Den Herrn links kennen wir. Aber die Dame neben ihm? Das ist Frau, die nur einen Roman geschrieben hat und damit weltberühmt wurde. Heute vor fünfzig Jahren ist To Kill a Mockingbird erschienen, und im Jahr danach gab es den Pulitzerpreis für den Roman. 1962 gab es den Film zum Roman. Und einen Oscar für den Hauptdarsteller Gregory Peck. Rechts neben ihm auf dem Photo ist Harper Lee, die große Unbekannte des amerikanischen Literaturbetriebs. Vor Wochen hat sie der Reporterin Sharon Churcher von der Daily Mail ein Interview gegeben, eine Weltsensation. Sharon Churcher durfte die 84-jährige nur sprechen unter der Bedingung, dass der Roman To Kill a Mockingbird nicht erwähnt wurde. Wir haben hier gerade noch Platz für den Abdruck des ganzen Interviews:
"'Thank you so much,' she told me. 'You are most kind. We're just going to feed the ducks but call me the next time you are here. We have a lot of history here. You will enjoy it.'"
Mehr ist nicht, Harper Lee redet nun mal nicht so gerne mit der Presse. Man muss es Sharon Churcher aber lassen, dass sie in der Daily Mail eine ganze Menge aus diesem Treffen gemacht hat (Link). Harper Lee ist die Tochter eines Rechtsanwalts (irgendwoher muss unser Atticus Finch, der Held von To Kill a Mockingbird, ja herkommen), ihre ältere Schwester Charlotte ist Rechtsanwältin. Charlotte ist jetzt 98. Die Lees sind mit Robert E. Lee verwandt, das bedeutet im amerikanischen Süden eine ganze Menge. Mit der Familie von Gregory Peck ist Harper Lee immer noch befreundet, und Gregory Pecks Enkel trägt den Vornamen Harper.
Der Roman, der in den dreißiger Jahren spielt, handelt von dem Kampf des Südstaaaten Anwalts Atticus Finch für das Recht eines zu Unrecht angeklagten Schwarzen, erzählt wird der Roman aus der Perspektive der jungen Tochter von Atticus Finch, die den Spitznamen Scout hat (diese Erzählsituation erinnert ein wenig an Carson McCullers' Roman The Member of the Wedding). Seinen Titel hat der Roman von dem Satz, den Atticus Finch seinen Kindern mitgibt, wenn er ihnen ein Gewehr zu Weihnachten schenkt:
When he gave us our air-rifles Atticus wouldn't teach us to shoot. Uncle Jack instructed us in the rudiments thereof; he said Atticus wasn't interested in guns. Atticus said to Jem, "I'd rather you shot at tin cans in the back yard, but I know you'll go after birds. Shoot all the bluejays you want, if you can hit 'em, but remember it's a sin to kill a mockingbird." That was the only time I ever hear Atticus say it was a sin to do something, and I asked Miss Maudie about it. "You're father's right," she said. "Mockingbirds don't do one thing but make music for us to enjoy. They don't eat up people's gardens, don't nest in corncribs, they don't do one thing but sing their hearts out for us. That's why it's a sin to kill a mocking bird."
Die Spottdrossel kann singen, sie ist in der amerikanischen Literatur der Ersatz für die Nachtigall, weil es keine Nachtigallen in Amerika gibt. Von daher gesehen ist der deutsche Titel Wer die Nachtigall stört etwas irreführend. Ich möchte jetzt nichts von dem Romaninhalt vorwegnehmen. Man sollte den Roman einfach lesen. Es ist ein schöner Roman. Es ist vielleicht keine große Literatur, so wie William Faulkner, Flannery O'Connor und Carson McCullers große Literatur sind, aber es ist ein schöner Roman. Harper Lees Jugendfreund Truman Capote (den sie auch in den Roman hineingeschrieben hat) hat einmal behauptet, dass Teile des Romans von ihm geschrieben worden sind, aber hören wir einfach nicht auf den Schwätzer. Im Internet findet man hunderte von Seiten, die Interpretationshilfen für den Roman offerieren, das brauchen wir natürlich nicht. Sie sind aber ein Indiz dafür, dass der Roman auf dem Stundenplan vieler amerikanischer Schulen steht. Das ist nicht immer so gewesen. Oft genug ist der Roman aus Bibliotheken und Schulbüchereien entfernt worden. Wenn Sie einmal diese Liste anschauen, dann kommen Sie doch ins Grübeln.
Ich habe hier im April, als es jeden Tag ein Gedicht in diesem Blog gab, den amerikanischen Dichter Andrew Hudgins mit einem Gedicht vorgestellt, und ich fühle mich sehr geehrt, dass Andrew Hudgins von Zeit zu Zeit diesen Blog liest. Hudgins ist wie Harper Lee im Süden aufgewachsen. Und wie Harper Lee den Aufruhr um die Scottsboro Boys in Alabama erlebt hat, hat er eine Generation später in Montgomery, Alabama, den Protest der schwarzen Bürgerrechtsbewegung erlebt. Ich möchte aus seiner eindrucksvollen Autobiographie in Versform, The Glass Hammer: A Southern Childhood, die eigentlich einen Pulitzer Preis verdient hätte, ein Gedicht zitieren, das den Titel Teevee with Grandmomma hat:
The blue light of the teevee glowed
on our blue faces. Ray Charles sang
of Georgia on his mind. "His mind?
That nigger doesn't have a mind,"
Grandmomma said. She threw her tatting
on her lap, sighed, glowered at the set.
"Damn niggers taking over teevee. You can't
watch Johnnny Carson anymore
for all the niggers."
"Now Momma, hush
that kind of talk in front of the boys,"
my mother said. And I chirped up,
"They're just like us, you know. At school
my teacher says that colored people
are just like us."
"Well, maybe they're
like you," she growled and glared at me
to see what I'd say. Long pause. Then I,
to make her angrier, agreed.
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Vielen Dank, ich habe weder Buch gelesen, noch Film gesehen. Das Buch ist nun bestellt.
AntwortenLöschenÜber schlechte Titelübersetzungen rege ich mich übrigens schon lange mit rechthaberischem Genuss meinerseits und Unverständnis meiner nächsten Umgebung auf.