In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstehen überall in Europa Künstlerkolonien. Von Barbizon bis ▹Skagen und ▹Worpswede. Aber nicht nur in Europa, auch in Amerika, wie man an dem Buchtitel American Art Colonies 1850-1930 entnehmen kann. Eine dieser Kolonien ist die Farm von Julian Alden Weir, der am 30. August 1852 geboren wurde. Er hatte seine Farm billig gekriegt, der Verkäufer nahm 10 Dollar dafür. Und ein Gemälde, das Weir besaß. Ein Gemälde und zehn Dollar sind kein schlechter Preis für 619.169 Quadratmeter. Die Farm, auf der berühmte amerikanische Maler gearbeitet haben, ist heute ein National Historic Site.
Der Mann, der Weir die Farm verkauft, heißt Erwin Davis. Im Gegensatz zu Johann August Sutter, dem ▹Kaiser von Kalifornien, ist Davis jemand, der am kalifornischen Goldrausch wirklich etwas verdient. Er besitzt Silberminen und spekuliert in Minengeschäften. Als er sich aus dem Geschäft zurückzieht, geht er nach New York und kauft europäische Kunst. Er hat zwar davon keine Ahnung, wie die meisten Millionäre des Gilded Age, aber er hat seine Leute. Einer davon ist der junge Maler Julian Weir. Der kauft 1881 in Europa eine ganze Sammlung von Rembrandt Radierungen und dreißig Gemälde für Davis. Zwei der Gemälde sind von Manet, die Dame mit dem Papagei und den Knaben mit dem Schwert. Es sind die ersten Bilder von Manet in Amerika.
Weir kauft auf seiner Europareise auch noch für andere Sammler. Zum Beispiel mein Lieblingsbild ▹The Battle of the Kearsarge and the Alabama von Manet (heute in Philadelphia). Die amerikanischen Millionäre vertrauen ihm, sie geben ihm viel Geld in die Hand. Für den Bankier ▹Henry Gurdon Marquand wird er 1883 in London für 25.000 Dollar einen ▹Rembrandt kaufen. Damals war es ein Rembrandt, heute heißt es nur noch attributed to Rembrandt. Das ist so ähnlich wie bei dem ▹Bremer Rembrandt.
Den Tip mit Manet hatte ihm der Maler William Merritt Chase gegeben. Chase hat ▹hier schon einen ausführlichen Post, deshalb kann ich diesen hervorragenden Maler mal eben weglassen. Und ▹Manet kann ich auch weglassen, weil der immer wieder in diesem Blog erwähnt wurde. Was wir hier sehen, ist ein Bild, das Weir auf seiner Farm gemalt hat. Frisch, und gekonnt gemalt, aber der Impressionismus, zu dem er in den 1890er Jahren finden wird, ist noch weit weg.
Auch wenn er im Schatten von amerikanischen Malern wie John Singer Sargent und William Merritt Chase steht, Weir ist nicht ohne Erfolge. Dieses französische Bauernmädchen hat er 1875 gemalt, der Pariser Salon zeichnet es im nächsten Jahr mit einem Preis aus. Mit dem Impressionismus hat Weir damals noch nichts im Sinn, den fand er fürchterlich: I never in my life saw more horrible things ... They do not observe drawing nor form but give you an impression of what they call nature. It was worse than the Chamber of Horrors.
Julian Alden Weir, ist auf diesem Photo im Vordergrund, der Herr im Hintergrund wirkt sehr klein, aber er ist ein größerer Maler als Weir. Es ist sein Freund John Singer Sargent. Weir hatte ihn 1874 in Paris kennengelernt und sich notiert: Such men wake one up, and his principles are equal to his talents, I hope to have his friendship. Die Freundschaft mit Singer wird er bekommen, zuerst teilen sich beide in Paris ein Atelier und später wird Sargent seinen Freund immer wieder auf der Farm in Connecticut besuchen.
Drei Jahrzehnte vor dem Photo oben, das einen Monat vor dem Tod von Weir im Jahre 1919 gemacht wurde, hat Weir seinen Freund John Singer Sargent gemalt: I met this last week a young Mr. Sargent about eighteen years old and one of the most talented fellows I have ever come across. Ein anderer Zeitgenosse bekommt nicht so nette Worte von ihm. In einem Brief an seine Eltern redet er von a snob of the first water, a first class specimen of an eccentric man. Sein Vater wird da gelächelt haben, als er das las, denn ▹James Abbott McNeill Whistler war einmal sein Schüler an der Militärakademie West Point, wo Weir Senior Zeichenlehrer war.
Welches Bild Weir gegen die Farm eintauschte, wird ein Geheimnis bleiben, in keiner der Quellen, die ich eingesehen habe, wird es erwähnt. Vielleicht ist es auch nur eine gut erfundene Geschichte, und Weir hatte die Farm, auf der eines Tages ▹Childe Hassam, ▹Albert Pinkham Ryder, John Singer Sargent und John Twachtman malen werden, von Davis geschenkt bekommen. Als Dank dafür, dass Weir ihm diese schöne Kunstsammlung zusammengekauft hat.
Das Kornfeld da oben gefällt mit besser als die rote Brücke hier, aber die gilt als ein Hauptwerk von Weir. Der Mann, der 1877 an seine Eltern schrieb: I never in my life saw more horrible things, ist inzwischen zum Impressionismus übergegangen. Sag niemals nie. Really, I know not what I am best at. I believe I am a fisherman, dreamer and lover of nature . . . if I lived to 102 I might become an artist, hat er im Alter gesagt. 102 Jahre ist er zwar nicht alt geworden, aber ein guter Maler war er vorher doch schon.
Auf dieser ▹Seite können Sie viele Bilder von Weir sehen. Und noch mehr amerikanische Kunst aus dieser Zeit in den Posts: John French Sloan, William Merritt Chase, Thomas Eakins, Winslow Homer Frank Duveneck, Lilla Cabot Perry, Armory Show, Malerinnen
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