Donnerstag, 5. September 2013

Jean-Pierre Desclozeaux


Das hier ist ein Chefkoch, der hofft, einen Stern im Guide Michelin zu bekommen. Der Cartoon ist von dem Franzosen Jean-Pierre Desclozeaux. Sagt Ihnen jetzt nichts? Der Cartoon-Künstler, der diese graphischen Kunstgriffe mit allzeit zartem, manchmal auch farbigem Strich übt, ist der vor vierzig Jahren in Südfrankreich geborene, hierzulande noch weithin unbekannte Jean-Pierre Desclozeaux. War in Westermanns Monatsheften im Jahre 1978 zu lesen.

Und im gleichen Jahr heißt es im Wilhelm Busch Jahrbuch: Die vorausgehende, mit einem imponierenden Katalog versehene Ausstellung zweier junger in Paris lebender Künstler, Jean-Pierre Desclozeaux und Fernando Puig Rosado (23. 4. - 25. 6.), hatte von der Bedeutung her nicht weniger Gewicht, aber sie »kämpfte« mit dem Problem des zu geringen Bekanntheitsgrades der beiden Cartoonisten in Deutschland. Jean-Pierre Desclozeaux gehört zu den begabtesten französischen Karikaturisten der Gegenwart. Seine seit 1965 in der Presse veröffentlichten Zeichnungen, seine Illustrationen und unterschiedlichen Werbe-ldeen zeigen einen märchenhaft hintergründigen, in zarten, geradezu zerbrechlichen Formen verpackten Humor, der die Fragwürdigkeiten des Alltags spiegelt.

Desclozeaux sieht natürlich nicht so aus wie auf dem Photo oben, er sieht so aus wie auf dieser Zeichnung. Aus der Zeit der beiden obigen Zitate stammt auch der Band Feder-Spitzen (Stalling Verlag), mit dem der Zeichner zum ersten Mal in Deutschland hätte bekannt werden können. Er enthält ein Vorwort (und eine Zeichnung) von Ronald Searle. Mit dem war der Franzose befreundet, er hat ihn auch als Mitglied in die von ihm (zusammen mit Fernando Puig Rosado und Bonnot [= Claude Favard]) gegründete Société Protectrice de l’Humour aufgenommen.

Ronald Searle war der einzige Nichtfranzose in diesem erlauchten Kreis von Karikaturisten. Aber eigentlich ist er ja ein halber Franzose, weil er von 1961 bis zu seinem Tod vor zwei Jahren in ➱Frankreich gelebt hat. Er hat dort auch eine Vielzahl von Ehrungen erfahren, die Bibliothèque Nationale hat ihm 1973 eine ganze Ausstellung gewidmet. Die Franzosen haben noch Stil und Kultur, bei denen gilt ein Cartoonist noch etwas.

Ich habe Cartoonisten immer gesammelt. Ronald Searle habe ich beinahe komplett, der hat ein eigenes Regal. Edward Gorey auch. Von ➱Nikolaus Heidelbach hätte ich sogar beinahe einmal einen Originalcartoon gekauft. Ich ärgere mich noch heute, dass ich es nicht getan habe. Der Cartoon hieß Wie ich mir das Geld für mein erstes Fahrrad verdienen musste. Ich weiß genau, wie das Bild aussieht, denn ich habe vor dreißig Jahren in der Galerie alle Postkarten davon aufgekauft. Ich habe diese kleine Geschichte schon in dem Post ➱Tigerente erzählt. Damals stand Heidelbach am Anfang seiner Karriere, sein Kinderbuch Das Elefantentreffen hatte gerade einen Preis bekommen.

Ich habe natürlich auch ein ganzes Regal für die Franzosen, Bosc, Chaval, Sempé, Siné, Jean-Marc Reiser und wie sie alle heißen. Mein Freund Ekke (dem ich hiermit verspätet zum Geburtstag gratuliere) wäre sicherlich auch ein guter ➱Karikaturist geworden, viele Leser fanden die Zeichnung in dem ➱Günter Grass Post sehr witzig. Heute ist er pensionierter Professor für Kriminologie, zeichnet aber immer noch. Vielleicht wird es ja noch etwas mit einer neuen Karriere.

Jean-Pierre Desclozeaux ist im Juni fünfundsiebzig Jahre alt geworden, das habe ich leider verpasst. Sonst hätte diese kleine Hommage an den Meister des feinsinnigen Humors natürlich pünktlich hier gestanden. Der Cartoon-Künstler mit allzeit zartem, manchmal auch farbigem ist der hierzulande noch weithin unbekannte Jean-Pierre Desclozeaux, an dem Satz aus Westermanns Monatsheften auf dem Jahre 1978 hat sich leider bis heute wenig geändert.

Ich besitze seit vielen Jahren eine Postkarte von Desclozeaux, sie hängt mit Glas und Rahmen versehen bei mir an der Wand. Sie ist das Geschenk einer Freundin, die mit grüner Tinte oben drüber Mein Freund Jay geschrieben hat. Ja, so ist es, ich wage mich immer zu weit vor. Was man hier nicht sehen kann: die Ratte steht mit ihren Füßen an der Kante eines steilen Felsens. Das macht die Gefährdung noch größer. Witzigerweise fiel mir als erstes dieser Cartoon ein, als ich den Post über das Bild Le Pecheur von ➱Forain schrieb.

Wenn diese wunderbare Zeichnung mit der Ratte aus dem Jahre 1977 schon ausreichen würde, uns tiefsinnige Gedanken zu machen, so hat sie noch eine weitere Bedeutung. Auf der Rückseite steht nämlich à la pointe du rat. Das ist nun ein witzige Wortspiel auf Pointe du Raz, das felsige Kap in der Bretagne. Wo man sicher mit einem gelben Ostfriesennerz gut gekleidet ist. Und diesen Cartoon hier würde man wohl leichter verstehen, wenn man das Zitat Il faut savoir tremper sa plume dans le bleu du ciel von Félix Leclerc kennt. Das ist alles zu intelligent, zu französisch. Damit kann man in Deutschland keine Bücher verkaufen. Irgendwie schade.

Ist es Resignation oder ein ironisches Kokettieren, wenn Desclozeaux diese Zeichnung mit Mine de Rien betitelt? Aus mine de plomb wird mine de rien. Nein, das ist kein Nichts. Dieser Zeichenstift, der eine ganze Welt erfinden kann, ist alles. The pen is mightier than the sword. Der Zeichenstift eines Karikaturisten allemal. Und ich kann nur hoffen, dass dies gelesen wird. Jean-Pierre Desclozeaux' Kollege ➱Sempé hat einige tausend Leser gefunden, ➱Janosch hat zweitausend Leser mehr als Sempé. Aber dass ich ➱Ronald Searle zum neunzigsten Geburtstag gratulierte, das hat niemand gemerkt.

3 Kommentare:

  1. Wenn E. aus Bremen Nord kommt, wäre es eher Kriminalistik,vor allem Strafrecht.

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  2. Wenn ich's nur wüsste. Hier mehr dazu: http://www.gabi-tausendpfund.de/030ebfa0b90c72f14/index.html

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  3. Danke, die Sache ist klar. E. hat ausschließlich Strafrecht unterrichtet, und tut dies vielleicht noch, als Lehrbeauftragter.

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