dabei wissen wir, dass Che keine Nivada, sondern eine Rolex getragen hat. Die er wahrscheinlich bei Cuervo y Sobrinos in Havanna gekauft hatte. Fidel Castro hatte übrigens auch eine Rolex. Rolex Uhren scheinen in Havana mal unheimlich preiswert gewesen sein. Mir hat ein Antiquitätenhänder mal erzählt, dass er in Havanna ganz billig eine alte Rolex gekauft hatte, sie in der Jeanstasche getragen hatte und dann zu Hause die Jeans in die Waschmaschine geworfen hatte. Es war wenig von dem kubanischen Sonderangebot übrig.

Ich hatte die extravagante ZentRa (die ich hier ein wenig farblich verändert habe) kaum auf meiner Beobachtungsliste, da bekam ich vom Verkäufer ein Sonderangebot mit einem ziemlichen Rabatt. Das brachte mich nun ein wenig in Verlegenheit, denn eigentlich wollte ich sie gar nicht kaufen. Aber ein klein wenig fasziniert war ich von der Uhr doch, solch eine Uhr habe ich noch nie gehabt. Ich machte dem Händler einen Gegenvorschlag, der noch niedriger als sein Preis war. Das wird er nicht annehmen, dachte ich mir. Er nahm den Gegenvorschlag an. Wahrscheinlich war er froh, sie endlich los zu sein, und hatte er auf einen Spinner wie mich gewartet. Ich habe das Gehäuse poliert und das Glass ist (dank Barnie) wieder wie neu. Aber jetzt ist Schluss mit den siebziger Jahren Zeitmessern. Ist auch kein Platz mehr in der Schublade.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen