Bevor ich zu Thomas Gainsborough komme, dessen Todestag heute ist, fange ich mal eben mit dem Emu an. Dieser hier war das Markenzeichen der Wolverhampton Corrugated Iron Company, die von den Brüdern John und Joseph Jones begründet wurde. Beide waren einmal Bürgermeister von Wolverhampton. 1905 wurde die Fabrik nach Ellesmere Port verlegt, tausende Arbeiter zogen um. Der Direktor war seit 1895 der 1871 geborene Edward Peter Jones, der den Architekten James Lomax Simpson beauftragte, eine Modellsiedlung für die Angestellten zu entwerfen. Ähnliches hatte auch William Lever (dessen Firma eines Tagen Unilever heißen wird) mit ✺Port Sunlight gemacht. Die beiden patriarchalischen Unternehmer machen in ihrem Bemühen um das Wohl ihrer Arbeiter das weiter, was Sir Titus Salt mit seiner Stadt Saltaire begonnen hat. Jones hatte, wie das in der Familie so üblich war, alle möglichen Ehrenämter, war Alderman, Justice of Peace und 1931 High Sheriff of Cheshire. Er hat keinen Wikipedia Artikel. Den sollte er eigentlich haben. Er wohnt in Ellesmere Port nicht in einem Musterhaus, er hatte ein wunderbares Haus aus der Regency Epoche. Edward Peter Jones förderte Künstler und sammelte englische Kunst des 18. Jahrhunderts. Als er 1960 starb, erhielt die National Gallery zwei Bilder von ihm. Die National Portrait Gallery bekam aus seiner Sammlung ein Portrait von Wellington. Der größte Teil seiner Sammlung wurde 1961 bei Sotheby's auktioniert.
Dieses Bild erhielt das National Maritime Museum 1960 aus dem Nachlass von Jones, der das Bild bei Agnew's als ein Bild von Thomas Gainsborough gekauft hatte. Man nahm das Bild in Greenwich gerne an, aber für die Kuratoren des Museums war dies kein Gainsborough. Sie klassifizierten das Bild als British School, 18th century und verbannten es in den Keller. Wer der Dargestellte war, das wusste man, es war der Captain Frederick Cornewall. Der Name steht in goldener Schrift oben links auf dem Bild.
Captain Cornewall taucht in der Geschichte der Royal Navy einmal auf, weil seine Aussage in dem Prozess gegen den Admiral John Byng nach der Seeschlacht von Menorca von Bedeutung ist. Der arme John Byng hat hier natürlich schon lange einen langen Post. Den ich schreiben musste, weil ich gerade Amy Millers Buch Dressed to Kill: British Naval Uniform, Masculinity and Contemporary Fashions, 1748-1857 zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Das habe ich schon in dem Post Horatio Nelson gesagt. Wenn Sie eine seriöse Geschichte der Royal Navy lesen wollen, dann gibt es nur N.A.M. Rodgers The Command of the Ocean: A Naval History of Britain, 1649-1815 (Penguin 2006). Da gibt es keine zwei Meinungen. Falls Ihnen die 900 Seiten zu viel sein sollten und Sie nur an der Zeit Nelsons interessiert sind, dann gibt es kein besseres Buch als David Davies' A Brief History of Fighting Ships (Paperback 2002). Zweihundert Seiten stark, und selbst Leser, die keinerlei nautischen Kenntnisse besitzen, wissen hinterher alles über Nelson und seine Leistung für die Royal Navy.
Im Jahre 2022 war das Bild des Captains in einem Katalog des National Maritime Museum zu sehen gewesen, und so wurde Hugh Belsey auf das Bild aufmerksam, denn er besaß eine über hundert Jahre alte Photographie des Gemäldes und war auf der Suche nach dem Bild. Es war mehrfach verkauft worden, zuletzt bei Agnew's, aber dann verlor sich die Spur. Hugh Belsey ist ein Kunsthistoriker, der dreiundzwanzig Jahre lang der Kurator des Gainsborough's House in Sudbury gewesen war. Und der vor fünf Jahren für das Paul Mellon Centre for Studies in British Art den endgültigen catalogue raisonné von Gainsboroughs Portraits erstellt hatte. Wenn es im Königreich einen Gainsborough Experten gibt, dann ist er es. Er wird hier schon in dem Post Thomas Gainsborough erwähnt.
Belsey war der Überzeugung, dass sein altes Photo und der Katalog des Museums denselben Marineoffizier zeigten, und er bat das Museum im Februar 2022, das Original besichtigen zu dürfen. Dem Wunsch des Experten kam man natürlich nach und holte das Bild aus dem Depot: His request landed on my desk. We got the painting out of storage. Everything stacked up: it had all the visual hallmarks of Gainsborough’s style in this period, sagte Dr Katherine Gazzard, die Kuratorin des Museums.
Für Belsey war nach dem ersten Blick alles klar, dies war kein Bild eines unbekannten Künstlers aus dem 18. Jahrhundert, dies war ein Gainsborough aus seiner Zeit in Bath (1759 bis 1774): I have been studying Gainsborough’s works for over forty years and during that time I have taken every opportunity to look at as many paintings and drawings as possible. I am delighted that this splendid portrait is now identified as a fine early work by Gainsborough. Die Kuratorin des Museums war hocherfreut, dass sich das Bild eines unbekannten Künstlers in einen echten Gainsborough verwandelt hatte: It is thrilling to be able to rescue this lost masterpiece from obscurity. Man sammelt jetzt Geld, um das Bild zu restaurieren. Man kann es erst austellen, wenn es voll restauriert ist, sonst fällt es auseinander.
Aber wenn man genauer hingeguckt hätte, hätte man das schon 1960 sehen können, als man das Bild erhielt, dass dies wirklich ein Gainsborough war. Wer kann in England im Jahre 1762 diese Hand mit diesem Ärmel malen? In dem Post Thomas Gainsborough schrieb ich 2012: Thomas Gainsborough ist am 2. August 1788 gestorben, da dachte ich mir, ich schreibe mal über Gainsborough. Obwohl ich den schon x-mal erwähnt habe, gibt es hier noch keinen riesig langen Artikel zu Gainsborough. Beinahe alle Maler des 18. Jahrhunderts sind hier schon gewürdigt worden, Gainsborough nicht. Das wird sich irgendwann ändern, ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte. Im nächsten Jahr gab es dann endlich einen langen Gainsborough Post. Den ich im letzten Jahr, erheblich erweitert, noch einmal einstellte. Und was passierte? Der Post Thomas Gainsborough wurde überhaupt nicht gelesen. Ich weiß nicht warum, es ist wirklich ein schöner Post.
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