Mittwoch, 5. August 2020

amerikanischer Kitsch


Wenn ich heute ganz kurz und etwas bösartig über den amerikanischen Maler Henry Siddons Mowbray schreibe, der am 5. August 1858 geboren wurde, dann muss ich noch einmal auf den Post ↝Dächer und den Maler ↝John French Sloan und seine Freunde zurückkommen. Der Kunstsammler Duncan Phillips hat über dieses Bild von Sloan (das 1971 auch eine Briefmarke zierte) geschrieben: Sloan, during that earlier New York period was a splendid painter and space composer. He could take the ugly facts of a scene like the deck of a ferry boat on a rainy day and make his use of gray not only dramatic but infinitely subtle in its scale of 'values.' Sloans Freunde und Malerkollegen, die man die Ashcan School nennt, wollen die Großstadt und den amerikanischen Alltag abbilden, sie sind in manchem (auch in ihrem sozialen Engagement) das malerische Äquivalent zu den Muckrakers.

Die Maler der Ashcan School haben nichts mit erfolgreichen Gesellschaftsmalern wie John Singer Sargent oder William Merritt Chase gemein, die eine reiche Kundschaft haben. Die haben die Maler der Ashcan School nicht: We always painted for ourselves, expecting no commercial success and having none. Die Straßen von New York sind kein Sujet, das Millionäre sich in den Salon hängen. Ein Bild wie dieses von Henry Siddons Mowbray, das Idle Hours heißt und heute im Smithsonian American Art Museum hängt, das stößt bei der Schickeria des Gilded Age allerdings auf Begeisterung.

Mowbray ist der Maler des amerikanischen Großkapitals, er malt Bilder für Leute wie John Pierpont Morgan und Frederick William Vanderbilt, die in dem Gilded Age reich geworden sind. Und er stattet die Villen aus, die die Herren McKim, Meade und White (die auch das Weiße Haus umbauen) für Amerikas Millionäre bauen. Die drei Architekten kommen schon in dem Post Dementia Americana vor, der kein Donald Trump Post ist, obgleich der Begriff Dementia Americana ja auch wunderbar auf Trump zutrifft.

Es gibt um 1900 ein anderes Amerika, das ist das Amerika, das uns der Photograph und Sozialreformer Jacob Riis in How the Other Half Lives zeigt (Sie können hier seine Photos sehen). The problem of our age is the proper administration of wealth, so that the ties of brotherhood may still bind together the rich and poor in harmonious relationship, hat Andrew Carnegie in einem Essay mit dem Titel The Gospel of Wealth gesagt. Er hat sich an seine Thesen gehalten, er hat 350 Millionen Dollar, drei Viertel seines Vermögens, für gute Zwecke weggegeben. Aber die harmonious relationship zwischen arm und reich hat es in Amerika nie gegeben. Um 1900 nicht, und heute erst recht nicht.

Henry Siddons Mowbray hat in Paris studiert unter anderem bei Jean-Léon Gérôme, einem Maler, der sich dem Orientalimus verschrieben hatte. Dieser Orientalismus macht sich damals überall breit, Verdi schreibt seine Aida, Flaubert Salambo (ein Lokal auf St. Pauli hieß später auch so), Ingres malt Harems und selbst in Deutschland gibt es Orientmaler wie Gustav Bauernfeind.

Den Orientalismus kann man damals den amerikanischen Millionären, die sehr viel Geld, aber gar keinen Geschmack haben, gut verkaufen. Und das erstaunlicherweise noch heute. Das Bild Studio Lunch brachte es bei Christies's auf 288.000 Dollar. Bei YouTube kann man ein Video sehen, wo ein Enkel des Malers eine Scheußlichkeit anschleppt, die in der Antiques Roadshow PBS auf 50.000-75.000 Dollar geschätzt wurde. Es war schon immer etwas teurer, einen schlechten Geschmack zu haben.

Vor zwanzig Jahren hat es im Sterling and Francine Clark Art Institute in Williamstown (Massachusetts) eine Ausstellung zu der amerikanischen Version des Orientalismus gegeben, bei der Henry Siddons Mowbray gut vertreten war. Die Ausstellung hatte den Titel Noble Dreams, Wicked Pleasures: Orientalism in America, 1870-1930, der Ausstellungkatalog ist bei der Princeton University Press erschienen. Den brauchen Sie sich nicht für teures Geld zu kaufen, es reicht, wenn Sie diese Buchbesprechung lesen.

Kitsch gibt es immer noch in Amerika, genug davon. Im Augenblick hat ein etwas rechtsradikaler Maler namens Jon McNaughton Konjunktur, Sie kennen den schon aus dem Post Flüsse und Sümpfe. Im letzten Jahr hat der Meisterkünstler ein Werk vorgestellt, das The Masterpiece heißt. Er hat es auch auf YouTube vorgestellt, leider sind die Kommentare deaktiviert (es gibt aber genügend von dem, was man neuerdings meme nennt). The ‘painting’ is not finished! sagt der Maler in dem Video. Vielleicht malt der Donald ja noch ein paar Enten in Monets Wasserlilien.

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