Heute vor hundertachtzig Jahren wurde Salama bint Said, die man auch Sayyida Salme nannte, geboren. Sie war eine Prinzessin von Oman und Sansibar. Sie war schon 2010 in diesem Blog, aber weil Sie mich damals vielleicht noch nicht kannten, stelle ich den Post an ihrem Geburtstag heute noch einmal ein. Mit vielen Veränderungen, denn ich habe jetzt auch einen einstündigen Dokumentarfilm mit dem Titel ✺Die Prinzessin von Sansibar für Sie. Ich kenne die Geschichte der Prinzessin schon lange, weil sie im Leben von Gerhard Rohlfs, dem Namensgeber meines Gymnasiums, eine Rolle spielte. Es war eine Erzählung, die man nicht vergisst, die Geschichte von der schönen Prinzessin aus Sansibar, die den Hamburger Kaufmann Johann Heinrich Ruete liebt und mit ihm nach Deutschland flieht. Weil sie von einem Christen schwanger ist, dafür wird man in ihrer Welt noch gesteinigt. Könnte in dieser Welt heute wieder geschehen. M.M. Kaye, die mit The Far Pavillions (Palast der Winde) berühmt wurde, hatte die Geschichte der Sultanstochter schon in den Roman Trade Wind (Insel im Sturm) eingearbeitet, sie schreit ja auch geradezu danach, als Kitschroman recycelt zu werden.
Sayyida Salme war dieTochter des Sultans von Oman und Sansibar. Sie ist einem Sultanspalast aufgewachsen und hatte eine unbeschwerte Kindheit. Wie immer Sultanspaläste damals aussehen. Als ihr Vater stirbt, erbt sie viel; unter anderem einige Gewürznelkenplantagen, damit macht man auf Sansibar damals viel Geld. Zu ihrem Halbbruder, dem neuen Sultan, hat sie ein sehr gutes Verhältnis. Über die kleine Palastrevolution, in die sie verstrickt ist, wollen wir jetzt mal nicht reden. Der Hamburger Kaufmann Rudolph Heinrich Ruete vertritt (bevor er sich mit Ruete & Co. selbständig macht) die Firma Hansing & Co.. Die sind neben der Firma O'Swald die einzigen Deutschen auf Sansibar. Sie haben eine Faktorei, sind Reeder und betreiben Bankgeschäfte. Die O'Swalds hießen ursprünglich Oswalds, aber das ist dem Begründer der Dynastie nicht englisch genug, er nennt sich statt Wilhelm Oswald William O'Swald. Ich habe einmal vor Jahrzehnten in einem Hamburger Antiquariat ein Buch mit der Signatur eines O'Swald gekauft, weil mir diese Hamburgische Anglomanie so wunderbar bescheuert vorkam. Ein Nachfolger von Ruete im Dienst von Hansing & Co namens Justus Strandes wird zu den Gründern von Deutsch-Ostafrika gehören.Die eigenwillige →Sultanstochter (auf allen Photos eine schöne und elegante Frau), die aus Liebe zu dem jungen Hamburger Kaufmann zum Christentum übertritt, wird sie glücklich werden in dem kalten Hamburg? Es wäre schön, wenn es so wäre. Aber es kommt alles anders. Zuerst überlebt ihr erstes Kind die strapaziöse Reise nicht. Und dann stirbt ihr Mann, dem sie drei Kinder geboren hatte, im Jahre 1870. Er war von einer Pferdebahn in Uhlenhorst abgesprungen, gestolpert und unter die Bahn geraten. Starb eine Woche später, eins der ersten Opfer des öffentlichen Personennahverkehrs in Hamburg.
Eigentlich möchte sie zurück nach Sansibar. Sie schreibt Briefe über Briefe (die eines Tages als Briefe nach der Heimat erscheinen werden) an die Verwandten, legt auch Photos der Kinder bei. Sie möchte auch an ihr Erbe kommen, das sie nach islamischem Recht eigentlich mit dem Übertritt zum Christentum verloren hat. Aber aus Verpflichtung zu ihrem Mann möchte sie auch, dass ihre Kinder eine gute deutsche Erziehung bekommen. Sie wird Hamburg 1872 verlassen, nach Dresden gehen. Dann nach Rudolstadt, Berlin, Köln und wieder Berlin. Der deutsche Adel füttert die arabische Prinzessin durch. 1875 beginnt sie zu schreiben, 1886 erscheinen Die Memoiren einer arabischen Prinzessin, die ein beachtlicher Publikumserfolg werden. Vier Auflagen in selben Jahr. Da erfahren ihre Kinder auch zum ersten Mal, dass ihre Mutter eine Prinzessin ist.
Zu dem Zeitpunkt ist sie schon eine Schachfigur in Bismarcks Afrikapolitik geworden. Als Bismarck den Afrikaforscher Gerhard Rohlfs (Bild) zum Generalkonsul von Sansibar ernennt (nachdem er zuvor mit ihm in Friedrichsruh Heringshäppchen gegessen hat), schlägt er ihm vor, dass er Frau Ruete auf einem deutschen Kriegsschiff nach Sansibar mitnimmt. Damit sie ihre Ansprüche in Sansibar geltend macht. Doch so wenig Fertigkeiten Rohlfs in der Kunst der Diplomatie hat, das scheint ihm doch ein wenig zuviel des Guten. Er wird Frau Ruete nicht auf dem Kriegsschiff mitnehmen und wird selbst einen großen Teil der Reise auf einem englischen Postdampfer machen (auf Madeira hatte er den deutschen Kreuzer verlassen).
Dadurch brüskiert er natürlich Berlin und die kaiserliche Marine. Er nimmt sich der Sache von Emily Ruete an, tritt dabei aber in alle Fettnäpfchen, die so herumstehen. Den deutschen Kreuzer Gneisenau vor der Küste Sansibars Artillerieübungen veranstalten zu lassen, ist vielleicht nicht der richtige Weg für diplomatische Verhandlungen. Obgleich das eigentlich im Sinne Bismarcks sein müsste, der in einer Notiz geschrieben hatte: Frau Ruete ist für uns lediglich ein Anlaß zu Forderungen dem Sultan gegenüber. Für ihr Schicksal und ihre beaux yeux können wir die Reichsinteressen nicht einsetzen. Nötigt uns der Sultan durch sein sonstiges Verhalten zu militärischer Gewalt, so ist die deutsche Bürgerin Ruete mit ihren Rechten ein nützliches Argument, um Gewalt zu rechtfertigen. In Berlin bereitet man schon eine militärische Invasion Sansibars vor und schickt den Admiral von Knorr mit Kriegsschiffen vorbei. Als die deutsche Bürgerin Ruete mit einem Lloyd Dampfer in Sansibar ankommt, liegen da schon Ihrer Majestät Schiffe Stosch (Bild), Gneisenau, Elisabeth und Prinz Adalbert im Hafen.
Ich lasse jetzt mal alle diplomatischen Winkelzüge beiseite, letztlich wird aus dem Sansibarabenteuer nichts. Bismarck kneift vor den Engländern. Emily Ruetes Sansibarbesuch verläuft ergebnislos, ihr Bruder weigert sich, sie zu empfangen. Und Gerhard Rohlfs ist schon nach einem halben Jahr abberufen worden, da ist er ganz froh drüber, das ist nicht seine Welt. Die deutschen Faktoreien wie Hansing hatten sich beklagt, dass er ihre kolonialistischen Interessen nicht genügend vertrat. Stattdessen wollte der Idealist Rohlfs dem Sultan den Sklavenhandel verbieten. Da wird er sofort von Bismarck abgewatscht, Philantropismus liege außerhalb Ihrer Aufgaben und desgleichen die Beteiligung an der Anti-Sklaverei Politik der Engländer. Gerhard Rohlfs geht auch nicht auf die nötige feindliche Distanz zu dem englischen Generalkonsul, da er Sir John Kirk (der einst Livingstone begleitet hatte) von früher kennt und als Forscherkollegen schätzt. Überall auf der Welt stehen sich Deutsche und Engländer feindlich gegenüber, hier in Sansibar dinieren der deutsche und englische Generalkonsul wie Freunde miteinander.
Genau wie Kirk (hier im Bild) steht Rohlfs den Plänen von Dr Carl Peters (der den Beinamen Hänge-Peters bekommen wird) in Ostafrika negativ entgegen. Und ist auch naiv genug, das nach Berlin zu schreiben. So kann er sich nicht wundern, wenn er von seinen Berliner Feinden im schönsten Amtsdeutsch beschrieben wird als: Nicht von Haus aus Beamter und von daher mit jenem allen amtlichen Organisationsstrukturen gemäßen Schematismus nicht vertraut, der auch seiner Aufgabe zugrunde lag, nicht dazu zu bewegen, sich den Gepflogenheiten seines Amtes - und ebenso des Auswärtigen-Amtes - anzupassen, etwa die regelmäßige Berichterstattung strikt einzuhalten, kein geschulter Diplomat und damit innerhalb des exklusiven Diplomatischen Dienstes ein Fremdkörper. Klingt irgendwie sehr deutsch, dieses Todesurteil für idealistische Quereinsteiger, den Text könnte man bestimmt heute noch verwenden. Auch den Mediziner und weltberühmten Botaniker Sir John Kirk werden die Engländer im gleichen Jahr abberufen. Die Berliner Kongokonferenz hatte den Wettlauf um Afrika nur beschleunigt, jetzt werden in der Politik andere Menschen als Botaniker oder Afrikaforscher gesucht. Zwar steht das Verbot des Sklavenhandels in dem schönen Papier, auf das man sich einigt, aber niemand wird sich dafür interessieren, was König Leopold im Kongo macht. Außer Mark Twain, der →King Leopold's Soliloquy: A Defense of His Congo Rule schreibt.
Und obgleich sich Frau Ruete auch über ihn beklagt hat (sie beherrscht für die Durchsetzung ihrer Interessen ja alle Formen der Intrige, die Rohlfs fremd sind), wird Gerhard Rohlfs sich weiter für die Familie Ruete einsetzen. Besonders für ihren Sohn Rudolph (der noch ein deutscher Diplomat in Beirut wird), der für ihn eine Art Ersatzsohn ist. Er wird 1890, als Caprivis Sansibar Vertrag zwischen England und Deutschland perfekt ist, in der Kölnischen Zeitung einen langen Artikel schreiben, in dem er für ihre Ansprüche wirbt. Man sollte es kaum für möglich halten, daß einer deutschen Frau ein solches Unrecht geschehen konnte, schreibt er.
Emily Ruetes Autobiographie ist vor Jahren von der deutschen Ethnologieprofessorin Annegret Nippa unter dem Titel Leben im Sultanspalast: Emily Ruete geb. Prinzesssin Salme von Oman und Sansibar: Memoiren aus dem 19. Jahrhundert herausgegeben worden, sie war vom Markt verschwunden, ist aber wieder erhältlich. Die englische Ausgabe Memoirs of an Arabian Princess from Zanzibar ist dagegen leicht erhältlich (eine Ausgabe von 1907 kann man →hier lesen). Die ultimative, kommentierte Ausgabe ihrer Schriften (in englischer Sprache) ist An Arabian Princess Between Two Worlds: Memoirs, Letters Home, Sequels to the Memoirs, Syrian Customs and Usages herausgegeben von dem holländischen Orientalisten Emeri Johannes van Donzel. Ist allerdings mit 390 € etwas teuer. Man kann jedoch den größten Teil der hervorragenden Einleitung (die auch die beste Skizze ihres Lebens enthält) bei →Google Books lesen.
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