Mittwoch, 28. Juli 2010

Battle of Monmouth


Die Schlacht von Monmouth Court House in New Jersey fand an einem heißen Junitag statt, ein Wetter, so wie wir es in diesem Sommer haben. 35 Grad sind es an diesem Tag in New Jersey, wie an den Tagen zuvor, dazwischen mal ein Gewitter. Wir kennen dieses Wetter in diesem Sommer. Aber wir brauchen auch keine Bärenfellmützen zu tragen. Viele Soldaten haben einen Hitzschlag erlitten, die Engländer häufiger als die amerikanischen Soldaten. Die Engländer tragen ihre dicke rote Wolluniform und Bärenmützen und dann das schwere Gepäck. Die deutschen Hilfstruppen der Engländer haben blaue Uniformen, aber auch schwere Helme, manche noch einen Brustpanzer. Die Soldaten der Miliz aus den Kolonien tragen das, was sie sonst zur Jagd tragen. Heute jagen sie Rotröcke.

George Washingtons Truppen greifen die Engländer jetzt im Sommer 1778 an, während sie in den Jahren zuvor hauptsächlich in der Defensive waren. Aber nachdem Gentleman Johnny Burgoyne eine ganze englische Armee bei Saratoga verloren hat, werden die Amerikaner mutiger. Sie sind jetzt auch besser gedrillt als vorher. Das liegt natürlich an einem Deutschen, Drill, das können die Deutschen. Unser Deutscher ist der Baron Friedrich Wilhelm von Steuben, er war vorher in der Armee Friedrichs des Großen. Da nimmt er als Stabskapitän seinen Abschied und wird Hofmarschall beim Fürsten von Hohenzollern-Hechingen. Als er 1777 in Paris ist, macht ihn der Kriegsminister mit Benjamin Franklin bekannt. Der ist von Steuben begeistert und empfiehlt Washington diesen Generalleutnant der preußischen Armee.

Das ist nun ein klein wenig übertrieben, denn General war Steuben nie, er war lediglich im Generalstab. Aber Washington macht Steuben zum General, wenn er sich auch bei vielen Berufssoldaten geirrt hat, die jetzt aus Europa nach Amerika kommen, mit Steuben hat er einen guten Griff getan. Denn in dem schlimmen Winter, als Washington sein Feldlager in Valley Forge aufgeschlagen hat, da organisiert Steuben die Armee neu nach preußischem Vorbild. Er kann kein Englisch, aber er hat einen amerikanischen Offizier neben sich, der seine französischen Flüche in englische Flüche übersetzt. Drill geht nur mit Fluchen, auf jeden Fall bei den Preußen. Und Steuben schreibt auch ein kleines Handbuch, das für die Kontinentalarmee zu einer Bibel wird.

Und da wir gerade beim Fluchen sind, in der Schlacht von Monmouth hat George Washington, der sonst ein Vorbild an Selbstbeherrschung ist, geflucht. You damned poltroon soll er den General Charles Lee genannt haben, der sich vor den Engländern zurückzog. Da greift Washington mit seiner Armee schon mal an, und dann zieht sich Charles Lee feige zurück. Die Flüche von Washington sind nicht so ganz genau überliefert, er sei much excited gewesen, schreibt einer seiner Stabsoffiziere. Und der Brigadegeneral Charles Scott aus Virginia (der 1808 noch Gouverneur von Kentucky wird) sagt später: Yes sir, he swore on that day till the leaves shook on the trees - charming and delightful. Never have I enjoyed such swearing before, or since. Sir, on that memorable day he swore like an angel from Heaven.

Das Bild hat Emanuel Leutze gemalt, ein Jahr nachdem er Washington Crossing the Delarware gemalt hatte (das gab es hier im ➱Blog schon mal), das Bild ist auch beinahe so groß, Helden muss man immer ganz groß malen. Weshalb Leutze Washington auf ein braunes Pferd setzt, ist nicht ganz klar. In Wirklichkeit ritt er ein großes weißes Pferd, aber vielleicht konnte Leutze keine großen weißen Pferde malen. Washington ist auf dem Bild dabei, die amerikanischen Truppen, die Lee hat abziehen lassen, wieder nach vorne zu führen. Es ist das erste Mal, dass die amerikanischen Soldaten ihren Feldherrn mit einem gezogenen Degen gesehen haben. Washington ist ausser sich, da hatte er den englischen General Clinton so schön während des Marsches in der Bewegung überrascht, und dann kneift Lee. Sir, you do not know the British soldiers. We cannot stand against them, hat Lee zu Lafayette gesagt. Er muss es wissen, er ist Engländer, jetzt aber in amerikanischen Diensten. Washington wollte dem General Lee die Truppen für den Angriff gar nicht anvertrauen, aber der ist der dritthöchste General der Kontinentalarmee, da kann ihm Washington das Kommando nicht verweigern. Obgleich sich Lee im Vorjahr schon sehr zögerlich im Kampf gegen die Engländer gezeigt hatte. Er hat auch die ganze Zeit gegen Washington intrigiert und tausend Briefe geschrieben, in denen stand, dass Washington völlig ungeeignet für das Oberkommando sei. Einer dieser Briefe landet durch einen Zufall auf Washingtons Schreibtisch. Washington öffnet ihn, liest den Brief und schickt ihn an Lee zurück. Mit einem Begleitschreiben, in dem er sich dafür entschuldigt, dass er versehentlich den Brief geöffnet hat. Das nenne ich das Benehmen eines Gentleman.

Dann war Lee auch noch 1777 in einer Kneipe gefangen genommen worden und hatte in der Gefangenschaft (nur so, aus rein akademischem Interesse) für die Engländer einen Plan erarbeitet, wie sie die Amerikaner schlagen könnten. Als ihn die Amerikaner zurücktauschen, hätte sie ihn eigentlich aufhängen sollen. Aber man braucht Berufssoldaten in der Kontinentalarmee, und man weiß das auch nicht so genau mit dem Plan. Im Jahre 1858 wird man Lees handschriftlichen Plan in seinem Haus finden. Wäre schön, wenn ich davon ein Bild hätte. Stattdessen gibt es hier einen Brief von Lee an Washington aus dem Jahre 1776, da ist er gerade (gleichzeitig mit Sir Henry Clinton) in Amerika angekommen, da ist der Ton zwischen beiden noch nett. Beginnt noch höflich mit My Dear General und endet mit Your Servant C. Lee

Die Soldaten, die Washington Lee überlässt, waren seine besten Soldaten, diejenigen, die Steuben gedrillt hat. Der Drill zahlt sich aus. Auf Befehl Lees verlassen sie wohl geordnet das Schlachtfeld. Washington will nicht glauben, was er da aus der Ferne sieht, er reitet zu Lee und dann fallen all die schlimmen Worte, die den General Lee dazu bewegen, sich nach ganz weit hinten zu begeben. Mit seinem Pudel. Er ist jetzt richtig beleidigt und lässt es Washington wissen, aber der leugnet erstmal die Beleidigungen und kontert per Brief ganz kühl:

Sir,
I received your letter, (dated, thro' mistake, the 1st of July) expressed, as I conceive, in terms highly improper. I am not conscious of having made use of any very singular expressions at the time of my meeting you, as you intimate. What I recollect to have said was dictated by duty and warranted by the occasion. As soon as circumstances will permit, you shall have an opportunity either of justifying yourself to the army, to Congress, to America, and to the world in general; or of convincing them that you were guilty of a breach of orders and of misbehaviour before the enemy, on the 28th inst. in not attacking them as you had been directed and in making an unnecessary, disorderly, and shameful retreat. I am Sir, your most obt. servt,

Go Washington

Aber in der schon beinahe verlorenen Schlacht von Monmouth Court House macht Washington nun etwas Erstaunliches, er gibt nicht auf. Mit Hilfe von ortskundigen Soldaten, die hier jede Hecke kennen, ordnet er die zurückflutenden Truppen. Stellt sie neu auf und greift an. Und das alles bei 35 Grad im Schatten. Er wird Sir Henry Clinton nicht schlagen, der im Schutze der Nacht sicherheitshalber das Weite sucht. Marschiert zur Küste, wo die Royal Navy liegt und schifft sich mit seiner Armee ein, und weg ist er nach Manhattan. Er sucht nicht die Wiederaufnahme der Schlacht. Tote, Verwundete und Gefangene zusammengezählt, verlieren die Engländer mehr als die Amerikaner. Von den deutschen Hilfstruppen, die immer global als Hessen bezeichnet werden, verschwinden viele auf Nimmerwiedersehen. Sie sind von ihrem Landesherrn in den Dienst gepresst und an die Engländer verkauft worden, aber irgendwie haben sie es jetzt satt.

Der Generalmajor Charles Lee ist eine der ganz seltsamen Figuren des Revolutionskrieges. Diese zeitgenössische Karikatur trifft ihn wohl recht genau, er ist immer von Hunden umgeben, meistens einem halben Dutzend. Auch bei der Schlacht von Monmouth hat er seinen Lieblingspudel bei sich. Lee ist das, was man einen Glücksritter nennt, sein Vater war ein irischer Oberst, er  kaufte seinem Sohn eine Offiziersstelle in der englischen Armee. Lee ist im French-and-Indian War in Amerika gewesen. Die Mohawks haben ihn wegen seines Temperaments Boiling Water genannt (und Lee hatte auch eine Häuptlingstochter geheiratet). Später war er in der portugiesischen Armee, weil die Engländer ihn nicht so recht haben wollten, danach im Stab des polnischen Königs Stanislaus II. In Amerika, wo er dann auf seiner Plantage in Virginia lebte, hatte er gehofft, dass man ihn zum Oberbefehlshaber der Armee des Continental Congress machen würden. Aber die haben sich doch lieber für Washington entschieden, als für den englischen Zyniker, der immer unordentlich herumlief und prollig herumpöbelte. Wenn Washington nach Ansicht mancher Leute zuviel Haltung und Würde hatte, Lee besaß davon gewiß zu wenig, hat Walther Reinhardt in seiner schönen Washington Biographie geschrieben. Bei der Berufung durch den Kongress hat es auch eine Rolle gespielt, dass Lee viel Geld haben wollte (30.000 $). Washington wollte nur seine Unkosten zurück. Hätte der Kongress ihm doch ein Gehalt bezahlt! Nach dem Krieg stellt George Washington dem Kongress 449.261 Dollar und 51 Cent in Rechnung, alles sorgfältig in einem Buch (siehe unten) festgehalten. Ein Generalmajor bekommt vom Kongress 166 Dollar im Monat, das wäre jetzt mal ein ganz einfaches Rechenexempel, was der Kongress gespart hätte.

Trotz seiner grauenhaften Manieren ist Lee ein gebildeter Mann, er spricht mehrere Sprachen (Deutsch, Italienisch und Spanisch). Wenn er betrunken ist, rezitiert er lateinische Verse. Er hat auch behauptet, die berühmten Junius Briefe geschrieben zu haben, aber das ist kaum wahrscheinlich. Irgendwie scheint er sich Friedrich den Großen zum Vorbild genommen zu haben, immer umgeben von Hunden und dann den Rest der Welt verachten. Er wird sich auch nach der Schlacht beleidigend und arrogant gegenüber Washington verhalten. Es folgen Kriegsgericht, Duellforderungen, Entlassung aus der Armee. Er hat dann noch seine Memoiren geschrieben, die 1792 in London erschienen sind und die auch heute noch erhältlich sind. Es lohnt aber nicht, die zu kaufen, man kann sie bei Google Books lesen, wenn man sich langweilen will. Es gab sie 1793 auch in Deutschland zu kaufen, zum Preis von zwei Reichsthalern. Das Beste an dem Buch ist einwandfrei der Titel: Memoirs of the life of the late Charles Lee Esq. Lieutenant Colonel of the 44 Regiment, Colonel in the Portuguese Service, Major General and Aid du Camp to the King of Poland and Second in Command in the Service of the United states of America: to which are added his political and military essays, also letters to and from many distinguished characters both in Europe and America. Ansonsten ist er immer der Größte. Wenn irgendwas schief läuft, sind die Umstände schuld, oder die Intrigen gegen ihn, verräterische Offiziere etc. Ist schon ein wenig pathologisch. Er ist wegen Beleidigungen ständig zu Duellen herausgefordert worden, einmal verliert er dabei zwei Finger, aber sein Gegner verliert das Leben. Washington sieht diese Duelle unter Offizieren gar nicht gerne, billigt aber stillvergnügt, dass sein Adjutant Colonel John Laurens Lee zu einem Duell fordert, nachdem Lee eine Rechtfertigung seines Verhaltens in der Schlacht in einer Zeitung hatte drucken lassen. Lee wird bei diesem Duell verletzt, das erspart ihm das nächste Duell, zu dem General Anthony Wayne ihn herausgefordert hat.

Diese Schlacht ist, auch wenn sie unentschieden ausgeht, Washingtons Sieg und Lees Niederlage. Sie ist wichtig für die Moral der Amerikaner, die hier einem englischen Heer in offener Schlacht Paroli bieten konnten. Der Held der Schlacht in den Schulbüchern ist aber nicht Washington. Es ist eine Frau, die in der Schlacht kämpft.

So wie auf dieser Currier & Ives Lithographie aus dem 19. Jahrhundert hat sie bestimmt nicht ausgesehen, gekleidet in den Nationalfarben. Molly Pitcher soll sie geheißen haben, Washington soll sie zum Sergeant gemacht haben. Sie hat Wasser zum Kühlen der Kanonen herangeschleppt, die an diesem Tag heißer wurden als sonst. Nach einer anderen Quelle soll sie den Soldaten das Wasser gebracht haben. Und ihrem Mann beim Laden der Kanone geholfen haben. Ihr wirklicher Name soll Mary Ludwig Hays gewesen sein, Tochter von deutschen Einwanderern. Niemand weiß, ob an den vielen Legenden etwas dran ist. Aber wenn es wahr wäre, was wäre George Washington ohne die Deutschen? Baron Steuben und Mary Ludwig entscheiden die Schlacht von Monmouth. Das sind doch noch mal Schlagzeilen.

Der Unabhängigkeitskrieg ist der Beginn der amerikanischen Geschichte, und man kann sich vorstellen, dass es darüber voluminöse Literatur bis zum Abwinken gibt. Es gibt aber auch Bücher, die auch von jedermann gut lesbar sind. Barbara Tuchmans Der erste Salut (The First Salute) ist ein hervorragendes Buch über den Krieg mit dem Schwerpunkt auf der Rolle der Marine. Noch besser als Gesamtdarstellung und lesbar wie ein Roman ist Christopher Hibberts Redcoats and Rebels. Einen kleinen Ausschnitt aus dem Krieg präsentiert der zur Zeit wohl renommierteste amerikanische Historiker David Hackett Fischer mit Washington's Crossing. Das Buch hat den Pulitzer Preis bekommen, und das völlig zu Recht. Fischer schreibt keine Geschichte der Generäle, sondern rekonstruiert das alltägliche Leben im Krieg, es ist eine faszinierende Lektüre.

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