Heute vor 290 Jahren wurde Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, in Venedig geboren (nach manchen Quellen wurde er allerdings schon am 30. Januar 1721 geboren). Er war ein Meister der Vedutenmalerei. Man konnte große Teile von Warschau wieder aufbauen, weil er es so genau gemalt hatte. Heute vertrauen die Denkmalpfleger auf den Photoapparat, der natürlich nicht so schöne Bilder produziert wie Canaletto. Doch auch die Architekturphotographie ist schon eine eigene Kunstform. Womit ich jetzt nicht die Photos von Ruhrgebietszechen von Bernd und Hilla Becher meine, sondern Photos, an denen man alle Eigenheiten der Architektur studieren kann.
Wie zum Beispiel die Photos von Herbert Kreft in einem Bildband wie Herbert Kreft und Jürgen Soenke Die Weserrenaissance. Oder Jörg Brockmanns 1000 New York Buildings. Alles Schwarz-Weiß und mit einem tilt & shift Objektiv aufgenommen, keine stürzenden Linien. Dass man Warschau nach seinen Bildern wieder aufbauen konnte, habe ich mir nicht ausgedacht, das weiß ich, seit ich 1973 die Ausstellung Warschau seit Canaletto: Glanz, Verwüstung, Wiederaufbau gesehen habe. Das habe ich wohl schon in dem Post zu Eduard Gaertner, auch ein Meister der Vedutenmalerei, erwähnt.
Dies hier ist Canalettos Bild Wien vom Belvedere aus gesehen, das natürlich im Kunsthistorischen Museum in Wien hängt. Das Bild weiter oben The Thames and the City of London from Richmond House (um 1750) ist leider nicht in London, das hängt in einer Privatsammlung. Eine ähnliche Darstellung der Themse gehört der englischen Königin, die hatte schon George III gekauft.
Es gibt zu dem Bild von Wien auch ein nettes Gedicht, das Blick vom Oberen Belvedere heißt.
Fülle du! Gezier- und schöner Geist,
übersetzt in edelstes Gebreite:
Rechts die Kuppel, links die Kuppel weist
Majestätisch ein dies Bild der Weite.
Ach, wie hatten jene Zeiten Kraft,
Ach, wie hatten jene Zeiten Kraft,
Roh’ und Wildes in die Kunst zu heben!
Irdischer Gesetzlichkeit entrafft,
engten sie und weiteten das Leben.
Gehen nicht die Terrassen ab und an
Gehen nicht die Terrassen ab und an
Reifrockdamen, sanft hofiert von ihren
eindrucksicher steifen Kavalieren?
Nein, die Gärten zaubern holden Wahn.
Nein, die Gärten zaubern holden Wahn.
Ganz verging dies Planen, Lächeln, Lieben –
Gilb und weh – nur Schönheit ist geblieben...
Ich habe das Gedicht auf einer Seite des Kunsthistorischen Museums Wien gefunden, wo es unter dem Titel Wien heute und zur Zeit Maria Theresias: Arbeitshilfen für den Museumsbesuch mit Schulklassen Materialien für Kunstlehrer gibt. Für so etwas sind Lehrer ja immer dankbar, und die Seite ist auch gut gemacht.
Bis auf eine kleine Sache. Es gibt keinerlei Information zu dem Autor des Gedichts, und es wird auch verschwiegen, dass das Gedicht aus dem Jahre 1935 ist. Der Dichter heißt Josef Weinheber, er war ein Vorzeigedichter der Nazis. Mochte man das dem Kunstlehrer nicht zumuten? Man hat in Österreich eine etwas seltsame Art, mit der Vergangenheit umzugehen. Noch 2006 liest man im Jahrbuch der österreichischen Goethe-Gesellschaft über Josef Weinheber: Der heutige Leser muss sich durch einen Wust von willentlichen oder unwillentlichen Fehldeutungen kämpfen, wenn er sich dem Werk Josef Weinhebers anzunähern beabsichtigt. Ein unbefangener Zugriff scheint nur bedingt gewährleistet. Ob als präfaschistisch orakelnder Hölderlinepigone diffamiert oder zum urbanen Heimatdichter des Wiener Schmähs verniedlicht, ob als leerer Formvirtuose abgetan oder aufgrund seines sattsam kolportierten Bonmots "In Ruah lossn!" auf Goebbels′ Frage nach Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme zum Wohle der Dichtkunst zum Widerstandskämpfer uminterpretiert - an unterschiedlichen Lesarten der Dichtungen Weinhebers und an ebenso zahlreichen unterschiedlichen Einschätzungen seiner Person zur Deckung des jeweiligen Meinungsbedarfs im Kulturbetrieb herrschte (und herrscht) wahrlich kein Mangel, und Selbstbedienung dürfte als erwünscht vorausgesetzt werden.
Irgendwie fällt mir dazu nur der Satz des in Österreich geborenen Billy Wilder ein: Die Österreicher haben das Kunststück fertiggebracht, aus Beethoven einen Österreicher und aus Hitler einen Deutschen zu machen.
Ich habe das Gedicht auf einer Seite des Kunsthistorischen Museums Wien gefunden, wo es unter dem Titel Wien heute und zur Zeit Maria Theresias: Arbeitshilfen für den Museumsbesuch mit Schulklassen Materialien für Kunstlehrer gibt. Für so etwas sind Lehrer ja immer dankbar, und die Seite ist auch gut gemacht.
Bis auf eine kleine Sache. Es gibt keinerlei Information zu dem Autor des Gedichts, und es wird auch verschwiegen, dass das Gedicht aus dem Jahre 1935 ist. Der Dichter heißt Josef Weinheber, er war ein Vorzeigedichter der Nazis. Mochte man das dem Kunstlehrer nicht zumuten? Man hat in Österreich eine etwas seltsame Art, mit der Vergangenheit umzugehen. Noch 2006 liest man im Jahrbuch der österreichischen Goethe-Gesellschaft über Josef Weinheber: Der heutige Leser muss sich durch einen Wust von willentlichen oder unwillentlichen Fehldeutungen kämpfen, wenn er sich dem Werk Josef Weinhebers anzunähern beabsichtigt. Ein unbefangener Zugriff scheint nur bedingt gewährleistet. Ob als präfaschistisch orakelnder Hölderlinepigone diffamiert oder zum urbanen Heimatdichter des Wiener Schmähs verniedlicht, ob als leerer Formvirtuose abgetan oder aufgrund seines sattsam kolportierten Bonmots "In Ruah lossn!" auf Goebbels′ Frage nach Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme zum Wohle der Dichtkunst zum Widerstandskämpfer uminterpretiert - an unterschiedlichen Lesarten der Dichtungen Weinhebers und an ebenso zahlreichen unterschiedlichen Einschätzungen seiner Person zur Deckung des jeweiligen Meinungsbedarfs im Kulturbetrieb herrschte (und herrscht) wahrlich kein Mangel, und Selbstbedienung dürfte als erwünscht vorausgesetzt werden.
Irgendwie fällt mir dazu nur der Satz des in Österreich geborenen Billy Wilder ein: Die Österreicher haben das Kunststück fertiggebracht, aus Beethoven einen Österreicher und aus Hitler einen Deutschen zu machen.
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