Sonntag, 4. Juni 2023

Prittwitz


Wenn die Bundesregierung sich zu einer Klausurtagung zusammenfindet, dann tagt sie seit zwanzig Jahren im Schloss Neuhardenberg, einem schönen klassizistischen Schloss, das die Handschrift Karl Friedrich Schinkels verrät. Ursprünglich war da ein barockes Herrenhaus aus dem 18. Jahrhundert, und der Ort Neuhardenberg hieß Quilitz. Der erste Besitzer des Schlosses hat eine denkwürdige Karriere. O Vater! O König, O gnädiger Herr! schau, wie ich Dir jetzund mein Schicksal erklär, so beginnt das Gedicht, das der Premierleutnant Joachim Bernhard von Prittwitz 1758 an seinen König schreibt. Es ist ein Bittgedicht, der Leutnant braucht Geld. Wenn Sie das Gedicht ganz lesen wollen (es ist sehr lang), dann klicken Sie hier. Der König antwortet seinem Untergebenen auch in Versen: Wer dieses so artig in Verse gebracht, dem werden 500 Dukaten vermacht. – Ich bin Euer wohlaffectionirter König Friedrich.

Es bleibt nicht bei dem Geldgeschenk von fünfhundert Dukaten, fünf Jahre später erhält Joachim Bernhard von Prittwitz (der heute vor zweihundertdreißg Jahren starb) vom König das Gut Quilitz als Dotation. Der König hat einen Grund für diese Großzügigkeit, der Rittmeister von Prittwitz hat ihm in der Schlacht von Kunersdorf das Leben gerettet. Mit einer kleinen Schar von Ziethens Husaren haut er seinen König mit dem Säbel aus den sich andrängenden Kroaten heraus. Herr, darauf verlasse Er sich, daß ich Ihm das nie vergessen werde, sagt ihm der König. Dies ist eine Schlacht, die Friedrich verliert. Auf dem Rücken vom Prittwitz schrieb er mit Bleistift auf Papier an den Minister Finckenstein in Berlin: Alles ist verloren, retten Sie die königliche Familie, Adieu für immer

Alles über die Schlacht erfahren wir natürlich bei Theodor Fontane, der sie uns in den Wanderungen durch die Mark Brandenburg nacherzählt. Der König ist in seinem Bericht über die Schlacht etwas kürzer, aber Prittwitz bleibt nicht unerwähnt: le Roi se retira le dernier, et il aurait été pris par les ennemis, si M. de Prittwitz ne les eût attaqués avec cent hussards, pour lui donner le temps de repasser le défilé. Fontane wird noch in seinem Roman Vor dem Sturm (der hier einen langen Post hat) unseren Prittwitz erwähnen: in den Tagen, die dem Siebenjährigen Kriege unmittelbar folgten, lebten die Lestwitz und Prittwitz freundnachbarlich beieinander; Prittwitz, der bei Kunersdorf den König, Lestwitz, der bei Torgau das Vaterland gerettet hatte. Oder wie es damals in einem Kurrentausdruck des wenigstens sprachlich französierten Hofes hieß: 'Prittwitz a sauvé le roi, Lestwitz a sauvé l'état.' 

Prittwitz ist noch zum General aufgestiegen, er hat immer die Gunst seines Königs gehabt. Er verstand es, den König angenehm zu unterhalten: Je ne ris qu'avec Prittwitz, soll dieser gesagt haben. Friedrich ist auch zur Taufe von Prittwitz' erstem Sohn gekommen. Dieser Friedrich Wilhelm Bernhard von Prittwitz wird das Gut erben. Er wird zahlreiche Umbaumaßnahmen einleiten, die auch damit zu tun haben, dass bei einem Feuer der halbe Ort abbrennt. Der junge, noch unbekannte Architekt Schinkel wird die Pläne für die Neubauten von Kirche, Pfarrhaus und Schulhaus zeichnen. Er wird wenig später noch wiederkommen, um Größeres zu bauen.1810 hatte Friedrich Wilhelm Bernhard von Prittwitz das Gut Quilitz an den preußischen Staat verkauft, beziehungsweise es gegen die frühere Propstei Kasimir in Schlesien getauscht. Nach Schlesien zieht es ihn, da kommt die Familie Prittwitz her.

Im Jahr 1814 gab König Friedrich Wilhelm III den Ort und das Schloss Quilitz als königliche Dotation an den gerade in den Fürstenstand erhobenen Karl August Fürst von Hardenberg. Und Ort und Schloss erhielten den Namen Neu-Hardenberg. Und nun kommt Karl Friedrich Schinkel wieder zurück und baut das Schloss so um, wie wir es heute kennen. Schinkel hatte 1802 diese sehr eigenartige klassizistische Kirche entworfen, deren Innenausstattung er 1817 vollendet. 

Wenn man ein Schloss hat, dann will man auch einen Park haben. Der Fürst Hardenberg lässt das seinen Schwager machen, der sein ganzes Vermögen zur Anlage von Landschaftsgärten ausgegeben hat. Er ist niemand anderer als der Fürst Pückler. Der erstaunlicherweise in diesem Blog noch keinen Post hat, obwohl ich alle vier Bände der Briefe eines Verstorbenen gelesen habe. Der Fürst Pückler wird aber in den Post Regency und Harry Graf Kessler erwähnt, irgendwann schreibe ich mal über ihn. Pückler, der gerade in Muskau mit der Anlage seines Landschaftsgartens begonnen hat, gestaltet nach den Plänen von Peter Joseph Lenné den Park. Und er hat dabei einen richtigen Profi zur Seite, den Engländer John Adey Repton. Der ist der Sohn des berühmten Humphry Repton, der neben Capability Brown Englands bedeutendster Landschaftsarchitekt war.

Die Hardenbergs werden von den Nazis enteignet werden, die DDR bestätigt diese Enteignung. Sie tilgen 1949 auch den Ortsnamen Neuhardenberg, weil jetzt Junkerland in Bauernhand angesagt ist. Für die nächsten einundvierzig Jahre wird der Ort Marxwalde heißen. Auch Namen wie Thälmannfelde oder Engelshagen sollen im Gespräch gewesen sein. 1996 wurden Schloss und Gut der Familie Hardenberg rückübertragen, aber die verkaufen Schloss und Park ein Jahr später an den Deutschen Sparkassen- und Giroverband, die für das Anwesen eine Stiftung gründeten. Die wirbt heute mit Texten wie: Das Ensemble von Schloss Neuhardenberg bildet eine homogene architektonische Einheit. Die zurückhaltende Eleganz klassizistischer Gebäude harmoniert mit der Weite eines von der englischen Gartenkunst inspirierten Landschaftsparks. Die gastronomischen Einrichtungen, das Hotel und die Veranstaltungsräume sind einladende Refugien für Entspannung und qualitätvolle Unterhaltung. Da hat das Hotel Neuhardenberg einen Werbefuzzi rangelassen, ich weiß nicht, ob dieser Text dem alten Prittwitz gefallen hätte. Immerhin hatte die DDR seine Grabtafel in der Schinkelkirche hängenlassen, sodass es noch ein bisschen Erinnerung an die deutsche Geschichte gibt.

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