Montag, 5. März 2012
American Wristwatches I
Georg war untröstlich. Da wollte er mir etwas aus New York mitbringen und dann das. Nicht, dass er jeden Tag in New York wäre. Er hat die Reise auf der Queen Elizabeth II beim Englischen Tag in Flottbek gewonnen, hatte zwei Lose gekauft, wie man das so tut. Und sie dann vergessen. Wochen später ruft jemand von dem Organisationsbüro an und fragt, ob er die Lose nicht einlösen wolle? Also ist er mit Bärbel über den Atlantik, ich habe ein Photo von ihm, wie er mit Dinnerjackett beim Captain’s Dinner sitzt.
Ich hatte ihm gesagt Bring mir eine alte Gruen Curvex mit, dreißiger, vierziger Jahre. Kriegste für fünfzig Dollar. Hat mir mein Hamburger Händler R. gesagt. Den habe ich auf dem Flohmarkt kennengelernt, er hat tolle alte Uhren. Fliegt einmal im Jahr zu den großen Jahresversammlungen der National Association of Watch and Clock Collectors. Kauft groß ein, Uhren sind damals in den USA billig. Verkauft er dann hier teuer weiter. Er hat mir sogar eines Tages eine Jahresmitgliedschaft der ➱NAWCC geschenkt. Bin ich immer noch Mitglied, muss man als Uhrensammler sein.
Ich hatte mal eine Gruen Curvex von R. gekauft, die zickte aber immer rum, da habe ich sie gegen eine IWC getauscht. Na ja, ich musste was dazubezahlen. Also, Georg hat in New York an die Gruen gedacht. Hatte auch ein schlechtes Gewissen, weil er zweimal meinen Geburtstag vergessen hatte. Ist aber nicht in einen kleinen Laden in einer Seitenstrasse rein, sondern in Time Will Tell von Stewart Unger in der Madison Avenue. Das Mekka der Uhrensammler. Die haben ganz andere Preise. Die haben ihn nicht gerade ausgelacht, weil er eine Gruen für 50 Dollar haben wollte, die waren da sehr höflich. Mr. Unger, der auch ein Buch über amerikanische Armbanduhren geschrieben hat (American Wristwatches: Five Decades of Style And Design), hat ihm eigenhändig Farbkopien von den Modellen gemacht, die er im Laden hatte. Und mit feiner Schrift Modelle und Preise dazugeschrieben. Alles im vierstelligen Bereich. Inzwischen ist Mr Unger tot, und den schönen Laden in der Madison Avenue gibt es auch nicht mehr. Unter dem Namen Time Will Tell werden heute Billiguhren verhökert, das ist der Lauf der Welt.
Und einen vierstelligen Dollarbetrag wollte Georg denn doch nicht ausgeben, wo er gerade die vielen Trinkgelder auf der Queen Elizabeth bezahlt hat, die waren im Losgewinn nämlich nicht drin. Aber irgendwie hat er jetzt ein schlechtes Gewissen. Andererseits muss er zugeben, dass der Besuch bei Mr. Unger ein wirkliches Erlebnis bei dieser Reise war. Besser als das Captain’s Dinner. Ich habe dann den Gedanken mit der Gruen aufgegeben. Spätestens als mir R. eine weißgoldene Movado Curviplan aus dem Jahre 1934 verkaufte, die er mal in New York gekauft hatte. Die habe ich jetzt am Arm während ich das hier schreibe. Als ich gestern über das amerikanische ➱Design der thirties schrieb, kam ich auf den Gedanken, doch einmal über die schönen amerikanischen Art Déco Armbanduhren zu schreiben. Dazu gibt es an dieser Stelle morgen mehr.
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