Zum ersten Mal habe ich ihn im Herbst 1960 gesehen. Ein Freund hatte mir gesagt, ich müsse unbedingt den Film ✺Nur die Sonne war Zeuge sehen. Das Beste daran sei der Schluss. Der Schluss war das Beste. Den Hauptdarsteller Alain Delon kannte ich nicht, aber er sah gut aus. Hier ist er 1957 zum ersten Mal in Cannes, er hatte seine Freundin, die Schauspielerin Brigitte Auber, zu den Filmfestspielen begleitet. Das sei ein Initiationserlebnis gewesen, hat er später gesagt. Als ich Delon im Kino später wiedersah, war er schon berühmt. Mit Nur die Sonne war Zeuge war er zum Star geworden. Eigentlich hatte Maurice Ronet, der ein viel besserer Schauspieler als Delon war, die Rolle des Tom Ripley bekommen sollen, doch dann kriegte Delon sie. Nicht wegen der Schauspielkunst, sondern wegen seiner jugendlichen Schönheit. Sein Gesicht wird fortan sein Kapital sein.
1970 spielte er in Vier im roten Kreis (✺Le cercle rouge) einen Gangster. Den Film habe ich damals zweimal im Kino gesehen. Weil mich die Szene in der Nacht am Place Vendôme (wo Yves Montand mit einem Schuss das Türschloss eines Juweliers durchschießt) an meine Nacht in Paris auf dem Place Vendôme im Sommer 1959 erinnerte. Mit dem Sommersternhimmel über dem großen leeren Platz. Und gegenüber die Leuchtreklame mit den Namen der Juweliere: Boucheron, Cartier, Van Cleef & Arpels, Chaumet. Einen Gangster hatte Delon auch in seinem ersten Film Die Killer lassen bitten (Quand la femme s’en mêle) gespielt, auf diese Rollen war er von nun an abonniert. Aber da war er ein kleiner Nebendarsteller gewesen, bei Jean-Pierre Melville (der hier einen langen Post hat) hatte er als eiskalter Engel mit dem Borsalino eine Hauptrolle. Melville wird Robert Warshows einflussreichen Essay →The gangster as tragic hero gelesen haben, denn seine ersten Filme Bob le flambeur (1955) und Le doulos (1961) waren eine Hommage an den amerikanischen Gangsterfilm, über den Warshow geschrieben hatte.
Wir erinnern uns gerne an Effie Perrine, die die Sekretärin bei Hammetts Detektiv Sam Spade ist. Oder an Hélène Chatelain, die die Sekretärin von ✺Nestor Burma in den wunderbaren kleinen Filmen ist. Léo Malet hat zugegeben, dass er in Bezug auf Detektiv und Sekretärin seine Kollegen Chandler und Hammett ganz schön beklaut habe. Der Privatdetektiv Alain Delon hat eine Sekretärin namens Charlotte, die von Anne Parillaud gespielt wird. Sie war damals einundzwanzig und hatte gleich mit Delon eine Affaire. Das sind die Dinge, die die gute alte Besetzungscouch so mit sich bringt.
Der größte Erfolg von Anne Parillaud war Luc Bessons Actionfilm Nikita, in dem sie eine Killerin spielt. Da brauchte sie auch nicht so viel anzuziehen. Alain Delon hat der Film wahrscheinlich gefallen, mit Rollen als Killer ist er berühmt geworden. Wenn Anne Parillaud als staatliche Auftragsmörderin ein Erfolg war, als Vampir war sie das nicht. Obgleich sie ein Vampir zum Anbeissen war. Ich habe den Film von John Landis ✺Bloody Marie: Eine Frau mit Biß schon in dem Post Fantasy erwähnt. Falls Sie den Post noch nicht gelesen haben, sollten Sie das tun. Der ultimative Artikel zu Vampiren, Zombies, Zeitreisen, Rittern und diesem ganzen Quatsch.
Eine verworrene Handlung, viel Gewalt und Brutalität, Bösewichte aus der Retorte (auch noch ein klein wenig Gestapo Assoziationen), dumme Polizisten, verbrecherische Polizisten und eine Autojagd (die mit Steve McQueen in Bullitt ist besser) zeichnen den Film Rette deine Haut, Killer aus. Und der infantile Humor. Und schlechte, dröhnende Musik. Oscar Bentons ✺Bensonhurst Blues ist ja ganz nett, brauchte aber nicht so laut zu sein. Ich habe hier sechseinhalb Minuten von ✺Rette deine Haut, Killer, ist alles drin, mehr braucht man nicht. Der Film ist offensichtlich jahrelang in Deutschland in einer gekürzten Fassung gezeigt worden, aber das machte überhaupt nichts. Diesen Film kann man beliebig kürzen. Beliebig verlängern kann man dagegen die Aufzählung der erreurs dans le film auf der französischen Wikipedia Seite.
Wenn ich jetzt bösartig wäre, dann würde ich sagen, dass das Beste in dem Film der kurze Auftritt von →Brigitte Lahaie ist, der Königin des französischen Pornofilms. Die Actrice war ja immer mal in Spielfilmen des mainstream Kinos zu sehen, wie in I as in Icarus oder mit einem klitzkleinen ✺Auftritt in dem Kultfilm Diva, zu dem es hier einen langen Post gibt. Oder sie verschönte Naziploitation Filme wie ✺Bordel SS und Horrorfilme wie La Nuit des traquées (The Night of the Hunted).
Das ist ein Film, von dem ich sogar eine DVD besitze, lag im Grabbelkasten, hat mich zwei Mark gekostet. Ich war damals dabei, über die schlechtesten und komischsten Filme des Fantasy Genres zu schreiben. Also Filme wie ✺The Lair of the White Worm (hat hier schon einen Post) oder The Hunger mit Catherine Deneuve. Und ähnliche Filme. Man muss dabei aber ganz vorsichtig sein, ich glaube Jean Rollins ✺La Nuit des traquées hat mittlerweile schon Kultstatus. Natürlich habei ich auch diesen Film hier für Sie. Filmisch gesehen ist er auf jeden Fall besser als Delons Rette deine Haut, Killer. Der kleine ✺Nestor Burma Film sowieso.
Arte hatte 2016 einen Delon Schwerpunkt, ich weiß nicht warum. Hätten sie ja im November 2015 machen können, als er achtzig wurde. Was dabei sehr gut und interessant war, war die Dokumentation ✺Alain Delon, persönlich, die jetzt nach dem Tod von Alain Delon wieder in der Mediathek ist. Und die Arte gestern Nacht noch einmal sendete. Damals habe ich auch das Regiedebüt von Delon zum ersten Mal gesehen: arte zeigt den unnahbaren Einzelkämpfer mit stechend kühlem Blick in vier Spielfilmen: 'Monsieur Klein' von Joseph Losey, 'Rette deine Haut, Killer' - Delons Regie-Debüt, in dem er selbst die Hauptrolle spielt. Arte hatte in seinem Delon Schwerpunkt im Jahre 2016 auch gute Delon Filme gezeigt, die gibt es natürlich auch. Aber da hat Delon keine Regie geführt. Für Rette deine Haut, Killer gilt der schöne Satz: Ne sutor supra crepidam!, was auf Deutsch Schuster bleib bei deinen Leisten heißt. Und seien Sie unbesorgt, ich rede jetzt nicht wieder über Schuhe. Aber dass Delon Kunde bei Berluti war, dass darf man ja wohl erwähnen.
Regie zu führen ist eine Kunst, bei der man etwas von dem Handwerk verstehen muss. Davon versteht Delon überhaupt nichts, deshalb die continuity Fehler und die Löcher in der Handlung. Der Drehbuchautor heißt übrigens auch Alain Delon. Der Schriftsteller Christopher Frank hat ihm dabei geholfen. Der hatte zehn Jahre zuvor einen Roman geschrieben, der La Nuit américaine hieß. Ein Titel, den wir kennen, Truffaut hat einen Film mit der schönen Jacqueline Bisset daraus gemacht. Allerdings muss man sagen, dass die Dialoge von Christopher Frank in Rette deine Haut, Killer nicht auf dem Niveau von Truffaut sind. Der übrigens in seinen Filmen für Delon niemals eine Verwendung fand. Von den Vertretern der Nouvelle Vague drehte lediglich Godard 1990 einen Film mit Delon, der aber grottenolmschlechte Rezensionen brachte.
Als der Regisseur Delon den Film Rette deine Haut, Killer dreht, ist er sechsundvierzig Jahre alt. Da hatte er schon mit Joseph Loseys Monsieur Klein seinen letzten großen Film gedreht. Er möchte gerne jünger sein, er möchte auch gerne so tough sein wie sein Konkurrent Belmondo (zu dem es einen kleinen Witz im Film gibt). Ist er aber bei dem ganzen violence is fun Getue nicht. Wenn er einen karierten Anzug tragen würde, wäre dies die perfekte Nick Knatterton Verfilmung. Mit der Kunstform des französischen Kriminalfilms hat dies nichts zu tun.
Delons Filmdebüt erregte nicht das Aufsehen renommierter Kritiker. Zwar finden sich im Internet viele Lobhudeleien, aber die berühmten Cinéasten blieben stumm. Stumm blieb auch Hans Gerhold, ein Kenner des französischen Films. In seinem souveränen Überblick Kino der Blicke: Der französische Kriminalfilm sucht man den Titel Rette deine Haut, Killer vergebens. Bei den in →Polar: Französischer Kriminalfilm aufgelisteten fünfzig wichtigen Kriminalfilmen ist er auch nicht dabei. Am besten hat mir aber gefallen, was Jean-Patrick Manchette, dessen Roman Que d'os Delon verfilmte, im Gespräch mit Martin Compart über Alain Delons Film gesagt hat: Egal was die Kritik sagt: Ich halte die Verfilmungen von Chabrol oder Bral nicht für besser als die durch Delon und Deray. Von mir wird man kein schlechtes Wort über Delon hören; er hat mir mein Appartement bezahlt. Und die Seite von →Adieu, Monsieur Delon von Martin Compart sollten Sie jetzt unbedingt einmal anklicken.
Der Schluss von "Nur die Sonne war Zeuge", der die Intention des Romans (und aller folgenden Ripley-Romane von Patricia Highsmith) in das komplette Gegenteil verkehrte, war in gewisser Hinsicht das Schlechteste an diesem Film! 2 Zitate dazu: "It was a terrible concession to so-called public morality that the criminal had to be caught." (Highsmith) and "Purple Noon (i.e. Nur die Sonne war Zeuge) ends as it does only because Clement doesn't have Highsmith's iron nerve" (Roger Ebert, Chicago Sun-Times).
AntwortenLöschenDanke. Ja, Sie haben natürlich Recht.
LöschenWenn die Leinwandhelden vom Sockel geholt werden... Irgendwie schade. Die guten Filme bleiben wie die schlechten.
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