Ich besitze seit Jahrzehnten eine kleine schwarze Holzschale, die ein wenig so aussieht wie diese Schale von dem Designer Simon Legald. Es war ein Geschenk meiner Mutter. Ist von Harjes, hatte sie dazu gesagt. Harjes bedeutete im Ort etwas. Den Kunsthandwerk Laden von Harjes in der Sagerstraße (unten zur Hafenstraße hin) liebte sie. Alles im Haus, was aus Bronze, Kupfer oder Messing war, stammte von Harjes. Meine kleinen Schnapsgläser auch. Ich hatte keine richtige Verwendung für die Schale, obgleich mir der Name Harjes hätte sagen sollen, dass dies hier ein Designobjekt war. Ich stellte sie auf die Fensterbank und füllte sie mit allerlei Krimskrams.
Beim Frühjahrsputz habe ich jetzt einmal alles aus der Schale herausgenommen und die Schale mit Möbelpolitur behandelt, da war sie wieder wie neu. Und da merkte man ihr an, dass es nicht nur eine simple Schale war, sondern eigentlich ein Kunstobjekt. Sorgfältig gedrechselt, alle Fasern des Holzes parallel. Meinem Freund Uwe, der Kunstprofessor war, würde das gefallen. Bevor er der deutsche Keramikspezialist wurde, hat er Holzarbeiten gemacht und mir erklärt, worauf es beim fachmännischen Verarbeiten ankommt. Dierk Böckenhauer, der Mitglied im Bundesverband Kunsthandwerk ist, wusste, was er machte, als er meine schwarze Schale gedrechselt hat. Eine richtige Verwendung für die Schale habe ich immer noch nicht, jetzt ist sie einfach nur schön, a thing of beauty is a joy forever.Die Geschichte der Firma Harjes beginnt 1912, als der Gürtlermeister und Metallbildhauer Friedrich (Fidi) Harjes seine Firma aufmacht. Nach dem Ersten Weltkrieg ist er nach Worpswede auf Heinrich Vogelers Barkenhoff gezogen und hat auch in der Worpsweder Arbeitsschule mitgearbeitet. Vogeler hat Harjes einen seiner fleißigsten Mitarbeiter genannt, er brauchte ihn, weil er hoffte, dass mit den Produkten der Metallwerkstatt etwas Geld in die leeren Kassen der Künstlerkommune kommt. Doch Harjes verlässt 1922 den Barkenhoff und zieht nach Bremen. Man trennt sich in Freundschaft, wie es auf dieser informativen →Seite der Firma Harjes heißt.
Aber in Wirklichkeit hasst Vogeler den Anarcho-Syndikalisten und fanatischen Vegetarier inzwischen. Hier hat er ihn 1919 mit Frau und nackten Kindern portraitiert, Arbeitsschule Barkenhoff heißt das Bild. Es sind keine Schweine auf dem Bild, aber es waren mal Schweine auf dem Bild. Die hat Vogeler auf Verlangen des Vegetariers Harjes übermalen müssen. Harjes ist für Vogeler zu einem Zertrümmerer geworden: wir setzen alle Mittel daran ihn loszuwerden, schreibt er. Das Verhältnis war schon vorher gespannt, wie man Vogelers Brief an den Pazifisten Pierre Ramus aus dem Jahre 1921 entnehmen kann: Fidi ist das kritische Element auf dem Hofe und bedeutet wohl das beste Gegengewicht in seiner scheinbaren Negation zu Vogeler, der, zu sehr im Zukünftigen verankert, das naheliegende der täglichen Wirklichkeit manchmal übersieht. In Vogelers 1952 (auf Wunsch von Wilhelm Pieck) veröffentlichten Erinnerungen gibt es ein Kapitel, das Zersetzungserscheinungen heißt, von Freundschaft zwischen ihm und Fidi ist da nicht mehr die Rede.
Harjes wusste, dass er in der Kommune von Vogeler nicht weiterkam. Vogeler wird ihm nie verzeihen, dass er alles Werkzeug und Gerät aus seinem Studio mitgenommen hat, Vogeler betrachtete das als Besitz der Kommune. Im 1925 erschienenen Katalog Kunst und Kunstgewerbe in Worpswede wird Harjes nicht erwähnt. Der Mann, den Vogeler immer als den Metallarbeiter bezeichnete, hatte sich in Bremen schon einen Namen gemacht; er macht jetzt große Arbeiten für das Chilehaus in Hamburg und für die Bremer Baumwollbörse, deren Präsident Dr A.W. Cramer sein Mäzen wird und ihm die neue Werkstatt in St Magnus finanziert. Wenn die Baumwollbörse ihrem Präsidenten 1930 zum fünfundsiebzigsten Geburtstag gratuliert, dann ist die Bronzemedaille wohl von Fidi Harjes. Die Metallkunstwerkstatt Harjes gibt es heute in der vierten Generation immer noch. Die Werkstatt ist heute in Meyenburg, den Laden in Vegesack hat man aufgegeben. Meine bei Harjes gekaufte schwarze Schale steht inzwischen auf meinem Schreibtisch, ich lege meine Lesebrille da rein, dann weiß ich immer, wo sie ist.
Die kleinen Dinge des Alltags, dazu habe ich ein kleines Gedicht. Es ist von William Carlos Williams und heißt This Is Just To Say. Wahrscheinlich war es mal ein Zettel, den der Dichter seiner Frau auf den Küchertisch gelegt hat:
This Is Just To Say
I have eaten
the plums
that were in
the icebox
and which
you were probably
saving
for breakfast
Forgive me
they were delicious
so sweet
and so cold
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