Donnerstag, 15. August 2024

Richard Rogler ✝


Er hatte auf Lehramt studiert wie Urban Priol und Jürgen von der Lippe, aber er hat dann doch etwas ganz anderes gemacht. In dem Post Haikragen habe ich vor elf Jahren sein Buch Finish empfohlen, eine Solonummer seines alter ego Camphausen. Hinterbänkler in der Politik, immer aufgeregt über irgendetwas. Ich habe drei Bücher von Richard Rogler im Regal stehen, und ich habe mich immer bemüht, keine Sendung von ihm im Fernsehen zu verpassen. Richard Rogler ist gerade im Alter von vierundsiebzig Jahren gestorben. Seine Familie hat in ihrem Nachruf geschrieben, dass er es verstanden habe: mit unbändiger Energie, Schauspielkunst, heiligem Zorn und tiefer Liebe zu seinen Figuren, Schauspiel und Kabarett, großes Welttheater und Kleinkunst, politische Aktualität und menschliche Abgründe zu einer völlig neuen Form zu verweben. Besser kann man es nicht sagenSein Kollege Wilfried Schmickler hat gesagt: Es war für mich gewissermaßen ein Erweckungserlebnis, als ich ihn zum ersten Mal auf der Bühne gesehen habe. Mit so einer Schnauze auf der Bühne zu stehen, so heftig und pointiert seine Meinung zu sagen

Ich habe hier auf der Seite seiner Tochter Marianne den Ankündigungstext für seine Solonummer Freiheit aushalten für Sie: Mit keinem Wort wird im Moment so viel Schindluder getrieben wie mit dem Begriff „Freiheit“. Besoffene Ballermann-Reisende fordern mehr Beinfreiheit, gierige Banker mehr Unternehmerfreiheit, religiöse Fanatiker Glaubensfreiheit, verantwortungslose Raser Tempofreiheit, jeder Depp beruft sich für sein Geschwätz auf die Meinungsfreiheit. Das Freiheitstürchen ist weit geöffnet. Alles ist unter dem Deckmantel „Freiheit“ möglich. 
          So kann der „Zentralverband Sanitär, Heizung, Klima“ heute jederzeit eine Rede bestellen über die Sehnsucht nach der modernen, westlichen Toilettenwasserspülung als Hauptmotiv für die Freiheitsbewegung der DDR-Bürger. Auf Anfrage erfüllt unser Staatsoberhaupt gerne deren Wunsch. Er wird sogar noch weiter gehen. Er wird die Gäste mit dem deutschen Charme einer staatstragenden Büroklammer davon überzeugen, dass es in Mali nur eine freiheitliche Demokratie geben wird, wenn die Bundeswehr dort mit Waffengewalt die Wasserspülung durchgesetzt hat, und somit nach der Pleite „Am Hindukusch“ nun in Mali unsere freiheitliche Sicherheit verteidigt wird. Alles eine Frage verquaster Freiheits-Rhetorik. Sagt einer zu mir: „Herr Rogler, finden Sie das richtig, dass der Kongolese jetzt schon die deutsche Post austrägt?“ Ich sage: „Machen Sie es doch!“ - „Ich bin doch nicht verrückt. Die armen Neger werden doch nur ausgebeutet.“ - „Sehen Sie, soviel ist denen die Freiheit wert“.
         Was kann man tun? Sollen wir den Missbrauch der Freiheit in Form der Dummheit unter Strafe stellen? Aber wer finanziert dann die Millionen an zusätzlichen Gefängniszellen? Und außerdem: Gesetze einhalten kann jeder, aber die Freiheit aushalten... Das ist ein täglicher Kampf. Deshalb heißt mein grundsätzliches Motto für den Rest des Jahrhunderts: „Freiheit aushalten!“ Stets akut und frisch auf der Bühne servier
t. 

Das war 2018 seine letzte Tour, auch Kabarettisten haben den Ruhestand verdient. Und deshalb sehen wir Wilfried Schmickler, Thomas Freitag, Ulrich Priol, Georg Schramm und Jochen Malmsheimer nicht mehr so häufig. Sie hatten ihre große Zeit. Wie Richard Rogler. Sehen Sie doch einmal in sein Freiheit aushalten von 1988 hinein. Da hatte er schon zum ersten Mal den Deutschen Kleinkunstpreis bekommen. Aber auch wenn er tot ist, er bleibt bei uns. Es gibt ja immer noch seine Bücher, DVDs und CDs. Die Wikipedia hat unter dem Eintrag Deutsche Kabarettisten 951 Namen aufgelister. Manche sind immer im Fernsehen, die heißen Olaf Schubert, Torsten Sträter oder Johann König. Die sind niveaumäßig ganz tief unten, da wo die Kochshows und die Reality Stars sind. Und die werden niemals Honorarprofessor an der Universität der Künste Berlin wie Richard Rogler das war. 

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