Am 30 Juni 2006, einen Tag bevor die Tour de France begann, wurde Jan Ullrich und einigen anderen Fahrern mitgeteilt, dass sie nicht mitradeln dürften. Den Doktor Fuentes, um den es in diesem Dopingskandal ging, hatte man schon Ende Mai verhaftet. Von nun an ging es mit dem Olypiasieger und Tour de France Gewinner Ullrich bergab. Das westdeutsche Äquivalent zu Täve Schur war zu jemandem geworden, mit dem niemand etwas zu tun haben wollte. Der nett aussehende junge Mann trägt auf diesem Bild eine große Uhr. Es ist nicht irgendeine Armbanduhr, es ist ein Rattrapante Chrono Jan Ullrich Limited Edition. Die Uhr hat er sich nicht etwa gekauft, er macht dafür Reklame.
Und für den Markenbotschafter der Firma IWC hatte die Werbeagentur Wirz die Anzeige Die erste IWC für rasierte Beine entworfen: Ob Jan Ullrich, einer der Markenbotschafter der Schaffhauser Manufaktur für Luxusuhren, auch an der Tour de France eine IWC trägt, ist ungewiss. Sicher ist, dass es von IWC eine 'GST Chrono-Rattrapante Edition Jan Ullrich' gibt. Und auf eben diese bezieht sich eine Anzeige, die Wirz auf die Tour de France hin kreiert hat. Jetzt zu sehen in der 'SonntagsZeitung' und in der 'Welt am Sonntag'.
Die über Jahre laufende Werbung stand unter dem Motto IWC. Seit 1868. Und solange es noch Männer gibt. Es war eine Werbekampagne, die zwar ziemlich ironisch, aber doch ein klein wenig frauenfeindlich war: Damals war das noch möglich, heute ginge das nicht mehr: Unsere Kampagne provoziert. Das soll sie auch. Denn IWC-Uhren haben es verdient, dass sie auffallen. Nicht erst am Handgelenk. Irgendwann schaffte es jemand, mit einem schon genial zu nennenden Fake die ganze Kampagne lächerlich zu machen. Da stand dann auf dem Plakat neben einer IWC Uhr: Fast so schön wie eine Frau. Tickt aber richtig.
Wirz war mit seiner Werbung, die mit der Anzeige Der Uhr begann, meilenweit von dieser zurückhaltenden IWC Werbung der sechziger Jahre entfernt. Aber im Jahre 2005 verabschiedete sich die Firma Wirz nach 1.000 Anzeigen von der IWC: Nach mehr als 1.000 Anzeigen in der internationalen Presse und 3 bei der Schweizerischen Lauterkeitskommission, nach 5 Umsatzplusjahren für den Kunden, 12 Kreativpreisen für die Agentur und 3 Effies für beide zusammen, verabschiedet sich Wirz Werbung von IWC mit einer ganzseitigen Anzeige in der 'Neuen Zürcher Zeitung' vom 18. März. Die Abschiedsanzeige hatte den Titel Jetzt sind wir unser Macho-Image los.
Ihre Kampage sei niemals frauenfeindlich, aber immer männerfreundlich gemeint gewesen. Trotzdem landeten sie mehrfach vor der Lauterkeitskomission. Am 30. Juni 2006, als der Dopingskandal aufflog, werden sie glücklich gewesen sein, nichts mehr mit der Uhrenfirma aus Schaffhausen zu tun gehabt zu haben, für für die sie die Anzeige mit den rasierten Beinen gemacht hatten. Die IWC wechselte zu Jung von Matt, und die machten so etwas Witziges wie das ✺hier, war garantíert nicht frauenfeindlich.
Es ist ein Problem mit den Werbeträgern, wenn sie plötzlich keine Werbeträger mehr sind, weil man sich für sie schämt. Adidas hat das mit Kanye West erfahren. In einem Werbetext schrieb die IWC damals: For both Ullrich and IWC, time and precision are success factors on the way to the top. Both the man and the watch are based on intricate precision mechanisms at the highest level, designed by experienced engineers, who invest their entire know-how in the development of sophisticated systems. Das sind Sätze, die sich nach dem Dopingskandal heute etwas anders lesen.
Man kann in der Werbung viel falsch machen. Vor allem mit Frauen in der Werbung. Das ist bei Uhren nicht anders als bei der Werbung für Automobile. Dies hier geht natürlich gar nicht. Die linke Anzeige hatte als Text: Elegance is good taste plus a dash of daring!, die rechte: Like whiskey and a beautiful woman, timepieces demand appreciation, you gaze first then indulge! Die amerikanische Firma Mariner hat sich inzwischen für die Anzeigen mit dem SadoMaso Touch entschuldigt.
Dr Rudolf Schild-Comtesse, der Enkel des Gründers der Grenchener Uhrenfirma Eterna, wollte in den sechziger Jahren eine moderne, außergewöhnliche Werbung für sein Modell KonTiki haben. Er verpflichtete den Schweízer Photographen Hanspeter Mühlemann, und der lieferte ihm Bilder wie dieses. Das in der Schweiz damals als skandalös empfunden wurde: Reklame für eine schweizerische Uhr in Verbindung mit einer zweifelhaften Weibsperson, dazu in einer obszönen Stellung, wirkt sicher nicht kauffreudig auf potentielle Käufer ihrer Marke. Oder: Glauben Sie wirklich, mit dieser verlebten Katze für Ihre schöne Uhr Reklame machen zu können??? Ich nicht! Trotz der großen Aufregung stieg der Verkauf an. Das war bei der Wirz Kampagne für die IWC nicht anders gewesen.
Natürlich gibt es Markenbotschafter, die man weltweit akzeptiert, auch wenn die gar keine Markenbotschafter sein wollen. Die Firma Omega hatte im Jahre 1955 mit einem Bild des schwedischen Königs geworbent, der auf seine Omega guckt. Punktlighet är kungars artighet, stand dabei. Hat der Hof durchgehen lassen, um zu zeigen, wie volkstümlich man ist. Die Werbestrategie von Dr Schild-Comtesse zielte auf die ganze Welt, nicht auf spießige Schweizer, die sich über die nackten Beine der blonden Francine aus Zug aufregten. Aber über Brigitte Bardot mit ihrem Schmollmund hat sich niemand in der Schweiz aufgeregt.
Dies hier war eine Anzeige, über die sich niemand aufregen konnte: Gina Lollobrigida wählt 'Golden Heart'. Als gefeierter Star pflegt Gina Lollobrigida sorgfältig ihren persönlichen Stil auch in der Uhr . Sie wählte Eterna Matic 'Golden Heart', die kleinste automatische Uhr der Welt. Eine Schwingmasse aus echtem Gold spendet diesem Wunderwerk Kraft und Leben. Eterna-Matic - die wirklich moderne Uhr für die zeitgemässe Frau - zieht sich beim Tragen selber auf und vereint zauberhaften Charme mit der vorbildlichen Präzision einer automatischen Herrenuhr.
Die Anzeige mit Gina Lollobrigida war für auf den amerikanischen Markt bestimmt, wo Eterna schon vorher werbemäßig aktiv gewesen war. Interessant ist diese Anzeige aus dem Jahre 1942, die den Titel Eterna the watchword for women in uniform hat, ein kleines Wortspiel mit dem watch (Uhr) und dem militärischen watchword (Parole). Eine junge Frau in Uniform, gezeichnet in einem Stil, für den später Fritz Willis und Joe de Mers berühmt werden. Und dieser hübschen Blondine, die das Zeug hat, das eine Frau jetzt braucht (she has what it takes), muss der Mann unbedingt eine Eterna schenken, damit sie ihren Beitrag zur Landesverteidigung leisten kann.
In einer anderen Eterna Anzeige stand 1944: There is a limited quantity of these truly feminine watches at selected jewelers, since the majority of Eterna watches are reserved for the armed forces. Das war ein Argument, das sich auch in den Anzeigen der amerikanischen Firmen findet, die während des Krieges keine Uhren für den privaten Gebrauch lieferten. Weil sie nur Uhren für die Streitkräfte herstellten. Und Bombenzünder. Die amerikanische Firma Gruen, die ihre Uhrwerke von Aegler in der Schweiz bezog, konnte offenbar noch Uhren liefern. Sie warb 1944 mit einer Anzeige, die eine junge Dame in Uniform zeigte. Die hatte den Titel For a minute I was home and it was Christmas Day! und war ziemlicher Technicolor Kitsch.
Der Rattrapante Chrono Jan Ullrich Limited Edition trägt im Gehäuseboden die Unterschrift von Jan Ullrich. Sind die Besitzer dieser Uhr damit glücklich? Oder haben sie sich längst den Namen wegschleifen lassen? Die IWC ist eine Firma, die sich immer vornehm gibt. Wenn Besitzer einer Uhr prominent sind, kann das zur Werbung beitragen. Oder auch nicht. Putin trägt übrigens seine IWC nicht mehr. Aber da gab es noch einen anderen IWC Träger, dem die Firma einen längeren Artikel in ihrer Hauszeitschrift Watch International widmete. Und ihm eine teure Armbanduhr schenkte. Der Mann hieß Horst Tappert, wir kennen ihn besser als Derrick. Wir assoziieren mit Derrick immer eine prollige goldene Rolex, aber in Wirklichkeit schwärmte Tappert für die IWC. Das hat er auch in einem Interview erzählt, das die Süddeutsche mit ihm führte:
Die goldene Uhr passt aber nicht in das Bild eines bescheidenen Beamten. Was ist das eigentlich für eine?
Derrick: Die beste, die es gibt, eine IWC. Ich habe drei davon.
Wie bitte, drei Stück? Wie ist das mit Ihrem Gehalt möglich?
Derrick: Mein Verdienst ist nicht so niedrig, wie Sie glauben. Ich bin Leiter der Mordkommission und verdiene weit über sechstausend Mark. Wenn ich also Lust auf eine Uhr habe, dann kann ich sie mir auch kaufen. Ich habe ja keine Frau zu ernähren, keine Kinder zu kleiden, und für mein Reihenhaus habe ich einen sehr günstigen Beamtenkredit bekommen.
Derrick: Die beste, die es gibt, eine IWC. Ich habe drei davon.
Wie bitte, drei Stück? Wie ist das mit Ihrem Gehalt möglich?
Derrick: Mein Verdienst ist nicht so niedrig, wie Sie glauben. Ich bin Leiter der Mordkommission und verdiene weit über sechstausend Mark. Wenn ich also Lust auf eine Uhr habe, dann kann ich sie mir auch kaufen. Ich habe ja keine Frau zu ernähren, keine Kinder zu kleiden, und für mein Reihenhaus habe ich einen sehr günstigen Beamtenkredit bekommen.
Beinahe ein Vierteljahrhundert geisterte Derrick über die Bildschirme. Ein in Biederkeit erstarrter Oberinspektor, eher häßlich als ansehnlich, löst in eher langatmiger als atemraubender Weise einen eher durchschaubaren als kniffligen Fall, wie der Spiegel schrieb. Dreiundzwanzig Jahre Derrick, und wir haben das nie gemerkt, dass er ein IWC Fan war. Doch der Georges Kern bei der IWC hat gewusst, dass Tappert 1986 bei der Vorstellung der neuen IWC da Vinci in Schaffhausen war und die Marke liebte. Deshalb musste er eine Uhr geschenkt bekommen, deshalb kam er in die Firmenzeitung. Aber eine spezielle Horst Tappert Edition hat es bei der IWC nie gegeben. Obgleich man die in Asien sicher gut verkaufen könnte, da gucken sie ja immer noch Derrick. Bei uns nicht mehr, weil das ZDF wegen Tapperts Zugehörigkeit zur Waffen SS die Derrick Sendungen aus dem Programm genommen hat. Ein anderer deutscher Kommissar war auch IWC Fan, und das haben wir nie gemerkt: Schimanski trug unter seiner berühmten Jacke immer IWC.
Jan Ullrich war vielleicht ein deutsches Äquivalent zu Täve Schur, denn geboren wurde er in Rostock und besuchte die Kinder- und Jugendsportschule.
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