Sonntag, 9. August 2020

Frank Bramley (once again)


Ich bleibe noch mal eben bei dem Thema Kitsch, einem Thema, das häufig in meinem Blog auftaucht, zuletzt hier. Vor genau fünf Jahren habe ich hier über den englischen Maler Frank Bramley geschrieben, das hat aber kaum jemand gelesen. Der Post über seinen Zeitgenossen George Spencer Watson ist mehr als 5.000 mal angeklickt worden, ich weiß nicht, weshalb. Aber ich mag diesen Frank Bramley, deshalb gibt es das Ganze jetzt (mit erheblicher Überarbeitung und neuen Bildern) noch einmal. Dieses spätimpressionistische Bild aus dem Jahre 1909 kann man heute als Poster, Kissenbezug und Teebecher kaufen. Der Kunstkritiker des Burr McIntosh Monthly konnte 1909 nicht so viel mit dem Bild anfangen:

Thus in Frank Bramleys 'Delicious Solitude,' which I have illustrated here, the face of the girl is all but hidden by her hat. There is no appeal whatever to our personal preference for, or interest in a certain type of face and character. We see her in an absolutely impersonal way, and can, if we are so minded, enjoy the abstract beauty that the mass of her figure shows. Wir brauchen das Gesicht der jungen Dame nicht zu sehen, dies ist eine Studie in Licht und Farbe, vielleicht ein ganz klein wenig kitschig.

Aber es ist weit entfernt von der Modernität, mit der Peder Severin Krøyer seine Frau Marie im Liegestuhl sitzend im Garten von Madame Bendsen gemalt hat. Als Bramleys Delicious Solitude 1996 bei Christie's in New York zur Auktion kam, fand der Autor der Auktionsbesprechung in Art & Auction das Bild des längst vergessenen Malers mit 30.000-50.000 Dollar bizarrely priced. Es wurde aber noch bizarrer: das Bild wurde ohne langes Feilschen für 613.000 Dollar an einen amerikanischen Liebhaber verkauft.

Aus demselben Jahr wie Delicious Solitude stammt das Bild When the blue evening slowly falls (das wahrscheinlich Bramleys Frau Katherine und den Zwergspitz der Familie darstellt). Das ist nun ziemlicher Kitsch, das Bild findet sich als Kunstdruck ebenso wie Delicious Solitude tausendfach im Internet. Es war einem Sammler vor sieben Jahren bei einer Auktion allerdings noch £163.875 wert. Diese blaue Stunde ist ja etwas, was die Skandinavier zu dieser Zeit perfekt gemalt haben. Peder Severin Krøyer liebte diese heure bleueSkagen can look so terribly dull in the bright sunlight ... but when the sun goes down, when the moon rises up out of the sea ... in recent years this has been the time I like most of all. Und auch Oda Krogh (die Sie in dem Post Nordlichter finden) konnte das perfekt. Ohne solchen Kitsch wie Bramley zu produzieren.

Der englische Maler Frank Bramley kannte Whistler und ist mit John Singer Sargent befreundet gewesen. Erstaunlicherweise erwähnt ihn Stanley Olson in seiner hervorragenden Sargent Biographie mit keinem Wort. Evan Charteris, der Sargent noch selbst gekannt hatte, erwähnt ihn in seiner Biographie auch nicht. Dabei sind beide Maler im neu gegründeten New English Art Club. Den Beweis ihrer Freundschaft liefert dieses Bild von Sargent. Gemalt in Broadway (Worcestershire), wo Bramley zusammen mit den amerikanischen Malern Edwin Austin Abbey und Frank Millet eine kleine Künstlerkolonie hatte. Sie ist to my friend Bramley Home Fields signiert. Das Bild ist an einem Spätnachmittag des Jahres 1885 gemalt, mit lockerem Strich. Country Life bezeichnete 1964 das Bild als The most lyrical phase of Sargent's love for the English countryside. 

Bramley wäre sicherlich auch ein guter Landschaftsmaler geworden, dieses erstaunlich frische Bild hat er um 1880 in Antwerpen gemalt, wo er die Königliche Hochschule für Malerei besuchte. Das Bild ist viel lebendiger als das, was die Maler in Worpswede auf die Leinwand bringen. Es steht auch in völligem Gegensatz zu den Bildern seines akademischen Lehrers Charles Verlat, der hauptsächlich Tiere und braun-soßige Bilder malte. Doch Bramley bleibt nicht bei dieser Malerei, acht Jahre später malt er ein Bild, das ihn berühmt macht, und das Verlats Stil und Themen nahe ist.

Es hat den Titel A Hopeless Dawn, technisch sicher gut gemalt, interessant in der Behandlung des Lichts, aber doch die viktorianische Tristesse par excellence. Die Frau auf dem Fußboden der Fischerhütte ist jetzt nicht das bei den Viktorianern so beliebte Motiv der fallen woman (klicken Sie doch mal eben den Post William Etty an und schauen Sie sich das Bild von Augustus Egg an). Nein, diese Frau da auf Boden, das ist die junge Witwe, deren Mann auf See geblieben ist. Wenn wir durch das Fenster schauen, können wir tobende Wolken und tosende See erkennen. Und die Kerze auf dem Fensterbrett ist erloschen, die Viktorianer lieben diese billige Symbolik. We saw Frank Bramley's picture which is not only good for him but I think one of the finest pictures I ever saw, schrieb ein Kritiker.

Und Caroline Fox und Francis Greenacre sagen in ihrem Buch Artists of the Newlyn School, 1880-1900Frank Bramley's reputation has always rested almost entirely on a single painting, 'A Hopeless Dawn'. This is not a reflection of a short life or meagre output but of the exceptional and continued appeal of that one picture. Das Bild, das die Tate Gallery ankaufte, wurde in der Royal Academy mit einem Begleittext von Ruskin ausgestellt: Human effort and sorrow going on perpetually from age to age; waves rolling for ever and winds moaning, and faithful hearts wasting and sickening for ever, and brave lives dashed away about the rattling beach like weeds for ever; and still, at the helm of every lonely boat, through starless night and hopeless dawn, His hand, who spreads the fisher's net over the dust of the Sidonian palaces, and gave unto the fisher's hand the keys of the kingdom of heaven.

Ich will da jetzt lieber nichts sagen, ich habe Leser, die mögen Ruskin. Während ich immer zu beleidigenden Äußerungen neige. Was wohl daran liegt, dass ich als Proust Fan beinahe alles von Ruskin gelesen habe, weil ich in meiner Jugend dachte, was gut für Proust ist, ist auch gut für mich. Das war ein Fehler, in der Zeit hätte ich etwas Besseres lesen können. Frank Bramley, der auf diesem Selbstportrait mit seinem Biberhut nichts von der Tristesse von A Hopeless Dawn hat, hat sein berühmtestes Bild in Newlyn in Cornwall gemalt. Szenen aus dem Leben der Fischer sind in dieser Zeit en vogue, ich habe das schon in dem Post Michael Ancher gesagt. Cornwall zieht ebenso wie Skagen die Maler an, und so haben wir eine Künstlerkolonie von St Ives (die hier schon einen Post hat) und eine von Newlyn. Die ist dem Maler Walter Sickert ein Dorn im Auge, er attackiert ihre Vertreter, da er nebenbei auch Kunstkritiken schreibt, bei jeder sich bietenden Gelegenheit.

Bramley bleibt nicht immer in Newlyn, er zieht mit seiner Familie nach Grasmere (wo Wordsworth einmal lebte) und vertauscht die Fischerhütten als Motiv mit den Villen der edwardianischen Upper Middle Class. Dieses Bild, das den Titel A Truce hat, ist eine Variante von When the blue evening slowly falls. Malerisch ist dieses companion piece viel besser als das mehr oder weniger zweidimensionale When the blue evening slowly falls. Kritiker rühmten hierbei die Lichtführung, diese geschickte Behandlung von natürlichem und künstlichem Licht. Man kann es nicht leugnen, dass er ein englischer Impressionist ist, und so wird er auch in Kenneth McConkeys Buch Impressionism in Britain behandelt.

Das Dictionary of British Art hat nur sieben Zeilen für den Maler übrig, der heute vor hundertfünf Jahren im Alter von 58 Jahren nach langer Krankheit in London gestorben ist. Er war ein stiller in sich gekehrter Mann, der nichts von dem flamboyanten Stil seines Zeitgenossen Whistler hatte. Die Times nannte den zurückhaltenden, melancholischen Mann in ihrem Nachruf modest, quiet, sweet and gentle. Das war er sicher. Vier Jahre vor seinem Tod war er in die Royal Academy aufgenommen worden, ein Associate der Akademie war er seit 1894.

1912 hatte er in London eine große Ausstellung gehabt. Die allerdings nicht den Geschmack des Kunstkritikers des Saturday Review traf: If we sought much from Mr. Bramley's exhibition in the Leicester Galleries, we should be disappointed. His pictures as it were 'slop over' with execution and exude sweet colour. What they unanimously lack a modest canvas by one Arnald, dated 1797 (and sharing Mr. Bramley's room), quietly offers us. This Wilsonian unambitious landscape has technique, while Mr. Bramley has little but flamboyant execution.

Der erwähnte Arnald aus dem 18. Jahrhundert ist George Arnald über den Wordsworth sagte: he would have been a better Painter, if his Genius had led him to read more in the early part of his life... I do not think it possible to excel in landscape painting without a strong tincture of the Poetic Spirit. Nun ist es ein wenig fies, im Jahre 1912 einen zeitgenössischen Maler mit einem Maler des 18. Jahrhunderts zu vergleichen. Ich habe, damit Sie einen Eindruck von George Arnald bekommen, eine Landschaft von ihm (die wirklich sehr nach Richard Wilson aussieht) in den oberen Absatz eingefügt. Aber die Malerei geht weiter. Wenn Frank Bramley einen See malt, dann sieht der natürlich nicht aus wie ein See von George Arnald oder Richard Wilson. Bei aller Stille, in der der See ruht, hat der Thislemere Lake in Cumberland doch eine flamboyant execution.

Erstaunlich ist allerdings die Preisentwicklung. Christie's hat vor Jahren einen George Arnald für 10.000 £ verkauft. Und Bilder von Richard Wilson - die ich mir jederzeit ins Wohnzimmer hängen würde, wenn ich das Geld hätte - waren zu Preisen zwischen zwanzig- und fünfzigtausend Pfund zu bekommen. Und dann 163. 875 Pfund für When the blue evening slowly falls und 613.000 Dollar für Delicious Solitude, das ist doch irgendwie grotesk. An vielen Bildern von Bramley würde ich bei einer Ausstellung achtlos vorbeigehen, aber bei diesem Bild (By the Fireside) oder dem Thislemere Lake käme ich schon in Versuchung, ein Bild zu stehlen.


Frank Bramley wurde schon in dem Post Malerinnen erwähnt. Ich habe hier einen Blog, der eine Übersicht über sein Werk gibt. Das tut dieses kleine Video auch. Und dann habe ich zu dem Bild A Hopeless Dawn noch ein wunderbares Kitschvideo.

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