Freitag, 30. März 2012

Karl May


Aber was nützen solche Fragen angesichts des Todes, der nicht abzuwenden ist! Was können Vorwürfe helfen, wo überhaupt nicht mehr zu helfen ist! Ich kann nur klagen, aber nichts ändern; ich kann nur trauern, doch keinen Toten ins Leben zurückrufen. Ich? Ja, ich! Habe ich doch die Roten kennen gelernt während einer ganzen Reihe von vielen Jahren und unter ihnen einen, der hell, hoch und herrlich in meinem Herzen, in meinen Gedanken wohnt. Er, der beste, treueste und opferwilligste aller meiner Freunde, war ein echter Typus der Rasse, welcher er entstammte, und ganz so, wie sie untergeht, ist auch er untergegangen, ausgelöscht aus dem Leben durch die mörderische Kugel eines Feindes. Ich habe ihn geliebt wie keinen zweiten Menschen und liebe noch heut die hinsterbende Nation, deren edelster Sohn er gewesen ist. Ich hätte mein Leben dahingegeben, um ihm das seinige zu erhalten, so wie er dieses hundertmal für mich wagte. Dies war mir nicht vergönnt; er ist dahingegangen, indem er, wie immer, ein Retter seiner Freunde war; aber er soll nur körperlich gestorben sein und hier in diesen Blättern fortleben, wie er in meiner Seele lebt, er, Winnetou, der große Häuptling der Apachen. Ihm will ich hier das wohlverdiente Denkmal setzen, und wenn der Leser, welcher es mit seinem geistigen Auge schaut, dann ein gerechtes Urteil fällt über das Volk, dessen treues Einzelbild der Häuptling war, so bin ich reich belohnt.

Das musste ja mal gesagt werden. Dieser Mann, der Dr. Karl May (ja auch den Titel hat er), der so lange bei den Indianern gewohnt hat, der kann nicht lügen. Hier spricht einer der erfolgreichsten deutschen Schriftsteller über seinen Freund Winnetou. Heute vor hundert Jahren ist er seinem Freund in die ewigen Jagdgründe nachgefolgt. Ja, sein roter Blutsbruder Winnetou musste im dritten Band den Romantod sterben. Während man das Ave Maria sang: Als der letzte Ton verklungen war, wollte er sprechen – es ging nicht mehr. Ich brachte mein Ohr ganz nahe an seinen Mund, und mit der letzten Anstrengung der schwindenden Kräfte flüsterte er: »Schar-lih, ich glaube an den Heiland. Winnetou ist ein Christ. Lebe wohl!«

Ich kann wenig über den Romanautor Karl May sagen, denn ich gehöre zu den wenigen, die ihn nie gelesen haben. Ich habe allerdings Charles Sealsfield, Balduin Möllhausen und Friedrich Gerstäcker gelesen (aus dessen Romanen sich Karl May ja reichhaltig bedient hat). Mein kleiner Bruder war ein begeisterter Karl May Leser, hatte beinahe alle Romane. Hardcover, mit diesen seltsamen Bildern vorne drauf. Unser Schäferhund las die auch gerne, als er jung war. Knabberte immer den Buchrücken an. Nur Karl May, keine anderen Bücher.

Ein Journalist namens Oskar Robert Achenbach hat 1933 nach einem Besuch auf dem Obersalzberg über einen der berühmtesten Karl May Leser geschrieben: Auf einem Bücherbord stehen politische oder staatswissenschaftliche Werke, einige Broschüren und Bücher über die Pflege und Zucht des Schäferhundes und dann, deutsche Jungen, hört her! Dann kommt eine ganze Reihe Bände von - Karl May! Der Winnetou, Old Surehand, der Schut, alles liebe alte Bekannte! Den Text hat der Karl May Verlag sofort für Werbezwecke benutzt. Ich nehme mal an, dass Hitlers Schäferhund nicht an seinen Karl May Bänden herumgeknabbert hat.

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