Dienstag, 8. August 2017

Friedrich Wasmann


So habe ich denn damals, in einem entlegenen Erdenwinkel in größter Abgesondertheit lebend und meine eigene künstlerischeTätigkeit beiseite schiebend, eine für mich gänzlich fremde Arbeit unternommen: die Vorbereitung zur Herausgabe eines noch nicht druckreifen Manuskripts mit vielen in den Text eingefügten Lichtdrucken; es war dies aus der Ferne und bei den Forderungen, die ich auch an die äußere Form eines Buches stellte, keine leichte Arbeit.

Das schreibt der norwegische Maler Bernt Grönvold, den Lovis Corinth 1923 gemalt hat (Bild), über das Buch Friedrich Wasmann: Ein deutsches Künstlerleben von ihm selbst geschildert. Der Hamburger Maler, den ich letztens in dem Post über  Philipp Otto Runge erwähnte, wurde am 8. August 1805 in Hamburg geboren, wo er auch bei Christoffer Suhr seine malerische Ausbildung erhielt. Wasmann ging danach an die Dresdener und dann an die Münchener Akademie. Ständig kränkelnd ließ er sich für zwei Jahre in Meran nieder, bevor er für drei Jahre nach Italien ging.

In Rom traf er (hier ein Selbstportrait) Künstler wie ➱Friedrich Overbeck, ➱Joseph Anton Koch und ➱Bertel Thorvaldsen, geriet unter den Einfluss der Nazarener und konvertierte zum Katholizismus. Doch drei Jahre Rom waren dem Hamburger genug, er kehrt an die Alster zurück. Lernt eine Frau kennen, die er 1845 heiratet und zieht mit ihr nach Meran. Wo er im Alter von 81 Jahren sterben wird. Das ist die Kurzfassung des Lebens des Malers, seine Autobiographie ist natürlich länger. Sie endet mit den Worten: Dieses habe ich in meinem zweiundsechzigsten Lebensjahre geschrieben und bitte die, welche es lesen, um ein Vaterunser, damit ich bei Gott Gnade und Vergebung der Sünden finden möge.

Wasmann hat erstaunliche Bilder gemalt, wie diesen ➱Blick in die Campagna (1835), ein Bild, das die Hamburger Kunsthalle besitzt. Die, dank ➱Alfred Lichtwark, viele Bilder von ihm hat. Als Bernt Grönvold zehn Jahre nach dem Tod von Wasmann dessen Lebenserinnerungen herausgab, war das Buch, das in fünfhundert Exemplaren erschien, leider ein Flop: Das Buch fand keine Beachtung. Ich hatte ein Echo, einen etwas wärmeren Empfang des neuen Kömmlings erwartet. Als nach neun Iahren kaum siebzig Exemplare Käufer gefunden hatten, zog ich die übrigen aus dem Buchhandel zurück. Man kann es (in der der Neuauflage von 1915) heute immer noch antiquarisch finden, ich habe für mein Exemplar drei Euro bezahlt. Die sich unbedingt lohnten.

Dabei hatte das Buch einen berühmten Fürsprecher gehabt. Na ja, berühmt war er noch nicht, er war noch keine zwanzig, als er diese Buchbesprechung schrieb: Vor einigen monaten ist einer unsrer liebenswürdigsten maler im geist der ersten hälfte des jahrhunderts einer unverdienten vergessenheit entrissen worden .. es war dazu nötig dass drunten im südlichen Tirol der nachlass des aus Niederdeutschland gebürtigen künstlers von einem heutigen künstler der ein Norweger ist entdeckt und gesammelt und in einer mit fleiss und opfern hergestellten schönen ausgabe dem deutschen volk zugänglich gemacht wurde.

Das vorliegende buch das mit einer selbst-lebens-beschreibung Wasmanns eine reihe von zeichnungen und gemälden aus den jahren 1828–35 in guten steindruck-nachbildungen enthält und das allein die bekanntschaft mit dem in keiner öffentlichen sammlung vertretenen meister vermitteln kann ist wol von ausgezeichneten kunstkennern wie Hermann Schlittgen dringend empfohlen worden hat aber in weiteren kreisen die würdigung noch nicht gefunden die es verdient.

Mögen wir auch zugeben dass durch eine gewissenhafte und feine auswahl der wert der angebotenen schöpfungen ungemein erhöht wird und wir minderwertiges gar nicht zu gesicht bekommen so ändert das wenig an unsrer bewunderung für den mann der fern vom markte der ausstellungen fern vom drang der bestellungen schweigend und unbekannt zur zeit des Nazarenertums d.h. der allgemeinen formerstarrung mit der selbständigkeit der auffassung die reinheit der linien mit der vollendeten festigkeit und sicherheit eine keusche wahrhaft rührende anmut verband.

Schon in einer sehr frühen bleizeichnung ... zieht uns eine den zwang der schule durchbrechende eigenart an: in dem männlichen bildnis sehen wir die ganze verträumte jugend von damals mit dennoch einer festen und scharfen schönheit .. fast wie ein Rafael wirken die höchst einfachen striche die einen jüngling bilden · wie uns scheint einer von denen die voll von kühnen unschuldigen träumen und von himmlischen erwartungen ihre strasse nach Italien zogen.

Von bezaubernder innigkeit sind die mädchenköpfe ... besonders das zweitgenannte auf getöntem papier ... bei aller kindlichen und jungfräulichen reinheit liegt in diesem antlitz das bedeutungsvoll die augen aufschlägt ein so grosses trauriges verzichten dass wir ganz die jahreszahl vergessen und meinen die neuesten Engländer und Franzosen vor uns zu haben und zwar die besten. Manche dieser bildnisse sind uns eine enthüllung: so deutlich haben wir noch nie gestalten jenes abschnitts gesehen den man die Romantik nennt · ohne verschwommenheit und verweichlichung die helden Jean Pauls: wir bekommen ein neues bild jener stillglühenden und tiefblauen zeit.

Eine andre seite von Wasmanns kunst zeigen uns die ölbilder aus einem späteren abschnitt seines lebens mit noch gesteigertem sinn für das wirkliche .. wol müssen wir die farben dazu ersinnen (sie werden eher verschwiegen als leuchtend sein) aber es genügt die haltung jener Alten zu betrachten die bei meisterhafter behandlung der gewandung in ihrer behäbigen güte soviel menschliche ewige schönheit mitbekommen hat · oder den etwas geduckt dasitzenden keineswegs liebeerweckenden menschen den ich mir vorstelle mit seinem ledergelben südländergesicht das sich vom etwa blauen sammt des sessels abhebt: es ist darin etwas vom bestreben der Alten Meister die die abschreckende hässlichkeit geistlicher und weltlicher würdenträger so unvergänglich verklärt haben.

Dem maler dem mann von handwerk werden zulezt einige skizzen und entwürfe eine besondere aufmerksamkeit abringen · einige ganz geringfügige dinge mit einer einfachheit und fertigkeit hingeworfen wie es nur die Japaner vermögen: dort ein lamm · dort ein hahn · dort eine ziege. Die lebensbeschreibung die keine erläuterung zu den abbildungen gibt läuft selbständig als text mit. Sie ist im schlichten ehrlichen manchmal schattierungslosen ton damaliger zeit abgefasst .. dort finden wir aber auch – abgesehen von der teilnahme die das leben dieses merkwürdigen mannes erwecken muss – so feine beobachtungen und einflüsternde wendungen wie sie nur dem grossen schriftsteller gelingen.

So lesen wir in den kindererinnerungen: Bald zogen kosakenpulks · lieder in melancholischen molltönen singend in langen zügen über den deich · bald französische reiterscharen · die langsam vorüberreitend und niedergebeugt auf uns kinder die wir sie neugierig anblickten traurig und matt herabsahen · bei der betrachtung einer Medusenmaske stehen die worte: was ich damals nicht verstand ist mir jezt klar und erscheint mir wie ein bild der von Gott getrennten unerlösten natur die wie der blick der schlange das auge des menschen bezaubert die seele erstarren macht und in tödlichen schlaf versenkt · in der Italienreise findet sich der abschluss: Die menschen schienen mir einen wehmütigen zug im gesicht zu haben den ich bis dahin nie gekannt hatte als wären sie auf einer wallfahrt durchs leben begriffen und bewegten selbst mitten im geräusch des tages und bei der arbeit die lippen zu stillem gebet.

Sie werden es nicht glauben, der junge Kunstkritiker ist niemand anderer als ➱Stefan George.

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