Sonntag, 3. März 2024

Apanatschi

Ich habe gelesen, dass viele die Schauspielerin Uschi Glas unter dem Namen Apanatschi kennen. Ich hoffe mal, dass das stimmt, ich habe den Film nie gesehen. Und ein Karl May Leser war ich eh nie. Ich habe dem Talkshow im Fernsehen und der Sonntagsbeilage meiner Zeitung entnommen, dass die Uschi gerade achtzig geworden ist. Sie sieht ja immer noch ganz passabel aus. Manche Frauen schaffen es nicht, die Schönheit der Jugend mit ins Alter zu nehmen. Ingrid Steeger ist das nicht richtig gelungen, Christine Keeler nun ganz und gar nicht. Da ich immer noch unter der Husten, Schnupfen, Heiserkeit leide, die ich am Ende von die blauen Zifferblätter beschrieb, gibt es hier nichts Neues. Aber gleich zwei alte Posts, der erste gratuliert der Uschi zum siebzigsten Geburtstag:

Ach, war sie da niedlich. Hier auf dem Photo ist sie mit Werner Enke und der Regisseurin May Spils zu sehen. May Spils kam aus Twistringen, einem kleinen Kaff bei Bremen. Wenn man da herkommt, will man da raus. Wie May Spils. Oder Reinhold Beckmann. Obgleich es da angeblich so schön ist, es gibt sogar ein Lied auf Twistringen:

Perle, du in Niedersachsen,
Stätte schönster Fröhlichkeit,
Twistringen, ans Herz gewachsen
Bist du mir in aller Zeit.

Aber wir lassen das mal beiseite und konzentrieren uns auf diese junge Dame. Hier ist sie, wie auf dem Photo oben, bei den Dreharbeiten zu dem Spielfilm Zur Sache Schätzchen. Das vierundzwanzigjährige Schnuckelchen und die schnoddrigen Dialoge machten 1968 den Film zu einem Kultfilm. Es war nicht der erste Film von Uschi Glas. Sie hatte schon eine kleine Rolle in Der unheimliche Mönch gehabt. Und war das Halbblut Apanatschi in Winnetou und das Halbblut Apanatschi gewesen. Zu der Zeit hatte Catherine Deneuve schon La Vie de château (lesen Sie hier mehr dazu), Les Demoiselles de Rochefort und Belle de Jour gedreht, das sollte man nicht vergessen. Und 1968 kam auch Truffauts Baisers Volés ins Kino, der Henri Langlois (der hat hier natürlich einen Post hat) gewidmet war, das war ein ganz anderes Kino.

Doch der Film Zur Sache Schätzchen, der ein wenig vom französischen Kino abgekupfert war (und ein klein wenig von À bout de souffle hatte), wurde in Deutschland ein ungeahnter Erfolg, über sechs Millionen Deutsche gingen ins Kino. Ich auch. Sogar zweimal. Es gab drei Bundesfilmpreise, die Goldene Leinwand, ein goldenes BAMBI und die deutsche Nominierung für Cannes. Und Uschi Glas hatte fortan den Spitznamen Schätzchen der Nation.

Gefilmt im Sommer 1967 in München-Schwabing, war "Zur Sache, Schätzchen" einer der Erfolgsfilme des Jahres 1968 - dem Geist der Zeit entspricht der Film dabei auf so unorthodoxe, spielerische Weise, dass er ihm eigentlich schon wieder zuwider läuft: "Zur Sache, Schätzchen", das ist der federleichte Traum, die Regeln der Gesellschaft mit nichts außer Kraft zu setzen, als mit ein paar Scherzen und sinnfreien Bemerkungen (von denen es einige, so "Es wird böse enden" zum geflügelten Wort gebracht haben). Hier kommt zuerst das Wurstbrot (bei dem "die Wurst so richtig überlappt"), dann die Weltrevolution. Schreibt der Spiegel, nun wissen wir Bescheid. Das Photo hier zeigt die beiden Hauptdarsteller im letzten Jahr.

Ein Zeitzeuge hat zu dem Film gesagt: Auf seine Weise hat mich der Film wohl auch deshalb angesprochen , weil er die Ereignisse von 1968 so ganz anders auf den Punkt brachte - eben nicht mit langen Theoriedebatten. Aber alles, was Martin tut oder vor allem nicht tut, ist Auflehnung, und er hat auch noch seinen Spaß dabei. Das war natürlich kein politisches Programm, aber es drückte den Umbruch aus, den wir, die wir damals Mitte 20 waren, verspürten. Der Zeitzeuge, der hier redet, wird Jahre später am Gitterzaun des Kanzleramts rütteln und Ich will da rein brüllen. Auch für ihn gilt einer der Sprüche des Films: Es wird böse enden.

Zur Sache Schätzchen war der beste Film von Uschi Glas, was danach kam, gehört nicht gerade zu den Perlen der Filmkunst: Der Gorilla von SohoImmer Ärger mit den PaukernZur Hölle mit den PaukernDie Tote aus der ThemseVerliebte Ferien in TirolWir tun uns in Deutschland schwer mit komödienhafter Leichtigkeit. Wir haben jemanden wie Curt Goetz gar nicht verdient. Man kann den Film leicht preiswert als DVD bekommen, man kann ihn sich immer noch ansehen. Gut, er hat ein wenig Patina angesetzt. Aber Uschi Glas, Werner Enke und die Filmmusik (und das BMW Cabrio) reißen alles heraus. Man darf sich natürlich zuvor nicht Richard Lester wunderbaren Film The Knack …and How to Get It angesehen haben (Sie könnten jetzt noch mal eben den Post Richard Lester lesen). Die DVD enthält auch noch ein sehenswertes Interview mit Werner Enke und zwei Kurzfilme (Das Portrait und Das Manöver), allein diese Extras würden den Kauf der DVD lohnen.

Ich überlasse das letzte Wort zu dem Film Zur Sache Schätzchen Else Buschheuer, die in ihrem Buch Verrückt bleiben! Mein Leitfaden für freie Radikale über Strategien zur Bekämpfung von Depressionen schreibt: Ein frischer Schlafanzug wirkt manchmal Wun­der. Legen Sie eine DVD ein, nichts Neues, lieber einen vertrauten Film, über den Sie lachen oder wenigstens müde lächeln können. Für mich wäre das »Zur Sache, Schätzchen«, der hilft mir immer. Der Film ist auf illusionslose Weise lustig, er ist intelligent, aber nicht oberschlau, er ist sexy, aber frei von Kitsch. Ein kleiner Film für kleine Tage.
          Uschi Glas wird heute siebzig, da gratulieren wir herzlich.

Und dann habe ich noch ein wenig mehr, nämlich einen Post Zur Sache, Schätzchen aus dem letzten Jahr:

Heute vor fünfundfünfzig Jahren hatte der Film Zur Sache, Schätzchen Premiere. Das Publikum liebte den Film, die Kritik auch. Die sprach vom Neuen Deutschen Film, das Pamphlet dazu hatte Joe Hembus mit seinem Buch Der deutsche Film kann gar nicht besser sein geliefert. Das war 1961 in Bremen bei Schünemann erschienen, einem Verlag, der die konservativen Bremer Nachrichten herausgab und nicht für revolutionäre Neuerungen bekannt war. Der sich aber in den sechziger Jahren eine Reihe namens City Buch leistete, in der ganz erstaunliche Bücher erschienen. Wie zum Beispiel das erste Buch über den Western, Jean-Louis Rieupeyrouts Le Western, Ou le cinéma américain par excellence, in deutscher Übersetzung. Oder der Co­mic Bar­ba­rella von Jean-Claude Fo­rest. Und Karl Mickinns Altweibersommer mit einer nackten Schönheit von Paul Wunderlich auf dem Schutzumschlag. Da war Joe Hembus bei Walther H. Schünemann schon richtig aufgehoben. Zwanzig Jahre später schrieb er zusammen mit dem Truffaut Spezialisten Robert Fischer das Buch Der Neue Deutsche Film. Das bei Goldmann erschienene Buch hatte ein Vorwort von Douglas Sirk.

Drei Tage nach Beginn der Dreharbeiten schrieben May Spils und ihr Hauptdarsteller Werner Enke das Drehbuch um. Der Film sollte wie Godards Außer Atem, mit dem er viele Ähnlichkeiten hat, mit dem Tod des Hauptdarstellers enden, aber jetzt war gerade in Berlin der Student Benno Ohnesorg erschossen worden. Soviel Realität wollte man dann doch nicht haben. Denn mit der Realität und den beginnenden Revolutionen auf der Straße hatte der Film wenig zu tun. Es sollte nicht böse enden. May Spils drehte 1968, als alles politisch wurde, einen unpolitischen Film über das Nichtstun

Wenn man sich die Top Ten der erfolgreichsten Filme in Deutschland anschaut, dann muss man sagen, dass die wenig mit dem zu tun haben, was wir 1968 nennen, nichts von Vietnam, dem Prager Frühling oder den Bremer Straßenbahnunruhen. Die deutsche Filmwelt sah an der Kinokasse so aus: 

1.  Das Dschungelbuch (27.394.000)
2.  Zur Sache, Schätzchen (6.500.000)
3.  Oswalt Kolle: Das Wunder der Liebe (6.000.000
4.  Zum Teufel mit der Penne (6.000.000)
5.  Die Nichten der Frau Oberst (5.000.000)
6.  Zur Hölle mit den Paukern (4.000.000)
7.  Immer Ärger mit den Paukern (4.000.000)
8.  Oswalt Kolle: Das Wunder der Liebe II – Sexuelle Partnerschaft (3.500.000)
9.  Die Wirtin von der Lahn (3.000.000)
10 Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung (3.000.000)

Von diesen Filmen habe ich nur Zur Sache, Schätzchen gesehen. Es gab andere Filme in den Kinos. Wie zum Beispiel Baisers volés und La mariée était en noir von Truffaut oder Les Biches von Chabrol, das war eine ganz andere Welt. Werner Enke und Uschi Glas machten den Film zum Kultfilm. Uschi Glas, die einen Nackauftritt verweigert hatte, war gleich in drei Filmen der Top Ten des Jahres 1968, neben Zur Sache, Schätzchen war sie auch in Zur Hölle mit den Paukern und Immer Ärger mit den Paukern zu sehen. Und in dem Edgar Wallace Film Der Gorilla von Soho. Die beinahe gleichaltrige Catherine Deneuve hatte da schon Die Regenschirme von CherbourgEkelLeben im Schloß und Belle de Jour gedreht.

Die deutsche Komödie aus dem Jahre 1968, die mit https://zursacheschaetzchen.de eine eigene Internetseite hat, hat sich gehalten. May Spils und Werner Enke versuchten mit mehreren Filmen an diesen Erfolg anzuknüpfen, das hätten sie lassen sollen. Diese Schwabinger Leichtigkeit konnte man nicht wiederholen. Wenn Sie wollen, können Sie den Film hier sehen. 


2 Kommentare:

  1. Jetzt habe ich doch glatt diesen 68er gestreamt, den, wo die Wurst überlappt und das Leben böse endet. Und was soll ich sagen? Wir brauchen nicht auf die heutige Jugend schimpfen. Die war zu jeder Zeit einfach nur verkorkst. ;)

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