Den Titel eines Herzogs von Buccleuch gab es noch nicht so lange. Charles II hatte seinem unehelichen Sohn James Scott 1663 diesen Titel verliehen. Das steht alles schon in dem Post Stuarts, in dem Sie auch das schöne Lied des James Monmouth von Theodor Fontane lesen können: Es zieht sich eine blutige Spur Durch unser Haus von Alters, Meine Mutter war seine Buhle nur Die schöne Lucy Walters. Das müssen Sie jetzt lesen, das geht nicht anders. Über seine Mutter, die schöne Lucy Walters, können Sie mehr in dem Post the finest Woman of her Age lesen , in dem alle Liebschaften des Königs erwähnt werden.
Der junge Henry Scott war in der privaten Schule von Mr Fountaine in Marylebone, wo er sich unglücklich und verlassen fühlte: almost neglected by my mother, neglected in every respect as to my learning by the masters of the school unknown to my family and connections. Aber in Eton, da lebte er auf, auf die Public School lässt er nichts kommen: no person ever derived so much advantage from a public education as I did. Danach hat er eine Bildungsreise gemacht, die ihn nach Frankreich und in die Schweiz führt, wo er Voltaire kennenlernt. Sein Begleiter auf der →Grand Tour ist ein berühmter Mann, es ist der Philosophieprofessor Adam Smith. Der seine Professur in Glasgow sausen ließ, als er hörte, dass man ihm für die Position eines Tutors des jungen Herzogs und dessen Bruders Hew Campbell Scott fünfhundert Pfund jährlich zahlen würde. An der Uni verdiente Smith gerade mal die Hälfte. Er bekommt nicht nur während der Reise diese große Summe (es wären heute 50.000 Pfund), der junge Herzog wird Adam Smith auch jährlich dreihundert Pfund als lebenslange Rente gewähren. Der Philosoph ist für den jungen Herzog zu einem Freund geworden: In October 1766, we returned to London, after having spent near three years together, without the slightest disagreement or coolness on my part, with every advantage that could be expected from the society of such a man. We continued to live in friendship to the hour of his death; and I shall always remain with the impression of having lost a friend whom I loved and respected, not only for his great talents, but for every private virtue.
Ihre Reise hatte in Toulouse begonnen, wo es eine große englische Gemeinde gab. Adam Smith konnte Latein, aber kaum Französisch; er findet keinen Anschluss an die feine französische Gesellschaft, er langweilt sich. Er schreibt in einem Brief an seinen Freund David Hume in Paris: I had begun to write a book to pass away the time. Das Buch, das er jetzt schreibt, hat nichts mit der Moralphilosophie zu tun, die er an der Universität lehrt, es geht hier um das →Geld. Der Wohlstand der Nationen wird das Buch heißen, man hat es auch als die Bibel des Kapitalismus bezeichnet. Das Buch, das immer wieder nachgedruckt und in viele Sprachen übersetzt wird, macht aus dem Professor aus der Provinz eine europäische Berühmtheit. Mit Geld wird Henry Scott auch zu tun haben, er wird fünfunddreißig Jahre lang der Gouverneur der Royal Bank of Scotland sein.
Der erste Herzog von Buccleuch (Bild), der in einem Bordell aufwuchs, konnte mit neun Jahren nicht lesen und schreiben. Als Henry Scott neun Jahre alt ist, heiratet seine verwitwete Mutter den Schatzkanzler Charles Townshend. Und der wird für eine gute Erziehung seines Stiefsohns sorgen. Wozu unter anderem Eton und die Grand Tour gehörte. Townshend hatte Adam Smith als Tutor ausgesucht. Es war eine erstaunliche Wahl, denn Smith galt für seine Zeitgenossen als zerstreuter Professor. He was the most absent man in company I ever knew, he appeared very unfit for the intercourse of the world as a
travelling tutor, versichern uns Zeitgenossen. Er soll einmal nur mit seinem Schlafrock bekleidet stundenlang durch Edinburgh gewandert sein, bevor er bemerkte, dass er nicht richtig bekleidet war. Aber Townshend hat die Bücher von Smith gelesen und weiß, dass in dem Mann etwas steckt. Die zehn Monate in Paris werden Adam Smith zu einem anderen Menschen machen, werden ihn aufleben lassen. Obgleich er in einem Brief an seinen Freund David Hume die Oberflächlichkeit und Selbstverliebtheit der Franzosen kritisiert, irgendwie genießt Smith dieses Leben.
Die Grand Tour nimmt in Paris ein trauriges Ende. Zuerst erkrankt der junge Herzog nach einer Jagdgesellschaft mit dem König in Compiègne an einem heftigen Fieber, aber dem berühmten François Quesnay (Bild), mit dem Smith über Ökonomie diskutiert hatte, gelingt es, ihn wieder auf die Beine zu stellen. Quesnay ist nicht nur Nationalökonom, er ist auch der Leibarzt von Madame Pompadour und der Arzt des Königs. Wenig später erkrankt auch der Bruder des Herzogs, die beiden Nationalökonomen Quesnay und Smith werden viele Stunden am Krankenbett verbringen, he is my particular and intimate friend, wird Smith über Quesnay schreiben. Aber alle Mittel der ärztlichen Kunst, Opiate und Aderlaß, helfen nicht, der neunzehnjährige Hew Campbell Scott stirbt am 19. Oktober in Paris. In schottischen Zeitungen hält sich das Gerücht, er sei assassinated on the streets of Paris. Das steht noch 1895 in John Raes Life of Adam Smith, aber davon ist keine Zeile wahr.
Wahrscheinlich ist es dieses traurige Ereignis, das Adam Smith in seinem Buch Der Wohlstand der Nationen über die englische Grand Tour schreiben lässt: Wenn jemand in so jungen Jahren reist und die kostbarsten Jahre seines Lebens, der Obhut der Eltern und Verwandten entzogen, in höchst liederlichem Müßiggang zubringt, so kann sich jeder gute Ansatz einer früheren Erziehung weder festigen noch entwickeln. Für Henry Scott (hier im Alter von Sir John Watson Gordon gemalt) ist die Grand Tour dagegen ein Gewinn. Die drei Jahre mit Adam Smith werden dem jungen Herzog die Augen für die geistige Welt öffnen. Er wird der erste Präsident der Royal Society of Edinburgh werden und wird ein lebenslanger Freund des Schriftstellers Sir Walter Scott sein. Dem er immer wieder finanziell aus der Patsche hilft. Nach dem Tod seines Mäzens veröffentlicht Scott den kleinen Nachruf →The Late Duke of Buccleuch and Queensberry. In dem er betont, dass Henry Scott zu den Pächtern seiner Ländereien immer fürsorglich gewesen sei. Im Gegensatz zu dem Duke of Sunderland vertreibt er niemanden von der Scholle. Denn die romantische Verherrlichung Schottlands, die mit Walter Scott beginnt, vernebelt die schottische Realität. Die Sunderlands und die Chiefs der Clans vertreiben in den sogenannten Highland Clearances ihre Pächter, weil sie den Grund und Boden für die Schafzucht brauchen. Sie treiben so ihre eigenen clansmen in die Emigration. Eine ethnische Säuberung der besonderen Art. Daran hat Henry Scott nicht den geringsten Anteil.
Henry Scott, der mit vier Jahren Herzog von Buccleuch geworden war, wird seine Besitzungen in Schottland erst sehen, wenn er zwanzig ist. Danach wird er sich um sie kümmern. Er hatte 1767 Lady Elizabeth Montagu (hier von Gainsborough gemalt) geheiratet und machte mir ihr die Hochzeitsreise nach Dalkeith House, einem Schloss, das den Buccleuchs seit 1642 gehörte. Scott behält zwar noch seine Stadtwohnung in London am Grosvenor Square, aber hier in Midlothian will er bleiben. Er beauftragt den berühmten Architekten Robert Adam, das Schloss umzubauen. Und er freundet sich schnell mit seinem Nachbarn Henry Dundas an, der der politisch mächtigste Mann Schottlands werden wird. Der lässt sich auf seinem Besitz ein scheußliches neugotisches Schloss bauen, er hätte lieber Robert Adam als Architekten nehmen sollen. Der Herzog kümmert sich jetzt um die Landwirtschaft. Er soll sich, so wird berichtet, ähnlich wie Harun al Raschid, in Verkleidung unters Volk gemischt haben, um deren Sorgen und Nöte zu erfahren. Es ist eine schöne Geschichte, aber sie enthält einen wahren Kern. Henry Scott sorgt für seine Pächter, diskutiert mit Bauern und Förstern, lässt neue Wälder anpflanzen und erprobte mit Hilfe seines Verwalters William Keir neue Methoden der Landwirtschaft. Seinen alten Tutor Adam Smith hat er nicht vergessen, er wird dafür sorgen, dass Smith 1778 zum Zollkommissar von Schottland berufen wird. Eine Tätigkeit, die der Philosoph mit großer Energie gegen Tee- und Branntweinschmuggler wahrnehmen wird. Da bekommt die unsichtbare Hand seines poltischen Systems doch etwas Reales.
Leider gibt es keine schöne Biographie über den dritten Herzog von Buccleuch, also so etwas, was Elizabeth Longford zu schreiben pflegte. Es gibt seit zehn Jahren das sehr gute Buch von Brian Bonnyman →The Third Duke of Buccleuch and Adam Smith: Estate Management and Improvement in Enlightenment Scotland, von dem man einen Teil bei Google Books lesen kann. Das Portrait auf dem Cover des Buches stammt von der schottischen Malerin Catherine Read, die auch die Kinder des Herzogs portraitierte. Wenn es auch keine schöne Biographie gibt, in der schönen Literatur kann man den Herzog finden. Am Anfang von The Great Gatsby sagt der Erzähler Nick Carraway: My family have been prominent, well-to-do people in this middle-western city for three generations. The Carraways are something of a clan and we have a tradition that we’re descended from the Dukes of Buccleuch, but the actual founder of my line was my grandfather’s brother who came here in fifty-one, sent a substitute to the Civil War and started the wholesale hardware business that my father carries on today. Ich weiß nicht, wie F. Scott Fitzgerald auf die Buccleuchs gekommen ist. Der Herausgeber der Cambridge Edition der Werke Fitzgeralds vermutet einen kleinen privaten Scherz, weil Fitzgerald ja auch ein Scott in seinem Namen hatte.
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