Samstag, 22. Dezember 2012

Zar und Zimmermann


Wenn Sie das jetzt lesen, ist die Welt doch nicht untergegangen. Auf den Maya Kalender ist auch kein Verlass mehr. Das ist bei Weltuntergängen ja immer das gleiche. Und da wir wieder im normalen Leben sind, möchte ich mal eben daran erinnern, dass heute vor 175 Jahren in ➱Leipzig Albert Lortzings Oper Zar und Zimmermann Premiere hatte. Sie kennen das, es ist die alte Geschichte mit dem russischen Zaren, der sich in Holland als Arbeiter mit Migrationshintergrund im Schiffbau ausbilden lässt, um die holländische Technologie auszuspionieren. Wie lange er wirklich als Schiffszimmermann auf seiner Bildungsreise durch Europa - die auch die Große Gesandtschaft heißt - gearbeitet hat, darüber gehen die Quellen auseinander. Aber die Geschichte schreit natürlich nach einer romantischen Oper. Vor allem, wenn man komische Figuren (wie den Bürgermeister van Bett) und eine Liebeshandlung hineinschreibt. Den Holzschuhtanz nicht zu vergessen. Alle Vorurteile, die wir über ➱Holland haben, kommen drin vor. Und dann ist da noch diese schöne, schmalzige Romanze Lebe wohl, mein flandrisch Mädchen. Ein Lied, das kein Tenor ausgelassen hat.

Albert Lortzing hat nicht nur die Musik der Oper geschrieben, er hat auch das ➱Libretto verfasst. Während er in Leipzig mit den Proben für seine Oper beschäftigt war, wurde in Berlin schon eine Oper über den kaiserlichen Zimmermann gespielt, Gaetano Donizettis Il borgomastro di Saardam. Man weiß aber nicht, ob Lortzing diese Oper gekannt hat. Dass sich beide Opern ähneln. bedeutet nicht, dass Lortzing bei Donizetti abgeschrieben hat. Beide Opern haben die gleiche Quelle, nämlich die Komödie ➱Le bourgmestre de Sardam, ou Les deux Pierres von Mélésville, Jean-Toussaint Merle und Eugène Cantiran de Boirie aus dem Jahre 1818. Aber in all diesen Vorlagen kommt natürlich Lebe wohl, mein flandrisch Mädchen nicht vor, das gibt es nur bei Lortzing. Zwanzig Jahre nach der Uraufführung von Zar und Zimmermann taucht das flandrische Mädchen in Johann Nepomuk Vogls Soldaten-Lieder mit völlig verändertem Text (aber der Melodie von Lortzing) wieder auf. Aber da gehört es natürlich nicht hin. Das Lied gehört natürlich auf die Bühne. Oder auf die Schallplatte.

Hören Sie doch einmal in die Version mit ➱Fritz Wunderlich hinein. Die fällt mir als erste ein, aber das liegt natürlich daran, dass ich ein Fan von ➱Wunderlich bin. Meine Leser sind offensichtlich Rudolf Schock Fans, an die Zahlen, die der Post ➱Rudolf Schock erreicht hat, kommen Wunderlich und ➱Fischer-Dieskau nicht heran. Leider habe ich im Netz keine Aufnahme mit Rudolf Schock von dem Lied des Marquis von Chateauneuf gefunden. Er hat es natürlich gesungen, ich finde seine Aufnahme eine der besten überhaupt. Sie können sich ➱hier alle Versionen von Lebe wohl, mein flandrisch Mädchen anhören, die man im Internet findet.

Leider habe ich den Schweden Nicolai Gedda auch nicht gefunden. Der singt nämlich den Marquis von Chateauneuf in der Aufnahme, die Karl Löbl und Robert Werba empfehlen, die alte ➱EMI Aufnahme von 1965Die bestmögliche Realisation dieser Oper. Eine unglaublich homogene Besetzung, eine unübertreffliche Ansammlung von Spitzenkräften, deren stilistisches Verständnis für Lortzing ebenso groß ist wie die stimmliche Qualität und Disziplin. Von Heger väterlich umsorgt, entstand so eine der Handlung und Musik adäquate Aufnahme.

Ich kann sie auch empfehlen, es ist die einzige Aufnahme, die ich von der Oper habe. Ich vertraue bei Opern in den meisten Fällen der Empfehlung von Karl Löbl. Außerdem verfasste er in zwei Bänden Opern auf Schallplatten (1983) gemeinsam mit Robert Werba ein viel gerühmtes Lexikon mit Kommentaren zu den einzelnen Aufnahmen, heißt es im Wikipedia Eintrag von Karl Löbl. Das könnte man fett und 16 Punkt setzen, denn es gibt nichts Besseres als das Hermes Handlexikon: Opern auf Schallplatten.

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