Wie war zu Cölln es doch vordem,
Mit Heinzelmännchen so bequem!
Denn, war man faul: .... man legte sich
Hin auf die Bank und pflegte sich:
Da kamen bei Nacht,
Ehe man’s gedacht,
Die Männlein und schwärmten
Und klappten und lärmten
Und rupften
Und zupften
Und hüpften und trabten
Und putzten und schabten .....
Und eh ein Faulpelz noch erwacht, ...
War all sein Tagewerk ..... bereits gemacht!
Muss das schön gewesen sein, als es noch die Heinzelmännchen gab. Heute sind sie zu Mainzelmännchen degeneriert, das ist natürlich nicht das selbe. Mein Vetter Uwe hatte ein Buch mit den Heinzelmännchen, um das ich ihn sehr beneidete. Ich war fünf und wollte unbedingt auch so ein Buch haben. Habe ich nie bekommen, ich kriegte irgendein pädagogisch wertvolles Kinderbuch. Kamen Einhörner drin vor, war sicher auch nett, aber war natürlich nicht das Buch, das der Uwe hatte. Wenn man klein ist, will man immer Dinge haben, die andere besitzen, aber man bekommt sie nie. Das geht das ganze Leben lang so weiter.
Erstmals in der Literatur aufgetaucht sind die Heinzelmännchen in Ernst Weydens Buch Cöln's Vorzeit im Jahre 1826: Es mag noch nicht über fünfzig Jahre seyn, daß in Cöln die sogenannten Heinzelmännchen ihr abentheuerliches Wesen trieben. Kleine nackende Männchen waren es, die allerhand thaten, Brodbacken, waschen und dergleichen Hausarbeiten mehrere; so wurde erzählt; doch hatte sie Niemand gesehen. Zehn Jahre später verewigt August Kopisch die emsigen kleinen Wichte in seinem Gedicht. August Kopisch wurde heute vor 213 Jahren geboren. Allein die Sache mit dem ➱Gedicht über die Heinzelmännchen wäre es ja wert, ihn mal zu erwähnen.
Aber man sollte auch noch erwähnen, dass er ja eigentlich Maler ist (hier sein Blick auf Potsdam). Doch dann hat er sich beim ➱Schlittschuhlaufen die Hand gebrochen, da gibt er die Malerei erst einmal auf. Es zieht ihn jetzt nach Italien, da ist es wärmer. Er hofft, dass das gut für seine Hand ist.
Ist es offensichtlich, denn wenige Jahre später ist er schon wieder am Malen. Hier sein Bild von den ➱Pontinischen Sümpfen. Wenn man sich das anschaut, sollte man aber unbedingt dazu Rudi Schurickes ➱Capri-Fischer auflegen. Anders geht das nicht. Wenn Sie zu einer Generation gehören sollten, die nicht mit Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt aufgewachsen ist, sollten Sie es erst recht hören. Es sagt einem viel über die deutsche Italienbegeisterung der fünfziger Jahre. Wenn ➱Borgward seine Isabella nicht ➱Isabella genannt hätte, hätte sich das Teil bestimmt nicht verkauft. Borgward-Freunde sollten natürlich diese beiden Posts lesen.
Und Capri bringt mich jetzt mit einem wunderbaren Übergang zurück in das Jahr 1826, dem Jahr, in dem die Cölner Heinzelmännchen zum ersten Mal das Licht der Literatur erblicken. Da ist August Kopisch in Capri, aber lassen wir ihn selbst zu Wort kommen: Es war im Sommer des Jahres 1826, als ich mit meinem Freunde Ernst Fries in der schönen Bucht, an der nördlichen Marine von Capri landete. Die Sonne neigte sich dem fernen Ischia zu, als wir in den rasselnden Uferkies hinabsprangen. Capri war die erste Insel, die ich betrat, und nie werde ich den Eindruck vergessen. Einer meiner liebsten Wünsche erfüllte sich. Ich hörte nun das Meer um alle jene wunderbar gestalteten Felsen rauschen, die schon von Neapel aus meinen Sinn zauberisch gefangen genommen. Jede brandende Wellenreihe sang mir zu: ich sei vom Festlande geschieden, auf einer Klippe, wo ein einfaches Volk von Fischern und Gärtnern wohnt, und der Hufschlag der Rosse und das Geroll der Wagen unbekannt ist. Mit ihren Felsen und Höhlen, und hängenden Gärten und alten Trümmern, und neuen Städten und Felsentreppen war mir die Insel schon von fern als eine besondere Welt erschienen, erfüllt von Wundern und umschwebt von grauenvollen und lieblichen Sagen, und nun, da meine Zeit nicht eng beschränkt war, durfte ich hoffen diese Welt in allen ihren Grenzen genau durchforschen zu können. Dieser Gedanke machte mich unbeschreiblich glücklich.
Sie können das gerne hier im ➱Volltext lesen. Es geht um nichts Geringeres als die Entdeckung der Blauen Grotte. Wer hat sie entdeckt? Natürlich August Kopisch. Blaue Grotte und Heinzelmännchen, mehr geht wirklich nicht.
Das Buch mit den Heinzelmännchen von meinem Vetter Uwe war kein gewöhnliches Bilderbuch. Es gab da Pappstreifen am Buchseitenrand, mittels derer man die putzigen Kerlchen auf den Bildern bewegen konnte. So etwas hatte ich noch nie gesehen. Als ich gestern das Internet nach solchen Büchern durchsuchte, stieß ich bei einer Waldorfschulen-Buchhandlung auf einen erstaunlichen Text: Zur Vertiefung in die Wirklichkeit des ernsten Spielbedürfnises des Kindes und seiner stufenweisen Phantasieentfaltung hat Brunhild Müller die Hinweise Rudolf Steiners zum beweglichen Bilderbuch in ihren Anmerkungen zusammengetragen. Rudolf Steiner spricht von den an Fäden gezogenen, Gesten ausführenden Figuren. Wer seinen Fingerzeigen nachgeht, wird die Entdeckung machen, daß wir mit diesem Werkbuch zur Anfertigung von Bilderbüchern, in denen die ganzen Figuren bewegt werden, einen Anstoß zu schöpferischem Tun für unsere Kinder und mit ihnen erhalten, den nun jeder nach seinem Vermögen weiter entwickeln und differenzieren kann. Bei Steiner sind Kriterien für das Bilderbuch aufgezeigt, die Wege zu weiteren Entdeckungen und innerer Sicherheit öffnen.
Rudolf Steiner als Vordenker der Pop-Up-, Klapp- und Ziehbilderbücher, wow! Rudolf Steiner war ein Name, der bei uns zu Hause besser nicht erwähnt wurde (und der Stil des obigen Textes bestätigt ja die schlimmsten Vorurteile), für meinen Opa war das pädagogische Vorbild die preußische Kadettenanstalt. Das konnte ich noch erleben, weil ich zu der ➱Volksschule kam, an der mein gerade pensionierter Opa unterrichtet hatte. Hat auch keinem geschadet.
Das Goethezeitportal, das ich schon einmal empfohlen hatte, als ich über ➱Theodor Körner schrieb, hat eine hervorragende ➱Seite zu dem Thema August Kopisch und der Entdeckung der Blauen Grotte.
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