Mittwoch, 7. März 2012

Josef Strzygowski


Josef Strzygowski ist bei Facebook, fünf Leuten gefällt das. Ich dachte, den hätte man vollständig vergessen nachdem seine Schriften Nordischer Heilbringer und bildende Kunst. Eine durch Christentum und Kirche entstellte Heilserscheinung (1939), Die deutsche Nordseele: Das Bekenntnis eines Kunstforschers (1940), Das indogermanische Ahnenerbe des deutschen Volkes und die Kunstgeschichte der Zukunft (1941), und Europas Machtkunst im Rahmen des Erdkreises: Eine grundlegende Auseinandersetzung über Wesen und Entwicklung des zehntausendjährigen Wahnes. Gewaltmacht von Gottes Gnaden statt völkischer Ordnung (1943) in der Sowjetischen Besatzungszone auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt worden waren.

Josef Strzygowski (der heute vor 150 Jahren geboren wurde) war ein Kunsthistoriker, der im Laufe seines Leben immer wildere Thesen aufstellte. Zum Beispiel, dass die Indogermanen in der Eiszeit den hohen Norden (Die Indogermanen bildeten meines Erachtens ursprünglich den Ostflügel der Polsiedler) verließen und sowohl in Europa wie in Asien, in Hellas wie in Iran Blütezustände herbeiführten, die unserer germanischen in der Gotik nicht nachstehen. Über die Indogermanen, die eigentlich nur als theoretisches Substrat in der Sprachwissenschaft auftauchen, wissen wir ja nun gar nichts, aber es ist schön, dass der Professor Strzygowski uns das mal erklärt hat. Aus diesem Erfahrungsfelde wuchs dann allmählich ein Drängen hervor, dem nachzugehen, was die Sprachforscher schon vor hundert Jahren „indogermanisch" genannt hatten. Was heißt das und warum kam ich eigentlich in diese dem Kunsthistoriker bisher völlig fernliegende Bahn?

Und so denkt er denn in neuen Bahnen und erfindet diesen imaginären nordischen Indogermanen (der wahrscheinlich auch blond ist): Der schöpferische Urmensch, der in langer Winternacht sinnend eine unendliche Innenwelt, die Seele, gebiert. Und aus dem Gefühl des Einesseins mit dem Weltall und seiner Weite seine Kunst erschafft. Und auf seinen indogermanischen Wanderungen verstärkt Einfluß auf den ganzen Erdkreis gewann. Vom Nordpol bis Hellas. Himmler hat so etwas auch geglaubt. Hitler erst recht, vor allem seit Strzygowski bewiesen hatte, dass sein Lieblingsmaler Böcklin (der einzig wahre Künstler, den das 19. Jahrhundert hervorgebracht hat) auch ein wahrer Arier ist. Seinen Landsmann Hitler liebt Strzygowski natürlich auch: Wie einst die Zeit der Morgenröte Erlösung für den des Winterkampfes müden Nordmenschen, so bedeutet die Tat unseres Landsmannes Hitler das, was wir einen Heilbringer nennen.

Der Artikel zu Strzygowski in Metzlers Kunsthistoriker Lexikon schließt mit dem Satz: S. war ein extremes Beispiel für die Fehlentwicklung eines wertvollen Forschungsansatzes und für Vergeudung und Verfall von wissenschaftlicher Leistungsfähigkeit. Dabei könnte man es ja belassen, und den Deckel der Pandorabüchse der Kunstwissenschaft schön geschlossen lassen. Aber als ich mich im Internet umschaute, stieß ich auf einen kunsthistorischen Artikel, der gleich im ersten Satz behauptet: The viennese art historian Josef Strzygowski (1862–1941) has recently attracted conspicuous scholarly attention. Das stimmt sogar, überall sind irgendwelche Kunsthistoriker (haben die sonst nix zu tun?) um die Ehrenrettung des Hofrats bemüht, der Mann hat Konjunktur. In Strzygowskis Heimatstadt Bielsko-Biała beginnt am 29. März eine internationale Konferenz zu Strzygowski. Lesen die sich da gegenseitig seine Biographie Aufgang des Nordens: Lebenskampf eines Kunstforschers um ein Deutsches Weltbild vor? Es wäre wohl sinnvoller, einmal Eine Heimkehr gibt es nicht. Ein österreichisches Curriculum vitae von Hilde Zaloscer zu lesen.

Der Kunsthistoriker Julius von Schlosser hat seinen Kollegen Strzygowski einen Attila der Kunstgeschichte genannt. Aber kann das Strzygowski treffen? Wahrscheinlich sind das alles nur Jüdische Quertreibereien, in denen es sich um den Zusammenschluß jüdischer Kunsthistoriker in New York handelt. Dass die Nazis seine jüdischen Kollegen aus Deutschland und Österreich vertrieben haben, interessiert ihn nicht. Wichtiger ist: Es ist ein Glück, daß jetzt im entscheidenden Augenblicke wenigstens Hitlers 'Mein Kampf' als ein allgemein anerkannter Anfang schon da ist. Das neue Volksbuch zu schaffen wird die wichtigste Aufgabe der volksdeutschen Bewegung sein. Er träumt von einem eigenen, so in der Art des Warburg Instituts. Vielleicht sogar in Hamburg, da ist er den Nordmenschen näher. Neuere Kunsthistoriker haben es nicht versäumt, auf die bizarre Vorstellung von Warburg Institut und Strzygowski Institut in einer Stadt nebeneinander hinzuweisen.

Nach seiner Emeritierung 1933 wird allerdings seine Lehrkanzel (wie das so schön in Österreich heißt) eingespart und das I. Institut aufgelöst. Eigentlich hatte er schon längst sein eigenes Institut, da er wegen unüberwindbaren Differenzen zu dem von ihm angefeindeten Max Dvořák 1911 mit seinem I. Kunsthistorisches Institut eine angemietete Wohnung am Ring gegenüber der Universität bezogen hatte. So etwas gibt es wohl an jeder Universität, ich kenne auch ähnliche Fälle, wo innerhalb des Instituts plötzlich kleine Mäuerchen hochgezogen wurden. Strzygowskis Schüler, gründeten nach seiner Emeritierung die Gesellschaft für vergleichende Kunstforschung (Erster Vorsitzender: Josef Strzygowski). Sollte ein Art Gegenpol zu Schlossers historisch-philologischen Wiener Schule sein, hatte aber eigentlich nur den Charakter eines Strzygowski Fanclubs, von der Wiener Schule redet heute immer noch jeder Fachgelehrte.

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