Das ist das Wort, das man nicht schreiben darf. Nicht sagen darf. In Amerika auf keinen Fall. Weil es das N-Wort ist. Mark Twain hat das nicht gewusst, dass er das N-Wort nicht gebrauchen darf. Der nennt doch einfach eine Romanfigur in Huckleberry Finn Nigger Jim. Zweihundertneunzehnmal kommt das Wort nigger in dem Roman vor. Hat ein Professor namens Alan Gribben nachgezählt. Und alles in einer Ausgabe des Verlags NewSouth Books in Montgomery (Alabama) gestrichen, die niggers und die injuns. Man habe die hurtful epithets durch less offensive words ersetzt, sagt der Verlag. Aus dem Wort nigger wurde das Wort slave. Der schwarze Schriftsteller Ishmael Reed schrieb im Wall Street Journal: Those who wish to ban the use of ethnic slurs in American literature don’t have the manpower to accomplish such a deed. The fact that Mark Twain has been singled out means those who are crusading against the author haven’t read much of American literature. Ernest Hemingway hat über den Roman, der nun wahrlich kein Kinderbuch ist, gesagt: All modern American literature comes from one book by Mark Twain called 'Huckleberry Finn'. If you read it you must stop where the Nigger Jim is stolen from the boys. That is the real end. The rest is just cheating. But it's the best book we've had. All American writing comes from that. There was nothing before. There has been nothing as good since.
An solch einem Buch pfuscht man nicht herum. Es gibt Grenzen für diese amerikanische Krankheit, die political correctness heißt. Was Thomas Bowdler vor zweihundert Jahren Shakespeare angetan hat, hat nie aufgehört. Wir lassen mal eben Huck Finn und seinen schwarzen Freund wo sie sind, ich komme gleich noch auf das Buch zurück. Ich habe hier einen Text vom Anfang der 1930er Jahre. Robert Gilbert, der König der Schlagertexte, hat unter dem Pseudonym David Weber den Text geschrieben. Die Musik ist von Hanns Eisler und gesungen hat die Ballade vom Nigger Jim niemand anderer als ✺Ernst Busch:
Als Nigger Jim aus dem Urwald kam
Und sich ein Trambahn-Ticket nahm
//: Zwischen Harlem und Manhattan ://
Da brüllten die Herren: Hinaus mit dir,
Was willst du schmutziger Nigger hier
//: Bei unsern weißen Manschetten?! ://
Und sie packten ihn beim Kragen,
Und sie warfen ihn vom Wagen
Hinunter auf den Damm,
Denn die Herrschaften mit der helleren Haut
Die dachten, sie hätten die Stadt gebaut
Und auch die schöne Tram.
Darum gibt es eine Abteilung für weiße Gentlemen,
Darum gibt es eine Abteilung für schwarze Gentlemen
In der Trambahn, in der Trambahn, mein Junge, merk es dir.
Darum gibt es eine Abteilung, mein Junge, merk es dir.
Da kam der Krieg und die Prohibition
Und mancher kriegte den letzten Lohn
//: Zwischen Harlem und Manhattan ://
Jim zog nach Süden, da brüllten sie:
Eine Lady hat er geküsst, das Vieh!
//: Und warfen ihn dreifach in Ketten ://
Doch bevor sie ihn erhängen
Mit biblischen Gesängen
Befragt den Pfarrer Jim:
Ob die Herrschaften mit der helleren Haut
Am Ende auch den Himmel gebaut?
Denn ach, das wäre schlimm:
Sicher gibts denn auch ’ne Abteilung für weiße Gentlemen,
Sicher gibts denn auch ’ne Abteilung für schwarze Gentlemen,
In der Trambahn, in der Trambahn, die zum Paradiese führt.
Sicher gibts denn auch ’ne Abteilung,
In der Trambahn, die zum Paradiese führt!
Will da irgendjemand das N-Wort in diesem Text streichen?
Zurück zu Huck Finn. Es gibt eine neue Version des Romans, allerdings nicht ohne das N-Wort. Der Roman heißt James und wurde von dem Amerikaner Percival Everett geschrieben. Ist vor vier Tagen bei Hanser erschienen, rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse. Der Hanser Verlag bietet hier eine →Leseprobe an). Der Ich-Erzähler des Romans ist nicht Huck, sondern Jim, die ganze Perspektive ist umgedreht: Diese weißen Jungs, Huck und Tom, beobachteten mich. Sie spielten immer irgendein Phantasiespiel, in dem ich entweder ein Schurke oder ein Opfer war, auf jeden Fall aber ihr Spielzeug. Es lohnt sich immer, Weißen zu geben, was sie wollen, deshalb trat ich in den Garten und rief in die Nacht hinaus:‚Wersndas da draußnim Dunkeln?‘Sie rumorten unbeholfen herum, kicherten. Es war dem Hanser Verlag wichtig, diesen Roman beinahe gleichzeitig mit der amerikanischen Originalausgabe zu veröffentlichen.
Der Übersetzer ist Nikolaus Stingl, man kann ihn wohl einen Star-Übersetzer nennen. Er hat Cormac McCarthy und Thomas Pynchon übersetzt. Und Colson Whitehead, einen Autor, der zu selten in diesem Blog erwähnt wird. Immerhin habe ich ihn in den Post Roland Barthes hineingeschrieben. Für den Hanser Verlag hatte Stingl schon Percival Everetts Romane Erschütterung und Die Bäume übersetzt. Wenn Jim gleich am Anfang des Romans sagt: Es lohnt sich immer, Weißen zu geben, was sie wollen, dann ist damit schon eine Tendenz dieses Romans angeschlagen. Und der nigger ist auch im Text, Stingl übersetzt das mit Nigger. Regt sich jemand auf? Der Roman James ist eine Trouvaille, aber nicht meine eigene. Mein Freund Hombre, der über Ralph Ellison promoviert hat (und ein Dutzend Mal in diesem Blog vorkommt), hat mir die Leseempfehlung gegeben. Eine englische Ausgabe besitze ich dank booklooker auch schon. Eine deutsche ✺Audio Version des Romans gibt es auch. Wenn man glaubt, einen Bestseller zu haben, werden verlegerisch alle Register gezogen.
Die "amerikanische Krankheit" ist bei uns schon ziemlich gegenwärtig. Im übrigen, kann man schon differenzieren. Das Kinderbuch NEGER NOBI (Ludwig Renn) konnte man durchaus in NOBI umbenennen, weil auf dem Cover ein kleiner schmaler schwarzer Junge abgebildet war.
AntwortenLöschenAnsonsten kann ich nur danke sagen für diesen Text.